Bitter-süsser Nostalgiekrimi

Neuer Detektivroman von Ray Bradbury

Ray Bradburys Kriminalroman «Der Tod ist ein einsames Geschäft» («Death is a lonely Business») ist eine bitter-süsse Nostalgiegeschichte über das alte Hollywood voll stimmungsvoller Bilder und artistischer Sprachgaukelei.

Seit vierzig Jahren schreibt der ungemein begabte und fruchtbare kalifornische Autor Ry Bradbury (1920) Detektivgeschichten, eine besser als die andere. Auch einen Kriminalroman hat er vor zwanzig Jahren verfasst («Das Böse kommt auf leisen Sohlen»). Seine anderen Romane aber gehören ins Reich der Science Fiction und Phantasie. In seinem neuen Detektivroman, vom Diogenes Verlag in einer ausgezeichneten Übersetzung von Jürgen Bauer zugänglich gemacht, führt er nun seine Leser nicht auf den Mars und nicht ins Land von «Fahrenheit 451», sondern in sein heimatliches Kalifornien, nach Venice bei Los Angeles. Jede seiner Figuren gäbe einen Roman für sich ab: Da ist die zentnerschwere Sopranisitin Fannie Floriana, die seit Jahren nicht mehr im Bett war, den ganze Tag Platten hört und mit der Prominenz auf Du ist. Da ist der blinde Henry, der die lokale Geographie in den Beinen hat und die Leute an ihrem Geruch kennt. Da ist die Stummfilm-Diva Constance Rattigan, die sich tagsüber in ihrer maurischen Festung einschliesst, aber nachts im Meer schwimmen geht. Und der Typ mit dem Caligula-Schädel auf dem Adonis-Körper, die SchiessbudenAnnie und der Kinbesitzer vom Pier, der von Shrink zu Shrank mutierte Psychiater, und natürlich ein Detektiv. Der allerdings löst keinen Fall, sondern lebt in einem Dschungelgarten und laboriert an einem BuchManuskript. Die Krimi-Arbeit leistet der Erzähler, ein Geschichtenerzähler wie Bradbury vor vierzig Jahren, jung, schüchtern, mittellos. Aber mit viel Vorstellungsvermögen ausgestattet und mit Intuition. Er spürt, dass etwas nicht stimmt, dass all die offenbar eines natürlichen Unfalltodes gestorbenen Menschen von jemandem sachte ins Jenseits befördert wurden. Es sind allesamt Leute, aus jener vergangenen Epoche, der Zeit, als das alte Venice noch lebte. Jetzt aber, im Jahre 1949, wird der Vergnügungspier demontiert, die Reste der Achterbahn liegen am Boden wie das Skelett eines Dinosauriers, und im Kino werden noch ein letztes Mal die schönen Streifen aus der Stummfilmzeit gespielt. Bradbury hat ein nostalgisches Buch geschrieben, über seine eigene Jugendzeit, über das alte Hollywood und über die Romanwelt von Chandler, Cains, Hammett und McDonald. Ein Buch voller Zitate und doch ganz eigenständig, ein Roman, der trunken macht vor Wonne an Bradburys artistischen Gauklereien, seinen wahnwitzigen und doch treffenden Bildern, seinem so überreichen Kosmos und seinem bitter-süssen Erzählton.

Urs Dürmüller

Ray Bradbury: "Der Tod ist ein einsames Geschäft», Diogenes Verlag, 320 S., Fr. 29.80.