Patricia Highsmith
Tom Ripley bannt die Gespenster

Die Fans von Tom Ripley dürfen sich freuen: Patricia Highsmith legt einen neuen Roman aus dem Leben dieses liebenswerten Schurken vor: «Ripley Under Water».

Tom Ripley, man weiss es, ist zwar ein wohlerzogener Gentleman, gebildet und geschmackvoll; aber er ist auch zu vielerlei Verbrechen, ja selbst zum Morden fähig. Nicht dass er in der neuen Geschichte, die Patricia Highsmith über ihren kriminellen Yuppie schreibt, irgend etwas Schlechtes täte, Gott behüte!
Ripley pflegt seinen Blumengarten in Villeperee, nicht unweit von Fontainebleau, kümmert sich um seine attraktive Frau Heloise und versucht, ein angenehmer Nachbar zu sein. Ripleys Leben wäre schön, luxuriös, aber wohl auch etwas spannungsarm, gäbe es da nicht die Gespenster aus der Vergangenheit.

Das unterschwellige Unheil

Nicht dass Ripley plötzlich vom schlechten Gewissen gepackt würde. Er schläft auch dann noch gut, als sich Dickie Greenleaf telephonisch aus dem Jenseits meldet und die Knochen des Kunstsacherverständigen Murchinson vor seiner Haustür landen. Aber Ripley muss doch aktiv werden. Denn dass da ein hergelaufener Amerikaner in seinem Leben herumzuschnüffeln beginnt, das ist schon etwas störend. Die Ferienreise mit Heloise samt Freundin nach Marokko wird deshalb etwas ungemütlich; Ripley muss auch schnell nach London reisen, um in der Galerie, wo die gefälschten Derwatts hängen, nach dem Rechten zu sehen; und schliesslich kann ja auch der makabre Knochenfund nicht in seinem französischen Garten bleiben.
Patricia Highsmith schreibt einen süffigen Text über die Aufrechterhaltung des schönen Scheins. Sie lässt sich Zeit zur Beschreibung einer wundersamen Sommeridylle, und sie nervt den Leser, weil sie ihm zu verstehen gibt, dass unter der heilen Oberfläche das Unheil brodelt. Überdies steht die Autorin fröhlich zu ihrer Unmoral: Den Ripley müsste man für seine Verbrechen doch wirklich zur Rechenschaft ziehen, denkt man; andererseits ist der doch ein so liebenswürdiger, netter Mensch! Und so hofft man mit ihm, dass es ihm dank seiner Cleverness und Coolness gelingen möge, die Gespenster aus der Vergangenheit in Schach zu halten und zu bannen.
Das Wasser steht Ripley tatsächlich bis zum Hals, als sein ungehobelter Gegner die Überreste Murchinsons aus einem Kanal fischt. Von den beiden ist es jedoch Ripley, der schwimmen kann.
Denn Tom Ripley ist nicht nur ein Lebenskünstler, sondern ein Überlebenskünstler. Highsmith sei dank! So dürfen die Leser auf weitere Ripley-Romane hoffen.

Urs Dürmüller

Patricia Highsmith: Ripley Under Water. Roman. Diogenes. 430 Seiten, Fr.39: