Itamar Levy: Buchstaben von der Sonne, Buchstaben vom Mond

Literarisches Denkmal für die Westbank-Kultur

In „Buchstaben von der Sonne, Buchstaben vom Mond“, auf Hebräisch 1991 erschienen, versetzt sich der israelische Schriftsteller Itamar Levy in einen jungen Araber von der Westbank und überrascht mit der Wahl einer ungewöhnlichen Form.

Noch kann der 12jährige Jaafar Omar Ismail Zakkut weder lesen noch schreiben. Denn die Schulen sind geschlossen, Ausgangssperre herrscht, und die jungen Palästinenser üben sich im Steinewerfen statt im Buchstabenmalen. Doch Jaafar will sich auch bilden. Deshalb bringt er sich das arabische Alphabet selber bei. Den Buchstaben von „Alif“, „Ba“, „Ta“, „Nun“ bis zum „Ha“ sind die Kapitel des Romans gewidmet. Als Zeichen mit einer Geschichte, mit interpretierbaren Formen und poetischen Assoziationen inspirieren sie den Inhalt der Kapitel, die Episoden aus dem Leben der Familie Zakkut und der vom israelischen Militär besetzten Stadt gewidmet sind. Vom respektgebietenden Vater und seiner Eisfabrik ist die Rede, von der Grossmutter, der man ständig zu essen geben muss, vom Grossvater, dessen Gebeine, so heisst es, in einem Stück Stein eingeschlossen sind, und von den Brüdern, dem im fernen Riga zum Zirkusartisten ausgebildeten geliebten Taha, und dem mafiosen Scharif. Und von vielen andern farbig-orientalischen Figuren mehr. Doch Itamar Levy erzählt kein Märchen, auch keine geschönte Sonntagsgeschichte, sondern berichtet vom Geist der Zerstörung, dem im Palästina von heute dörfliche Gemeinschaften und Familien zum Opfer fallen. Levy erzählt auf eine ganz und gar unwestliche Art: mit vielen Reihungen und Wiederholungen beschwört er eine Welt, deren Unterganz er gleichzeitig dokumentiert. Oder doch nicht ganz. Denn mit der poetischen Kraft seiner Texte nimmt er nicht nur jeden Leser mit auf die Westbank, sondern sichert einer von politischen und militärischen Zwisten gefährdeten Kultur wengistens ein literarisches Ueberleben.

Urs Dürmüller

Itamar Levy Buchstaben von der Sonne, Buchstaben vom Mond Suhrkamp 1979. 251 Seiten. Fr. xxx