2. JAHRGANG [1925] HEFT 1/3
ZEITSCHRIFT
PANEUROPA
HERAUSGEBER
R. N. COUDENHOVE-KALERGI
RUNDFRAGE:
1. Halten Sie die Schaffung der Vereinigten Staaten von
Europa für notwendig?
2. Halten Sie das Zustandekommen der Vereinigten Staaten von Europa für
möglich?
1. Considérez-vous la création des États
Unis de l'Europe comme nécessaire?
2. La création des États Unis de l'Europe vous paraît-elle
possible?
1. Ritiene Ella necessaria la fondazione degli Stati
Uniti di Europa?
2. Ritiene Ella tale fondazione possible?
[erste Gruppe (Heft 1/3 und 4)] | [zweite Gruppe (Doppelheft 6/7)] | [dritte Gruppe (Doppelheft 8/9)] |
Apponyi, Albert Graf Auernheimer Raoul Aulard Alphons A. Barbusse Henri Bell Benedikt Ernst Beneš Edvard Bernhard Georg Bernstorff, Graf Borel Emile Brockhausen Carl Caillaux Joseph Cassin René Celmins H. Cesaro Colonna di, Duca Cohen-Reuss Max Colbert Carl Dinghofer Franz Dopsch Alfons Dubarry Albert Einstein Albert Fabre-Luce Alfred Eulenberg Herbert Faktor Emil Flake Otto Frank Felix Goetz Walter Goldscheid Rudolf Haas Wilhelm Hainisch Marianne Harden Maximilian Hauptmann Gerhart Haushofer Karl Herriot Edouard Hiller Kurt Hofmannsthal, Hugo von Hotowetz Hugelmann Karl Jouvenel, Henri de Kafka Bruno Kanner Heinrich Karnebeck, H. A. von Karo Georg Kerr Alfred Kessler Harry, Graf Keyserling Hermann, Graf Koch Erich Krofta K. Kuenzer Richard Lange Christian Lichtenberger Henry Liebermann Lippowitz Jakob Löbl Emil Loebe Paul Machar Manacorda Guido Mann Heinrich Mann Thomas Matthias Leo Medinger Wilhelm Melchior Carl Meierowics Mendelsohn-Bartholdy A. Michalakopulos A. Moutet Marius Nitti Francesco Obst E. Oestreich Paul Oheimb Katharina Painlevé Paul Pannwitz Rudolf Petrulis V. Pribram Francis Rádl Emil Ragaz Leonhard Redlich Josef Renner Karl Rheinbaben, Freiherr v. Rist Charles Salten Felix Schanzer Carlo Scheidemann Philipp Schücking Walter Schulze-Gävernitz Schuster V. Seipel Ignaz Sforza Carlo Conte Simons Walter Spann Othmar Sperl Hans Stampfer Friedrich Stinnes Edmund Svehla Anton Tzankow A. Ta. Vambery R. Villard Pierre Warburg Max Wieniawski A. Wiese, Leopold von Wyneken Gustav |
Adenauer Conrad Appell Paul Aereboe Friedrich Augspurg Anita Bauer Bruno Behrens Peter Berthod Aimé Bourcart C. D. Bovet Ernest Brachet Brentano Lujo Coßmann Paul Nikolaus Craemer Carl Curtius Ludwig Dewall Wolf von Drechsler Hellmuth Duboin Jacques Eiselsberg Anton Foerster Friedrich W. Gerlach Hellmut von Gothein Georg Großmann Stefan Hallgarten Wolfgang Heile Wilhelm Hoffmann Josef Hohenlohe-Schillingsfürst Konstantin Philipp Jacobsohn Siegfried Kaas Ludwig Kelsen Hans Lemmer Ernst Lerchenfeld Hugo Graf Lodgman Lorenz Adolf Ludwig Emil Lumbroso Alberto Baron Martin William Mascha Ottokar Medding Wolfgang Meinl Julius Mommsen Wilhelm Niedzialkowski M. Olden Rudolf Oncken Hermann Oppenheimer Franz Piérard Louis Preuß Hugo Pusta C. R. Rainprecht Anton von Richthofen Preto Freiherr von Rolland Romain Rosthorn Artur Saenger Samuel Schnitzler Arthur Schoenaich Freiherr von Sollmann W. Stauning Th. Stolper Gustav Thomas Albert Tönnies Ferdinand Unruh Fritz von Viénot Pierre Vogel Walther Vögler Weber Adolf Werfel Franz Wettstein Richard Wilbrandt |
Allen Frederick H. Armstrong Hamilton Fish Atkinson Henry A. Blakeslee G. H. Bliss Tasker H. Booth Wilis H Butler Nicholas Murray Capper Artur Coudert Frederic R. Crane John O. Cravath Paul Davis John W. Duggan Stephen P. Frankfurter Felix Garrison Villard Oswald Gulick Sidney Hale William Hapgood Norman Hines Walker D. Holmes John Haynes Keppel I. P. Mc Donald James Plimpton Geo N. Rosenwald Julius Schevill Ferdinand Schmitt Bernadotte E. Seligman Edwin R. A. Shepherd William R. Swope Gerard Miss Thomas Carey Vanderlip Frank A. Warburg Paul M. [Für diese Gruppe - alles US-Amerikaner - lauteten die Fragen:] 1. Do you consider a "United States of Europe" a necessity for Europe? 2. Do you consider a "United States of Europe" a possibility? |
ANTWORTEN [willkürliche Auswahl]:
Dr. CONRAD ADENAUER
Oberbürgermeister von Köln
1. Ich halte die Schaffung der Vereinigten Staaten von
Europa für notwendig.
2. Ich halte das Zustandekommen wohl für möglich,
nur im gegenwärtigen Zeitpunkte nicht.
GRAF BERNSTORFF
Botschafter a. D., M. d. Reichstag, Berlin
1. Ja. Ich bin oft mündlich und schriftlich dafür
eingetreten. Ob der Weg über einen Zollverein oder ein anderer gewählt
wird, ist nebensächlich. Die Hauptsache ist: die allmähliche
Annäherung der Staaten Europas (inklusive England) im Völkerbunde,
weil andernfalls doch wieder ein Krieg kommt, der Europa völlig zugrunde
richten würde.
2. Ja. Die Ausführung des Gedankens kann nur allmählich
erfolgen, aber die Idee muß allen politischen Maßnahmen zugrunde
liegen, weil andernfalls die oben erwähnte Folge eintritt. Europa
als große Schweiz ist das Endziel. Freie Entfaltung der Nationalität!!
Professor PAUL NIKOLAUS COSSMANN
Herausgeber der Süddeutschen Monatshefte, München
1. Ja. Ohne solche Vereinigung werden 1. immer wieder
neue Kriege entstehen, 2. die Wirtschaftskämpfe immer wieder in einzelnen
Ländern zur Verelendung und Arbeitslosigkeit führen, 3. die alten
Kulturvölker Europas insgesamt ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit
an die Vereinigten Staaten von Nordamerika verlieren.
2. Nein. Die inneren Voraussetzungen sind nicht gegeben,
weil 1. die Siegerstaaten nicht wünschen, daß die deutschen
Bevölkerungen des ehemaligen deutschen und österreich-ungarischen
Reiches das Selbstbestimmungsrecht erhalten, 2. sie aus der deutschen Arbeit
Abgaben erzwingen wollen, 3. die Grundlagen dieser Strafmaßnahmen
- die Schuld- und Greuelbehauptungen des Versailler Vertrages und der Mantelnote
- das Gegenteil der Wahrheit sind und auf Lügen eine dauernde Gemeinschaft
nicht begründet werden kann.
Professor ALBERT EINSTEIN
Berlin
1. Ja, unbedingt.
2. Materiell sicher. Psychologisch?
OTTO FLAKE
Zürich
1. Ja.
2. Nein - nicht ohne weiteres - sehr spät. Nein,
wenn ich mir die Menschen und die Geschichte vorstelle, wie ich sie erlebt
habe.
Nicht ohne weiteres, wenn ich sehr optimistisch gestimmt
bin.
Sehr spät, wenn ich an das Wahrscheinliche denke
und das immerhin Mögliche nicht ganz ausschalte. Ich glaube, daß
der Einzelne sich der Vernunft unterstellt und daß die Völker
Masse sind. Ich sehe, daß kein Staatsmann sich in irgendeiner Nation
halten kann, der den Versuch macht, den durchorganisierten Machtwillen
der Finanz, Industrie, Partei usw. zurückzudrängen. Die Gründung
der Vereinigten Staaten Europas scheint mir nicht nur ein politisches Problem
zu sein, sondern ein den ganzen chaotischen Menschen betreffendes. Im Durchschnitt
gesehen, ist der Mensch dumm, triebhaft, lieblos, unreligiös und hysterisch.
Ich bin darauf gefaßt, daß noch entsetzliche
Kriege kommen und daß der Amerikanaeuropäer zuerst aus allen
fremden Erdteilen hinausgeworfen werden muß, bevor er auf die Suprematie
verzichtet.
Ich beziehe mich bei diesen Urteilen auf die Erfahrung und
das Wissen um die menschliche Natur - ohne zu leugnen, daß die Idee
dessen, was sein sollte, existiert. Sie hat für mich Glaubenswert
und Richtungswert; ihre Ziele sind "möglich".
Ich könnte Ihre zweite Frage also auch mit Ja beantworten,
aber dann müßte ich hinzufügen: das Mögliche ist nicht
dasselbe wie das Wirkliche - kurz, ich muß einen Vorbehalt machen,
der mich nicht freut.
RUDOLF GOLDSCHEID
Präsident der österr. Friedensgesellschaft, Wien
1. Ja. Wegen der Fülle gemeinsamer Interessen der
Völker Europas, die ohne die unabweisbar gebotene gemeinsame Wahrung
zwangsläufig eine noch größere Fülle verheerendster
Konflikte aus sich hervortreiben. Ihre wirtschaftlichen und kulturellen
Lebensnotwendigkeiten lassen sich nicht durch rationale Selbsthilfe siehern,
sondern nur durch eine Art "Zweckverband Europa", der seinerseits
wieder im Völkerbund seine festeste Verankerung erhalten muß.
Der Nationalismus bedeutet für die Gegenwart, was in der Vergangenheit
der Partikularismus bedeutete, der darum schließlich auch durch die
großen nationalen Einheitsstaaten überwunden wurde.
2. Ja. Die Vereinigten Staaten von Europa werden Wirklichkeit
werden, sobald die Völker Europas zum vollen Bewußtsein ihrer
Lage gelangen, sich nicht länger, in überlebten Ideologien befangen,
den ökonomischen und kulturellen Triebkräften der Geschichte
zu widersetzen suchen. Käme der Sicherheitspakt zwischen Deutschland,
Frankreich und England zustande so wäre damit bereits der Kristallisationskern
für Paneuropa gegeben. Paneuropa und der Völkerbund ergänzen
sich wechselseitig. Man wirkt für Paneuropa, wenn man den Völkerbund
fördert und man arbeitet für den Völkerbund, indem man für
Paneuropa eintritt. Wem das Maximalprogramm des Völkerbundes zu weit
ist, der muß sich wenigstens zu dem Minimalprogramm Paneuropa bekennen.
Die Einberufung einer ersten paneuropäischen Konferenz, zu der auch
England und Rußland eingeladen werden, ist die dringendste Aufgabe
zur Feststellung der Voraussetzungen der Möglichkeit der Vereinigten
Staaten Europas, wie zur Aufklärung über die unabsehbaren Lebensgefahren,
denen ein zerrissenes Europa entgegengeht.
1. Ich halte grundsätzlich jeden Zusammenschluß
von Staaten für wünschenswert, der ohne agressive Tendenz ist
und sich als Kern größerer Bildungen betrachtet.
2. Die besondere Kombination der Vereinigten Staaten
von Europa scheint mir in naher Zukunft nicht die wahrscheinlichste; sie
wird jedenfalls nur aus dem Völkerbund heraus erwachsen können.
1. Ich hielte sie für wünschenswert, glaube aber nicht an die Möglichkeit "Vereinigte Staaten von Europa". 2. Die nationalen Schwächen: die Selbstüberhebung, der Neid, der Haß sind derzeit leider Hindernisse aller Friedensbestrebungen.
1. Ich halte die Schaffung der Vereinigten Staaten
von Europa dann für notwendig, wenn sie die Schaffung des Universalstaates,
die Schaffung der Weltunion aller Völker, erleichtert und beschleunigen
hilft. Einen paneuropäischen Nationalismus, einen kontinentalen Militarismus
mit "defensiv"-offensiver Spitze gegen andere Kontinente (zum
Beispiel Rußland) würde ich ablehnen müssen. Der einzelne
lebensgewillte Europäer soll nicht gemartert, vergast, seines Augenlichtes
beraubt, zerfetzt, gemordet werden - weder "für" sein Land,
noch "für" seinen Kontinent. An die Stelle der nationalen
Wehrpflicht darf nicht die europäische treten.
2. Ich halte das Zustandekommen der Vereinigten Staaten
von Europa für möglich. Die Hauptschwierigkeit liegt im Begriff
der staatlichen Souveränität. Ihn aus den Hirnen zu rotten ist
vor allem Aufgabe der Erziehung an Schulen und Hochschulen. In einigen,
vielleicht den meisten Ländern ist die Erziehung kläglich-nationalistisch.
Nur durch Eroberung der politischen Macht seitens der Internationalgesinnten
in allen Ländern kann dieser Mißstand behoben werden. Darum
ist die Frage der Verwirklichung Paneuropas für jedes beteiligte Land
zuerst eine innerpolitische Frage. Diesen Zusammenhang übersieht die
weise klingende These vom "Primat der äußeren Politik".
1. Neue übernationale Zusammenhänge herzustellen
und die politische Form für sie zu finden, halte ich für das
e i n e Not- wendige.
2. Das Notwendige ist immer möglich. Das historische
Geschehen vollzieht sich, indem ein kaum Geglaubtes von Wenigen so behandelt
wird, als ließe es sich unmittelbar verwirklichen.
1.O l'Europa si unirà, o l'Europa andrà
in rovina. Nel mio nuovo libro La Pace ho affermato questo mio pensiero
con la più completa convinzione.
La guerra ha balcanizzato l'Europa. Dovunque sono minacce
di reazione, di rivoluzione e di guerra. I tre principî di salvezza
sono sempre la libertà, la democrazia e il federalismo.
Ora questi principî sono minacciati dalla reazione
e dalla rivoluzione. Bisogna difenderli con ogni energia.
2. Ciò che è necessario è anche
possibile. Non si arriverà di un tratto u n o i c t u.
Bisogna passare a traverso la revisione dei trattati, la formazione di
grandi unioni doganali e accordi politici. Ciò ho detto nel mio
libro L a P a c e. Non mi dissimulo le difficoltà,
riconosco la necessità. Noi non possiamo più vivere serenemente
in un' Europa che, dopo tanta guerra e dopo il disarmo dei vinti, ha un
milione di uomini sotto le armi più che prima della guerra. Noi
dobbiamo preparare un' Europa veramente civile.
1. Entweder wird Europa sich einigen oder zusammenstürzen.
Ich habe in meinem neuen Buche "La Pace" diesen Gedanken mit
vollster Überzeugung vertreten. Der Krieg hat Europa balkanisiert.
Überall droht Reaktion, Revolution und Krieg. Die drei Prinzipien
des Heils sind immer: Freiheit, Demokratie und Föderalismus. Gegenwärtig
sind diese Prinzipien von der Reaktion und Revolution bedroht - man muß
sie mit aller Energie verteidigen.
2. Was notwendig ist, ist auch möglich. Es wird
nicht auf einmal uno ictu möglich sein. Wir müssen über
die Revision der Verträge zur Gründung großer Zoll-Unionen
und politischen Vereinbarungen gelangen, wie ich es in meinem Buche "La
Pace" dargelegt habe. Ich verhehle mir nicht die Schwierigkeiten,
aber ich erkenne die Notwendigkeit. Wir können nicht ruhig in einem
Europa leben, das nach einem solchen Kriege und der Entwaffnung der Besiegten
heute über eine Million Männer mehr unter Waffen hält, als
vor dem Kriege. Wir müssen ein wahrhaft friedliches Europa vorbereiten.
Professor Dr. E. OBST
Hannover
1. Die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa
scheint mir die einzige Möglichkeit zu sein, um Europa wahrhaften
Frieden zu bringen und diesen Staatenkomplex in die Lage zu versetzen,
den wirtschaftlichen Wettkampf mit den übrigen Großreichen der
Erde zu bestehen. Ich halte infolgedessen die Schaffung der Vereinigten
Staaten von Europa für unbedingt notwendig; welche Staaten hierzu
zu rechnen wären, bedürfte noch eingehender Untersuchung.
2. Das Zustandekommen der Vereinigten Staaten von Europa
ist möglich, wenn in allen europäischen Ländern die Abkehr
von egoistischen und imperialistischen Neigungen vollzogen wird. Schwierigkeiten
sollten uns nicht abschrecken; sie sind dazu da, um überwunden zu
werden. Wer die Notwendigkeit der Schaffung der Vereinigten Staaten von
Europa bejaht, darf vor der zweiten Frage nicht zurückschrecken. Wo
ein Wille ist, da muß sich ein Weg finden lassen.
MAX WARBURG
Hamburg
Nach einem Kriege darf man sich nicht mit dem Versuch
der Wiederherstellung der früheren Verhältnisse begnügen,
denn sonst ist der Keim für neue Kriege gelegt. Ein Friede, der indessen
durch willkürliche und ungerechte Vorschriften die bisherigen staatlichen
Verhältnisse ändert, ist noch unhaltbarer. Nur wenn alle Staaten
nach den traurigen Erfahrungen des Krieges sich zu einer grundlegenden
Änderung aufschwingen, um möglichst lange den Austrag von Streitigkeiten
auf kriegerischem Wege zu vermeiden, kann von einer neuen besseren Weltordnung
gesprochen werden. Mit der geistigen Wiedergeburt, der wir entgegen zu
gehen hoffen, muß eine politische Wiedergeburt einhergehen, müssen
neue Grundideen die Führung in Europa übernehmen, um den Kontinent
vor einem lang andauernden Abstieg zu bewahren. Die 14 Punkte Wilsons schienen
der Welt die politische Verheißung zu bringen, die sie nach dem Erschöpfungskriege
ersehnte. Die Verträge von Versailles und St. Germain haben die Welt
um diese Hoffnung betrogen. Seit Kriegsende ist Pan-Europa die stärkste
politische Idee, die einem tiefen Sehnen des Kontinents entspricht. Die
Skepsis gegenüber dem "ewigen" Frieden ist kein Argument
gegen die paneuropäische Idee; man soll sie nicht mit Pazifismus verwechseln.
Auch wer nicht an die schnelle Verwirklichung glaubt, darf sich nicht gegen
die Idee stemmen. Fordern auch manche der von Coudenhove-Kalergi aufgestellten
Formeln zur Kritik heraus, die Lebensnotwendigkeiten der kontinentalen
Völker werden in den kommenden Dezennien schrittweise doch ganz der
paneuropäischen Linie folgen. Die Wirtschaft aller kontinentalen Länder
erfordert den Zusammenschluß. Härteste Not wird, auch wenn wir
jetzt zunächst noch eine turmhohe Schutzzollwelle erleben, die Mauern
niederreißen, und die Wirtschaft wird den ersten Schritt zu Paneuropa
erzwingen. Durch die Technik, insbesondere die Verkehrstechnik, sind alle
Staaten einander nähergekommen, wir sind Nachbarn geworden und brauchen
ein neues Nachbarrecht. Dieses Nachbarrecht, richtig durchdacht und ausgeführt,
wird viele Schranken niederreißen, die bisher die Staaten trennten.
Das kontinentale Europa ist geradezu dafür prädestiniert, von
Grund auf begrifflich sich neu zu konstituieren; dabei dürfen wir
unsere alten Traditionen nicht vergessen. Die Nationen als solche müssen
bleiben, ja, ich kann mir ein Paneuropa nur vorstellen, wenn auch Deutschland
als starke Nation überall gleichberechtigt auftritt, Kolonien hat,
wie jeder andere Staat, und Ungeheuerlichkeiten, wie sie der Versailler
Vertrag hervorgebracht hat, korrigiert werden. Finden die sogenannten Siegerstaaten
die Weisheit, trotzdem sie augenblicklich die Macht in Händen haben
- glauben in Händen zu haben -, diese Korrekturen friedlich vorzunehmen,
so ist die Basis für Paneuropa gegeben, sonst nicht.
[...]
[Seite eingerichtet von Armin Forker. Alles
in eckigen Klammern ist Anmerkung von mir, alles andere wörtlich zitiert
aus Paneuropa, 2. Jahrgang, Wien - Leipzig (1925)]