Weihnachten - Christmette


Jes 9,1-3.5-6

Tit 2,11-14

Lk 2,1-14

Der Weihnachtsabend ist eine Einladung an die Christen, mit Freude und Dankbarkeit das Geheimnis der Geburt des Erlösers zu betrachten. Der Glaube wendet sich in Bewunderung und demütiger Anbetung zur Krippe von Betlehem, gleich wie Maria: "Und die Mutter stand mit Staunen / als sie solchen Tausch sah: / das Weinen des Menschen in Gott / und im Menschen die Freude, / das eine schien vom anderen so fern zu sein" (Johannes v. Kreuz). Betlehem ist der Höhepunkt des Zusammentreffens zwischen dem lebendigen Gott und der Geschichte der Menschen. Der Gott aber, der sich in der Krippe offenbart, übersteigt alle unsere Vorstellungen und alle die von ihm gesandt wurden. Es verschwindet das Bild vom starken, allmächtigen und fordernden Gott, und es zeigt sich das Angesicht eines kleinen, schwachen, dienenden und barmherzigen Gottes. Genau dies ist die Größe und Allmacht des Gottes, der sich in der Kleinheit des Kindes von Betlehem zeigt. Still, diskret, ohne etwas zu erbitten und die Freiheit des Menschen respektierend ist er in die Geschichte eingetreten. Geboren als Armer inmitten der Armen, fern von den Zentren der Macht und dem Weg der Großen in der Geschichte, "weil in der Herberge kein Platz für sie war" (Lk 2,7). In Betlehem kommt der Messias zur Welt, der die Hoffnung der Armen erfüllt. In ihm "ist die Gnade erschienen, um alle Menschen zu retten" (Tit 2,11). Sein Tod und seine Auferstehung markieren den Anfang einer neuen Welt, den Wendepunkt der Geschichte, das einzige Ereignis, das fähig ist, dem Wg der Menschheit in der Geschichte Sinn zu geben. "Denn uns ist ein Kind geboren" (Jes 9,5). Freuen wir uns und laßt uns jubeln! "Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade" (Lk 2,14).

Die erste Lesung (Jes 9,1-3.5-6) ist ein Lied der Freude und der Hoffnung, das aus dem Herzen eines Volkes hervorquellt, das "in der Finsternis lebte" jetzt aber "ein helles Licht sieht" (v.1). Das Lied des Jesaja bezieht sich auf eine Gruppe von Menschen, die Bedrängnis, Hunger, Gewalt, Krieg und Ungerechtigkeit erlitten (Jes 8,23), aber jetzt Grund zur Freude und zur Hoffnung hat. Der bekannte biblische Kontrast zwischen "Licht" und "Finsternis" dient dazu, um diesen radikalen Umschwung am Horizont der Geschichte des Volkes auszudrücken. Das Licht ist das erste Werk der Schöpfung, gleichsam die "Erstgeburt" Gottes (Gen 1,3) und dient hier als Bild für das Leben und und der Erlösung, die von Gott kommt: "Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht" (Ps 36,10). Das Licht ist gleichsam das Gewand Gottes, also Ausdruck seiner Würde und seiner rettenden Macht: "Du bist mit Hoheit und Pracht bekleidet. Du hüllst dich in Licht wie in ein Kleid" (Ps 104,1-2). Das Licht offenbart in besonderer Weise das Geheimnis Gottes: "Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in ihm" (1 Joh 1,5). Und Jesus sagt von sich selbst: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen" (Joh 8,12). Der Jesajatext spricht von einem "hellen Licht" - ein Licht also, das die Erlösung und den Frieden symbolisiert. Beide sind Gaben Gottes, die den finsteren Horizont des bedrückten Volkes umwandeln. Neben dem Licht finden wir noch andere Begriffe, die die Freude zum Ausdruck bringen: "Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude" (v.2). Das befreiende Licht, das Gott schenkt, erweckt im Volk einen besonderen Jubel. Das Licht erinnert an das rettende Handeln Gottes und bringt Freude, die als Antwort des Menschen, der Frieden und Erlösung erfährt zu verstehen ist.

Der Text des Propheten bietet drei Gründe zur Erklärung der so großen Freude an (vv. 3-5): (a) Gott hat den Tyrannen und Unterdrücker zum Verschwinden gebracht ("du zerbrichst das drückende Joch"), (b) es ist nichts mehr da, was an Krieg oder Gewalt erinnert ("jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt"), (c) eine geheimnisvolle Gestalt erscheint am Horizont der Geschichte und mit ihr neue Hoffnungen ("ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt"). Diese letzte Begründung ist der Mittelpunkt des Liedes und bedarf einer näheren Erklärung. Jesaja spricht genau genommen nicht von der biologischen Geburt eines Kindes, sondern von der Thronbesteinung eines neuen Königs. Er verwendet hier die gleiche Sprache des königlichen Hofes, die wir von anderen monarchischen Texten des alten Ägyptens kennen, in denen vom neuen König die Rede ist. Seine Worte erinnern an die Inthronisierung des Königs in Israel, der am Tag der Krönung von JHWH als dessen Sohn adoptiert wurde. - Man braucht hier nur den zweiten Psalm in Erinnerung zu rufen, der eine Inthronisationsliturgie beschreibt: "Ich selber habe meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg... Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt. Fordere von mir, und ich gebe dir die Völker zum Erbe, die Enden der Erde zum Eigentum" (Ps 2,6-8). Das Volk ist voll Freude, denn zusammen mit den neuen Perspektiven des Friedens und der Befreiung (Ende des Krieges, Abwesenheit jeglicher unterdrückender und tyrannischer Macht) ersteigt ein neuer Herrscher den Thron, was große Erwartungen erweckt. Möglicherweise spricht Jesaja hier vom König Hiskija, in den das Volk große Hoffnung setzte. Dies ist auch der Sinn der Titel, von denen ständig die Rede ist: "Wunderbarer Ratgeber" (fähig, außerordentliche Vorhaben zu schaffen und sie auch voranzutreiben), "Starker Gott" (ein Mensch, gefügig und offen für die Allmacht Gottes, der ihn als seinen Sohn adoptiert hat und der sich durch ihn offenbaren will), "Vater in Ewigkeit" (ein König, der sich wie ein fürsorglicher Vater um das Wohl seines Volkes kümmert), "Fürst des Friedens" (ein Regent, der seine Fähigkeit und seine politische Macht dazu nützt, um den Frieden zu fördern und zu bewahren). Der Prophet ist sich bewußt, daß dies ein großer Traum ist, den allein Gott erfüllen kann.

Der Text des Jesaja hilft uns, das Geheimnis der Weihnacht in einem Licht zu lesen, das das bloß Sentimentale und Romantische übersteigt, nämlich im Lichte der Gerechtigkeit und der Erlösung. Das Lied feiert in übermenschlichem Maße die Verheißung Gottes an David. Das, was der Prophet erzählt, übertrifft das, was man von den Königen sagen kann, die auf David folgten. Allein in Jesus Christus - dem Messias und Erlöser, dem geliebten Sohn des Vaters - welchem Gott den "Thron seines Vaters David" geben wollte, damit er "über das Haus Jakob in Ewigkeit herrsche" und dessen "Reich kein Ende haben" wird (Lk 1,32-33), allein in ihm verwirklicht sich diese Prophezeiung. In den Zeiten vor Jesus war dieser Text bloße Hoffnung und Sehnsucht, ein nicht erfülltes Ideal, das jedoch geglaubt un erhofft wurde. Er war wie der Schrei des Menschen und der ganzen Menschheit, eine Verkündigung und eine Vorbereitung. Zu Weihnachten können wir deshalb mit Recht sagen: "ein Sohn ist uns geboren, ein Kind ist uns geschenkt". Das Kind von Betlehem hat das Reich Gottes mit sich gebracht, das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, der Wahrheit und des Lichtes für alle Menschen. Mit ihm beginnt für die Menschheit eine Ära des Lichtes und der Freude. Treffend hatte der hl. Bernhard in seinem Kommentar zu diesem Jesajatext, in Bezug auf Christus, geschrieben: "Wunderbar in der Geburt, Ratgeber in der Verkündigung, Gott in der Vergebung, stark im Leiden, Vater der künftigen Zeit in derAuferstehung, Fürst des Friedens in der ewigen Freude".

Die zweite Lesung (Tit 2,11-14) ist gleichsam eine Art Glaubensbekenntnis der ursprünglichen Christengemeinde. Der Text spricht vom christlichen Geheimnis wie von einer "Epiphanie" ("Erscheinung"). Etwas Verbrogenes ist offenkundig geworden: "Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten" (v.11). Die gesamte Menschheit ist gerufen, sich der Gabe des Lebens ins Jesus Christus zu öffnen (v.12) und zugleich eine andere "Epihphanie" zu erhoffen, "das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus" (v.13). Das Christentum ist nicht eine bloße Religion, es ist die Erfahrung einer ständigen "Epiphanie", d.h. einer erlösenden Offenbarung, welche die Welt durch das Licht der Nacht von Betlehem erleuchtet sowie durch das Kind, welches Gnade und Rettung mit sich bringt. Diese Offenbarung geht jener letzten voraus, wann der Messias verherrlicht erscheint um den Anfang des neuen Himmels und der neuen Erde für alle Menschen zu setzen. Menschwerdung, Ostern und das glorreiche Erscheinen des Herrn bilden heute ein einziges Geheimnis - ein Geheimnis des Lebens und der Gnade, welches uns mit Freude und Jubel erfüllt.

Das Evangelium (Lk 2,1-14) bringt uns die Erzählung von der Geburt Jesu. Es handelt sich hier um einen Text, der lehrhaft Erzählung und Theologie, sowie Geschichte und Betrachtung miteinander vereint. Jesus wird in der Geschichte der Menschen geboren (v.1), jedoch in der Stadt Davids (1 Sam 16,1-13), d.h. in Betlehem in Judäa. Er ist ein Mensch wie alle anderen, aber er ist der Messias, der Herr, die Erfüllung der alten Prophezeiungen. Jesus wird Mensch, als Armer mitten unter den Armen. Maria und Josef finden für ihn keinen würdigen Platz in einem Haus, "es gab für sie keinen Platz in der Herberge" (v.7). Möglicherweise ist damit ein Haus gemeint, wo die Pilger bzw. die Verwandten von Josef ihre Unterkunft fanden. Im Augenblick der Geburt wußten die Eltern nicht, was sie tun sollten, denn das Haus war zu klein bzw. schon voll von Leuten. Auf jeden Fall wird uns eine Situation der Ausgrenzung und der Armut geschildert: das Kind wird schließlich in einer Krippe geboren, welche normalerweise den Tieren zur Fütterung diente (Lk 13,15); diese Angabe wird vom Evangelisten drei Mal wiederholt (vv. 7.12.16). Damit will er die Armut und die Ausgrenzung unterstreichen unter denen der Sohn Gottes geboren wird, und die ein Zeichen dafür sind, daß er vom ersten Moment an die schwierigen Bedingungen aller Männer und Frauen dieser Welt, die in äußerster Armut leben teilt. Lukas fügt außerdem ein Detail hinzu: Maria "gebar ihren Sohn, ihren Erstgeborenen und wickelte ihn in Windeln" (v.7). Diese Anmerkung wurde mit Absicht hinzugefügt, denn das Buch der Weisheit beschreibt mit diesen Worten die Geburt des König Salomos (Weis 7,4). Lukas will damit die liebende Sorge Marias und die menschliche und reale Bedingung des Kindes zum Ausdruck bringen.

Der zweite Teil der Erzählung handelt auf freiem Felde, wo einige arme Hirten ihre Herden hüteten (vv. 8-14). Auch hier unterstreicht der Text, daß Jesus in Armut geboren wurde. Die ersten Adressaten der Nachricht sind einige arme Hirten, verachtet in der Gesellschaft von damals, weil sie auf Grund ihrer Aufgabe nicht das Gesetz und seine Auflagen bezüglich der Reinheit erfüllen konnten. Gerade an sie, die von der Gesellschaft und der Religion ausgegrenzt und verachtet waren, wendet sich Gott. In der Erzählung nehmen zwei Elemente einen besonderen Paltz ein: der Engel des Herrn und das Licht - zwei Symbole der Gegenwart und des Heilshandeln Gottes. Der Engel bringt als himmlischer Bote Gottes eine Verkündigung (griech.: euaggelízomai), eine Botschaft, die nicht nur gut und schön ist, sondern die auch die Kraft hat, den zu wandeln, der sie empfängt. Es handelt sich hier also um eine echteVerkündigung: Der Himmel verkündet der Erde das "Evangelium", auf diese Weise beginnt in Lukas die Geschichte der Evangelisation, welche allen Völker zuteil werden muß. Der Engel sagt: "Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messisas, der Herr" (vv. 10-11). Die Verkündigung wird vom Gesang anderer Engel begleitet, welche singen: "Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade". Auch der Himmel bietet seinerseits eine Interpretation des Geschehenen an: die Geburt des Kindes ist der Erweis der göttlichen Herrlichkeit (hebr.: kabód, griech.: dóxa), d.h. seine rettende Macht zugunsten der Menschen, deren Frucht der Friede ist. Der Friede (hebr.: shalom) im biblischen Sinne enthält in sich alle Güter, die das Leben und das Glück des Menschen ermöglichen.

Die Erinnerung an die Geburt Jesu muß jedoch im Lichte von Ostern gelesen werden. Das Kind, das in Betlehem geboren wird, ist der Messias-König, der durch sein Wort, durch sein Leben und vor allem durch seinen Tod und seine Auferstehung das Reich Gottes gegenwärtig macht. Das Weihnachtsfest stellt uns die Option Gottes für die Armen und die Einfachen vor Augen. Die Frohbotschaft dieser Nacht gilt denen, die wie Maria, wie Josef und wie die Hirten für Gott, dem einzigen Reichtum, offen sind. "Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes" (Lk 6,20). Die heilige Nacht der Geburt Jesu lädt uns ein, die unermeßliche Liebe des Vaters aufzunehmen, der uns seinen Sohn geschenkt hat (Joh 3,16).

Möge der Friede des Messias, angekündigt durch die Propheten (Jes 2,1-5; 11,6-9) und verwirklicht durch Jesus von Nazareth zugunsten der Armen dieser Welt (Lk 4,18-19), zu uns gelangen und in unseren Herz Wurzel fassen (Eph 3,17). Heute - am Beginn des Heiligen Jahres des Jubiläums - da die "Güte und die Menschenliebe Gottes, unseres Retters erschien ist" (Tit 3,4), wollen wir mit Freude unseren Glauben und unsere Hoffnung in den nahen Gott verkünden, der mit uns geht und uns einlädt, diese Welt mit der Kraft der Liebe zu verwandeln.