Kabîr
Legenden
by
Amad Shah ²

                                                                                                                                      
 

Es gibt viele Legenden über Kabîr, aber nur wenig Historisches. Sicher ist, dass er einige Zeit in Kashi (Benares) lebte und in Maghar starb, einem Ort im Distrikt Gorakhpur, U.P. Über seine leiblichen Eltern wird nur in Legenden berichtet. Aber alle traditionellen Berichte stimmen darin überein, dass Kabîr in einer Familie eines Mohammedanischen Webers (Julaha) aufwuchs.

Er sagte über sich selbst: "Ich komme aus dem Unendlichem. Maya hat die Welt in die Irre geführt: Sie hat mein Geheimnis nicht gefunden. Ich wurde nicht geboren, noch habe ich mich in einer Gebärmutter aufgehalten. Ich erschien als Kind. In der Stadt Kashi habe ich mich im Wald niedergelassen, wo mich ein Weber fand. Ich bin nicht Teil von Himmel oder Erde, aber ich bin die Offenbarung grenzenloser Weisheit. Die Form der Spiritualität, wie sie in dieser Welt offenbart wird, das ist mein Name. Ich habe keine Knochen, kein Blut, keine Haut: Ich bin die Offenbarung des Wortes. Ich bin jenseits aller Körper, der Unendliche und der Vollkommene: Dies sagt der unsterbliche Kabîr."

Im K
abîr Kasauti heisst es: "Er erschien im Jahre Sambat 1455 am ersten Tag des Vollmondes in der hellen Hälfte des Monat Jeth, im Vollmond der Regen. Inmitten von Donnergetöse, hellen Blitzen und wolkenbruchartigem Regen, zeigte Kabîr sich in einem Becken auf einer Lotusblüte."  Im Guru Granth Ratnavali, geben Dr. D.S. Mani, Sardar Bakhshish Singh, und Dr. Gurdit Singh, ein Geburtsdatum für Kabîr: "Jaeth Sudi 15 sunmat 1455".

Das Jahr Sambat 1455 beginnt nach dem gregorianischen Kalender Mitte April 1398 mit dem ersten Monat Baishak. Der Monat Jeth ist der zweite Monat im Sambat Kalender. Wenn der Monat mit Neumond als der hellen Hälfte (zunehmender Mond) beginnt, ist ein Datum z.B. um den 8. Juni 1398 greg. (A.D.) möglich. Wenn der Monat Baishak aber mit dem 14. April beginnt, - unabhängig vom Neumond - dann wäre der 15. Tag im Monat Jeath etwa 30 + 15 = 45 Tage später, als der 14. April; es wäre um den 29. Mai 1398 greg. (A.D.) möglich

Nabhajî schreibt um 1585 C.E. in seinem Bhaktamal: "
Kabîr weigerte sich nicht nur Kastenunterscheidungen und die Autorität der sechs Hindu Schulen der Philosophie anzuerkennen, er legte auch keinen Wert auf die vier Stadien des Lebens, wie sie für Brahmanen vorgeschrieben sind. Er hielt Religion ohne Liebe für keine Religion und Asketentum, Fasten und Almosen geben für schlecht und wertlos, wenn es nicht begleitet ist von Ergebenheit. Durch ramainis, sabdisand und sakhis gab er den Hindus dasselbe wie den Turks. Er zeigte keine Parteilichkeit zu beiden, doch gab er seine Lehre an Alle. Er sprach mit Entschlossenheit und versuchte niemals der Welt zu gefallen."



 

 Als der Weber Ali, genannt Niru, seine gerade geheiratete Frau Nima heimbrachte, wollte sie durstig etwas Wasser aus einem Becken mit Lotus-Blüten trinken. Sie sah das Baby und war erstaunt. Wie kam das Baby hierher? Da sagte Niru zu Nima: "Höre zu! Ich habe Kinder gehabt, aber sie starben. Meine Geliebte, mein Haus ist leer. Hari Das fand einen Diamanten das ein leuchtendes Diadem für sein Haupt wurde". Nima sagte: "Höre, mein Herr. Mein Kopf ist voll von schmerzlichen Ahnungen: Die Ehre unseres Hauses ist dahin, wenn sich das in Kashi herumspricht. Aber er ist schön anzusehen, seine Schönheit ist groß, seine Augen sind wie der Lotus: Wurde jemals in aller Welt eine Mutter gesehen, welche solch einen schönen Sohn gebar?" Und mit Freude in ihren Herzen nahmen sie das Kind und Mann und Frau kamen heim: Alle Frauen aus der Verwandtschaft begannen zu singen, mit großer Freude in ihren Herzen. Als sie das Kind im Hause sahen, da gab es viel Fragen: 'Wie bekamt ihr das Kind?' - begannen die Frauen zu fragen. "Ohne Empfängnis erhielten wir dieses Kind und brachten es heim: Es steht Hari Das sehr nahe." So waren alle außer sich vor Freude. 



 In einer anderen Version der Legende wurde er zu einem Sohn einer Brahmanen Witwe und wurde auf wundersame Weise aus ihrer Hand geboren, als ein Resultat eines Gebets des asketischen Ramanand, der unwissend war über ihre Witwenschaft. Um Schande zu vermeiden legte sie ihn in das Becken.



 Wenn er als Kind mit anderen spielte, wies er die Hindus und Mohammedaner zurück. Er rief: "Ram, Ram" oder "Hari, Hari". Den Mohammedanern antwortete er, wenn sie ihm prophezeiten: "Du wirst einmal ein großer Kafir (Ungläubiger)" - :

"Der, der niederträchtige Gewalt gebraucht, oder die Welt beraubt durch Betrug, der Berauschendes trinkt oder isst, oder sich der Habe des Anderen bemächtigt, der ist ein Kafir; der Räuber ist der wahre Kafir (Ungläubige)."

Er hatte wieder das Tilak auf sein Vorderhaupt getan und trug das Janeo ('heiliger Faden') um seinen Hals. Die Brahmanen protestierten:

"Dies ist nicht Deine Religion: Du hast Dich selbst zu einem
Vaishnavite gemacht und rufst Vishnu, Narayan, Gobind und Mukand an: Dies ist unsere Religion."

Kabîr  antwortete einem ihrer Führer:

"Auf meiner Zunge ist Vishnu, in meinen Augen Narayan, und in meinem Herz wohnt Gobind.
Wenn sie Dich an der Tür von Yama fragen, was wirst Du sagen, Oh verrückter Mukand.
In meinem Haus sind Fäden; ich webe immer. Das
Janeo ist nur um meinem Hals,
Du hast immer die (Baghavad) Gita und das Gayatri gelesen, aber Gobind ist in meinem Herzen.
Ich bin die Kuh, Du bist der Kuhhirte, der Herr. Gewarnt von Geburt zu Geburt, hast Du es versäumt mich weiter zu bringen.
Was für eine Art Herr bist Du für mich?
Du, der Brahmane, Ich der Weber aus Kashi: Lerne meine Weisheit.
Immer suchtest Du nach Königen und dem Reichtum:
Meine Meditation ist mit Hari." 
(Kabîr Kasauti)



 Als die Zeit kam, stimmten alle Nachbarn von Niru darin überein, dass er beschnitten werden müsse gemäß der Mohammedanischen Sitte. Kabîr widersetzte sich:

"Du handelst mit Kraft und Gewalt. Niemals werde ich es durchmachen, Bruder.
Wenn dieser Gott Dich zum Turk macht, warum kommt diese Beschneidung nicht von selbst?
Wenn jemand durch Beschneidung ein Turk wird, was wird dann gesagt über eure Frauen?
Halbiere den Körper, so ist die Frau modisch. Dann bleibst Du immer noch ein Hindu.
Durch das Anlegen eines heiligen Fadens wird jemand zu einem Brahmanen.
Was hast Du den Frauen gegeben, was sie tragen sollen?
Von ihrer Geburt ist sie ein Sudra; Wenn sie Dir ein Essen vorsetzt, warum ißt Du es, Oh Pandit?
Hindu und Moslem sind auf demselben Weg. Das hat der Sargur mir erzählt.
Kabîr sagt: 'Höret ihr Seelen! Rufe Ram, rufe Khuda. sie sind eins."
(Kabîr Kasauti)  (s.a. Bijak, Shabda, 84)

Darauf erwiderte der Brahmane auf die Attacke und ihre Herausforderung und führt direkt zu den best gekannten Vorkommnissen im Leben Kabîr's. Dieser Moslem Julaha wiederholte den Namen vom Ram und Hari, aber niemand kann nach dem Glauben der Hindus den Himmel erreichen, wenn er sich nicht selbst einem Lehrer (Guru) unterstellt. Kabîr, sagen sie, ist nirgur und alle seine Ergebenheit nichtswürdig. Lasse ihn ein Schüler von Ramanand werden - eine offensichtliche Unmöglichkeit, weil Ramanand wird nichts zu tun haben wollen mit so einem Bewerber. Ramanand war Schüler von Ramnuja, dem Vater aller moderner Vaishnavites Sekten, der im Süden Indiens lebt und lehrt. Andersdenkend als seines Lehrers rigidem Festhalten am Kastenwesen, zog Ramanand zu der Ebene am Ganges und die neunzig Millionen Verehrer der Rama-Inkarnation wurden an diesem Tag alle mehr oder weniger als seine spirituellen Nachfolger gezählt. Kabîr war sich über das Hindernis im klaren, dass seine vermutete Geburt in einem Julaha Haushalt zu seiner Akzeptanz führen müsse, hatte doch die Anwendung von Diplomatie den Eintritt in die Bruderschaft verstärkt. Wissend, dass es Ramanand's Gewohnheit war, vor Sonnenaufgang im Ganges zu baden, legte sich Kabîr in voller Länge auf die Stufen von Dasasumeda Ghat. In der Dunkelheit trat Ramanand schwer mit seinen Holz-Sandalen auf den Jungen, der aufschrie vor Schmerzen und sich an die Füße des Meisters klammerte. Wie Kabîr es vorausgeahnt hatte, waren die ersten Worte von Ramnand - der in der Dunkelheit überrascht war - die Worte, die das Mantra derjenigen formten, die ihm, Kabîr, folgten: "Ram, Ram". Bewaffnet mit diesem, proklamierte er sich selbst, als der chela (Schüler).

Die Neuigkeit dieser Akzeptanz des mohammedanischen Webers ging durch die ganze Stadt. Wenn Ramanand gefragt wurde, verneinte er alles Wissen darüber, ordnete aber an, dass der, der diesen Anspruch gemacht hatte, zu ihm gebracht wurde. Kabîr wurde zu ihm gebracht, und hörte von seinen Lippen die Worte seiner Einweihung. Darauf anerkannte Ramanand den Anspruch Kabîr's und akzeptierte ihn als chela.



 Eines Tages, im Monat Kuar, wünschte Ramanand, dass eine Sraddha Zermonie aufgeführt wird für seinen Lehrer Raghawanand und sandte seine Schüler aus um die dazu notwendige Milch zu beschaffen. Die Übrigen gingen zu den Milchverkäufern, aber Kabîr ging zu dem Platz, wo die Knochen von toten Kühen lagen und dort verlangte er Milch. Seine Schülerkameraden berichteten dieses außergewöhnliche Betragen dem Meister, zu dessen Frage Kabîr antwortete: "Ich dachte Milch von toten Kühen passt gut zu dem toten Lehrer."


         

 

 

Kabîr besuchte zweimal einen Ort zum Wassertreten, an dem er sechs elende Monate seines Lebens verbrachte mit dauernden Attacken von blutiger Diarrhöe. Man sagt, dass er Shaikh Taqi aufsuchte, als er etwa dreißig Jahre alt war, um von ihm etwas über gesunde Ernährung zu erfahren. In den traditionellen Aufzeichnungen wird erzählt, dass Kabîr, wie andere Sufis, verheiratet war, aber in den Geschichten der Hindus wird dem widersprochen. Nirgendwo wird erzählt, dass Kabîr mit Loi verheiratet war, aber Nima wird präsentiert als Protestierende, dass sie und Kabîr nicht als Eheleute zusammen leben. Loi ist immer seine Schülerin (cheli).  




 Als Kabîr dreißig Jahre alt war erreichte er auf seinen Wanderungen in einem Dschungel die Hütte eines Sadhu und ruhte dort über Mittag. Er fand Niemanden, außer ein Mädchen in den Zwanzigern, und sie fragte: "Wer bist Du?"  
Kabîr: " Kabîr.".
Sie: "Was ist Deine Kaste?"
Kabîr: "Kabîr."
Sie: "Was ist Dein Auftrag?"
Kabîr: "Kabîr."
Sie: "Wie ist Dein Name?"
Kabîr: "Kabîr."
Erstaunt rief das Mädchen: "Ich habe hier viele Sadhus gesehen, aber niemand, der in dieser Art und Weise.
Kabîr antwortete: "Alle anderen haben einen Namen und eine Kaste und einen Auftrag, aber Kabîr hat keinen."


Inzwischen trafen sechs andere Sadhus ein, und das Mädchen brachte sieben Tassen Milch und setzte sie jedem Sadhhu vor.
Die Sadhus bemerkten, dass Kabîr seine Milch nicht trank und fragten nach dem Grund. Er erwiderte, dass gerade ein anderer Sadhu auf seinem Wege vom Ufer des Ganges unterwegs sei, für den er die Milch aufhob.  
Das Mädchen rief: "Mein Herr, trinke Deine Portion; ich habe mehr für den kommenden Sadhu."
Kabîr antwortete: "Ich lebe auf dem Shabda."
Und in Antwort auf ihre Frage fügte er hinzu: "Das Shabda ist mein. Ich bin auf dem Shabda, das Shabda ist ein Quelle von Brahm. Wenn Du die Vision begehrst, prüfe die Form des Shabda."
Der Sadhu kam gerade an, als Kabîr das sagte und gab ihm seine Tasse mit Milch.
Der neu Angekommene fragte das Mädchen nach ihrem Namen und Eltern, sowie zu den Heiligen, welche früher in der Hütte gelebt haben.

Zu diesem erwiderte sie: "Höre, Oh Herr, Ich weiß nicht wo oder woher ich bin, noch die Umstände meiner Geburt. In dieser Hütte hier lebte ein Bankhandi Baba, und viele Fremde fragten ihn nach mir aus. Seine Antwort war, dass, als er eines Tages zum Fluss zum Baden ging, er in der Strommitte des Ganges etwas sah, das eingepackt war in wollene Kleider, geboren entlang des Stromes. Beim Öffnen des Bündels fand er mich und eingewickelt in dunklen wollenem Tuch (loi) nannte er mich Loi, und bis zu seinem Tode nannte er mich bei diesem Namen. Sterbend erzählte er mir, dass eines Tages ein Heiliger kommen werde, und er würde mein Beschützer sein. In Gehorsam zu seinen Worten diene ich den Sadhus und allen welche hier vorbei kommen."
Daraufhin wendete sich das Mädchen Kabîr zu und sagte:
"Oh mein Herr, unterweise mich."

Er antwortete: "Diene den Sadhus. Wiederhole Sat Nam und bleibe in der Gesellschaft des Lehrers."

Daraufhin verteilte Loi alles, was sie hatte an die Armen und kam und lebte in Kabîrs Familie.




Etwas ähnlich ist die Beschreibung von Kamai, den man für Kabîrs Sohn hielt:



 Als Kabîr und Shaikh Taqi am Ufer des Ganges entlang gingen, sahen sie die Leiche von einem drei Monate alten Kind, das den Strom hinab gespült war. Kabîr, in Erwiderung zu einer Herausforderung des Shaikh, der meinte, das Leben sei erloschen, zog die Leiche an Land und sprach einige Worte in das Ohr des Kindes, das daraufhin sogleich an zu weinen begann. Kabîr brachte das Kind zu Loi, die es aufzog. Den Namen Kamal (Wunder) gab ihm der Shaikh durch seinen Ausruf, als er das Wunder sah, welches Kabîr selbst ausdrücklich dementierte.


 
Kabîrs Familie wurde noch größer, durch eine zusätzliche Tochter, die Kamali hieß. Es wird dazu folgende Geschichte, wie sie im Kabîr Kasauti aufgezeichnet ist, erzählt.


 
 Im Haus eines Nachbarn starb ein Mädchen. Auf die Bitte des Nachbarn wurde das Kind zu Kabîr gebracht, der es zum Leben zurückholte und vertraute sie auch der Fürsorge von Loi an. Die Kinder folgten der Tradition der Weber; und alle drei, Loi, Kamal,und Kamali, sahen Kabîr als ihren Lehrer oder spirituellen Führer an.

Als Kamali, nun zwanzig Jahre alt, Wasser aus einem Brunnen zog, frug ein vor Durst verschmachtender Brahmane sie um Wasser, welches sie ihm gab. Nachdem er seinen Durst gelöscht hatte, frug sie der Brahmane wer sie war und ... realisierte mit Entsetzen, dass sie die Tochter eines Webers war. Kamali konnte nichts machen, aber schlug vor, er sollte mit Kabîr beratschlagen, bei wem der Pandit sich heftig beschweren kann über seine zerrüttete Kaste. Alle seine Zweifel beiseite legend, fiel der Pandit  Kabîr zu Füßen und bettelte darum, dass er als Schüler empfangen werden möchte. Kabîr akzeptierte ihn und schließlich gab er ihm Kamamali zum Heiraten.  


 

 



 Kabîr's Leben war immer das Einfachste. Als sein Ruhm und die Zahl seiner Schüler wuchs, drängte einer von ihnen darauf, äußerlicher Prunk sei notwendig für seinePosition, weil es ihn an seine eigenen Erfahrungen auf dem Stoffmarkt erinnerte. Weil Kabîr diesen Enthusiasten auf direkte Weise nicht überzeugen konnte, nahm Kabîr ihn mit einem Palast in der Nachbarschaft, der durch Raja Bir Singh besetzt war. Der Pförtner am Haupttor verweigerte ihnen den Eintritt und auf Kabîr's Anfrage, dass zwei Pilger die Nacht in diesem Gasthaus verbrigen sollten, meinte der Pförtner, dies sei Raja's Palast. Kabîr wies darauf hin, dass dies ein Gasthaus sei, und der Krach dieser Auseinandersetzung führte dazu, dass Raja aufmerksam wurde. Von diesem setzte Kabîr seinen Anspruch fort, im Einzelnen die Namen der Rajas, die hier vor ihm gelebt haben, zu erfahren, bis der widerwillige Raja die Wahrheit seiner Beschreibung übermittelte. Kabîr und sein Schüler legten sich nieder in getrennten Innenhöfen des Palastes. In der Nacht weckten die Diener den Schüler und frugen ihn, wer er sei. Er antwortete: "Ein Sadhu"; woraufhin sie ihn laut schlugen und dann hinauswarfen. Sie gingen dann zu Kabîr, aber er gab ihnen gar keine Antwort. Am Morgen trafen sich Lehrer und Schüler außerhalb des Palastes und der Schüler beschrieb detailliert seine Leiden. Kabîr antwortete: "Du hast Dich als Sadhu aufgestellt und warst Nichts; darum wurdest Du geschlagen. Kein Sadhu sucht jemals danach, in einem Königspalast zu schlafen. " 

 

Kabîr, Loi und Kamai
 

                                             
 




 Bir Singh baute einen schönen Palast in Jaunpur und lud viele Freunde zu einem großen Fest ein zu dessen Fertigstellung. Alle waren voll des Lobes über die Arbeit, als Raja unter ihnen einen einzelnen Sadhu bemerkte, der still war, und er fragte ihn nach seiner Meinung über den neuen Palast. Der sadhu erwiderte, dass bis auf zwei Mängel, auch er das Werk lobe. Bir Singh bestand nun darauf, dass er diese Mängel nennen möge. Nach einer Weile, sagte der Sadhu, dieses Gebäude kann nichts anderes als zusammenbrechen. Das ist das Eine. Das zweite ist, dass der Herr dieses Hauses sterben wird, bevor der Palast zusammenbricht. Der Raja brach in Wut aus, als er plötzlich in dem Unbekannten Kabîr erkannte und legte sich ihm zu Füßen:

"Du baust einen geräumigen Palast und rufst viele zusammen um ihn berühmt zu machen. Du krönst ihn mit einem Dom aus Gold, aber in einem Moment der Zeit wirst Du gehen und ihn verlassen, Oh, Kabîr. Obgleich ein Haus gebaut wird mit Smaragden und Diamanten von Millionenwerten, kann es nicht länger gesehen werden als nur für einige wenige Tage; Der Tod wird kommen und ihn zerstören. Die Häuser, wo sieben Shabdas klangen und Freude machten von Tür zu Tür sind leer und Krähen verweilen dort. Oh Kabîr, nur für zehn Tage wird man vielleicht Deine Trommel hören - danach wirst Du diese Stadt dieses Viertel und die Strasse nie wieder sehen. Oh Kabîr, nach dem Tod wird niemand sich an Deinen Namen erinnern; alle werden in die bewohnbaren Städte ziehen. Du verrückter Mann! Du hast den Tod vergessen. Dieser Körper wird sich mit der Erde vermengen, wie das Salz mit dem Mehl." 


Aber Raja Bir Singh, als ein Schüler irrte darin, Kabîr zufrieden zu stellen und er überlegte ihn zu prüfen und gleichzeiutig seine Ergebenheit zu stärken. Begleitet auf der einen Seite durch Rui Das, dem Chamar, und auf der anderen Seite durch Ganga, die Prostituierte, beides erprobte Heilige, aber ein ärgerlicher Skandal für die Orthodoxen, eine Flasche Liquor in seiner hand, präsentierte Kabîr sich selbst vor dem Gericht von Bir Singh. Der Raja, angewidert und affrontiert ignorierte ihn; aber als er Kabîr überlegen durch den Inhalt der Flasche Liquor, welche nur mit Wasser gefüllt war, zu seinen Füßen, die Palast Teppiche tränkend, verlangte er laut eine Erklärung für dieses Verhalten.

Kabîr erwiderte: "In Jagannath hat ein Brahmane seinen Fuß verbrannt beim Kochen - ich habe dies ausgeschüttet um ihm Erleichterung zu verschaffen."

Auf die Frage von seinem Favoriten, Bir Singh, sandte Sikandar Lodi einen Kurier auf einem schnellen Kamel, der mit der Nachricht zurück kam, dass es so sei, wie Kabîr es gesagt hatte. Dort ist ein Tempel in Jagannath, der nach Kabîr benannt ist und Pilger a´n diesem Ort besuchen diesen Schrein und empfangen Kabîr's taranei.



 In Gujarat, das Kabîr auf seinen Wanderungen besuchte, lebte ein Solankhi Raja, der sich bei der Ankunft von Kabîr ihm mit seinem Rani zuwandte um den Heiligen zu begrüßen und bat um einen Segen für seinen Sohn. Kabîr antwortete mit einem Lied:

"Die Welt ist so verrückt, dass niemand nichts weiß über Ergebenheit.
Der Eine kommt und bettelt um einen Segen für seinen Sohn:
'Mein Herr, bewillige mir diese Gnade'.
Ein anderer ist gequält von Schmerzen und fragt nach einer Erleichterung davon.
Einige kommen und beten um Reichtum, oder bieten Geld.
Einige kommen und wollen eine schöne Braut werden.
Niemand kommt um die Wahrheit zu kaufen.
Die ganze Welt glaubt an die Lüge.
Kabîr sagt: 'Höret ihr Heiligen:
Was kann man machen mit Blinden?' "


Das königliche Paar wiederholten ihre Bitte wegen ihrer Kinderlosigkeit und bettelten um einen Thronerben, bis Kabîr ihnen die Zusage gab, dass ein Kind mit einem Löwengesicht geboren werden wird von einem solchen Wesen, dass die Solankhi Rasse fortgesetzt wird.
Neun Monate später gebar die Königin so ein Kind, und brachte es in den Dschungel, wo es Kabîr fand.
Das Kind tragend erschien er vor dem Raja und forderte ein Erklärung und warnte ihn, dass, wenn er das Kind nicht akzeptieren würde, seine Rasse aussterben würde.
Der Vater flehte die Heiligen um Vergebung  und versprach Gehorsam. Kabîr segenete das Kind, das den Namen Dayaghar Deya erhielt und versprach, dass seine Rasse für 42 Generationen weiter regieren wird; aber seine Nachkommen werden Bhagel Bansi heißen und nicht Solankhi.
Ein Prinz in dieser Line wurde begründet durch Kabîr in Bandhoghar in der Festung von Lakshman; und der Raja von Rewa ist ein Nachkomme dieser Familie.

 




 Dharam Das, der größte Schüler und Nachfolger von Kabîr, war der Sohn von einem reichen baniya. Ein Mann von grosser Ergebenheit und der die Gewohnheit hatte einen grossen Teil seines Reichtums als Almosen zu geben, war bei einem Ereignis dabei, einer Diskussion zwischen den pandits und Kabîr. Kabîr's Einfachheit und die Direktheit seiner Sprache, welche alle verstehen konnten, beeindruckte ihn stark ihrem Gegensatz mit den Zitaten der pandits von den Vedas, Puranas und theologischen, aber unintelligenten Autoritäten. Er bat Kabîr ihn als Schüler einzuweihen, aber ihm wurde geboten zu warten.

Als er wieder in Mathura war, und dabei war sein Essen zu kochen, bemerkte er, dass das Holz für sein Feuer voller Ameisen war und war verdrossen darüber, dass ein Mahl die Zerstörung von so vielen Leben bedeutet; ein Fremder kam näher und er erkannte Kabîr, der dieses sakhi sang:

"Leben kann nicht verlängert werden, auch nicht auf Kosten des Lebens;
Leben raubt das Leben - wie kann Gnade zu allem Lebenden gezeigt werden?
Oh, Mann, denk drüber nach."


Wieder bat er darum eingeweiht zu werden, aber wieder wurde gesagt, zu warten. Ein drittes Mal traf Kabîr ihn in Bandhogarh und wieder sollte ein anderer seine Probleme lösen. Nun wurde ihm erzählt, er solle seinen Besitz verkaufen und nur eine Decke zum Schlafen zu behalten um Kabîr zu folgen. Sein Weib Aman protestierte gegen diesen Glauben, welche den Ehemann von der Frau trenne: Auch sie empfing und befolgte die gleichen Anweisungen, und viele Frauen folgten ihrem Beispiel und wurden Ergebene zu Kabîr.


 
 Ein anderes Ereignis erzählt von dem Besuch von Loi bei Dharm Das, damals ein reicher und nicht konvertierter baniya und beschreibt seine Konvertierung bei dieser Handlung von Kabir bei diesem Ereignis.

Unter den Hymnen von Dharm Das findet man folgende kurze Beschreibung über das Leben von Kabir:

"In Kashi wurde er geboren, wurde ein Mann genannt, kam in das Haus von Niru.
In dieser schrecklichen Welt gab er seine Religion bekannt.
In Kashi erleidete er die Spötterei der Dummen in der Gesellschaft mit Ganga.
Den Pandit von Jagannath rettete er aus dem Feuer, goß Wasser auf seine Füße.
König Sikandar warf ihn gefeselt in das Wasser, in die Flammen zu Füßen von einem verrückten Elefanten.
Er erschien als Löwe verkleidet.
Er sprach von Nirgun und sang das Lied das die Angst vertreibt.
Er warnte und instruierte die jivas (Seelen).
Er schlug die qazis und pandits. Niemand konnte ihm übertreffen.
Alle jivas, die seinen Segen suchten, fanden das Entzücken.
Kabir, mein Meister, der Segengeber, hat die Schwäne (swans - Swamis?) auf ihrem Weg zum Himmel beschleunigt."



 Ein Brahmane mit dem Namen Ram Das traf Kabir am Ufer des Narbada und bat um eine Vision von Vishnu. Als ihm gesagt wurde, dass alle sichtbare Form Visionen des Vishnu seien, bestand er darauf, dass er Vishnu mit seinen natürlichen Augen zu sehen wünsche. Kabir versprach ihm, dass seine Bitte erfüllt werden würde und morgen um Mittag würde ihm Vishnu erscheinen in seinem eigenen Haus. Ram Das säuberte das sein Haus und bereitete ein großes Festmahl vor für seinen Gast, den er erwartete. Um Mittag erschien ein großer und schmutziger Büffel, der alles Essbare fraß und das Haus verschmutzte; Ram Das trieb das schnaufende Tier hinaus und wartete  bis zum Abend vergeblich auf seinen Gast, als er dann nach Kabir rufen ließ. Kabir traf ihn mit den Worten: "Oh, Ram Das, Vishnu hat dein Haus am Mittag besucht in der Form eines Büffels. Er aß das Futter, das Du vorbereitet hattest, aber Du nahmst ein Stock und triebst ihn hinaus."

                                        

  


 

 

 

 

 

 

 


² Ahmad Shah, Bijak of Kabir, Hamirpur, 1917

©  Übertragen ins Deutsche von Volker Doormann





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