Philosophie

by
Volker Doormann


Philosophie ist die Liebe zu dem, was wir Gott nennen, das was Lao=Tsu das Tao nannte, die Griechen das theos, die Hindus das Deva. Es ist kein Fach. Philosophie ist das Abenteuer sich selbst als Gott-Mensch zu erkennen.

Ich denke, es ist sinnlos einen Text zu lesen, der Wissen um anderen Text voraussetzt, das man nicht hat. Das, was in solchen Texten geschrieben ist, ist  nichts primär Philosophisches, sondern eitler intellektueller Sekundär-Tratsch, der des Lesens nicht wert ist. Wert kann etwas Originäres haben, das ohne sekundäre Referenzen auskommt.

Ich denke auch, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob man das, was Philosophen an Gedanken statuiert haben, verwalten, klassifizieren o.ä. will, - oder ob man selbst philosophieren möchte.

Wenn man Philosophie studieren möchte, bedeutet das m.E., dass man über die Wirklichkeit selbst philosophieren möchte.

Wirklichkeit ist immer jetzt, und alles (alte + neue) Geschriebene ist, wenn es nicht durch das Selbst durchlebt ist, totes abgestandenes Wissen ohne Bedeutung. Weder kann eine toter Popper die jetzigen Konflikte, wie sie die Menschen z.B. im nahen Osten haben lösen, noch ein Vorsokratiker wie Xenophanes.

Ich denke, das bedeutet, dass es unbedingt einer eigenen Kenntnis oder Erkenntnis über die Wirklichkeit bedarf, dessen Klarheit durch die Referenz dessen, was andere (Philosophen) erkannt haben, verbessert, aber nicht ersetzt werden kann.

Reines Wissen über das, was Andere gesagt haben, auch wenn es der Menge nach groß ist, ist nicht mehr als eine CD-ROM, wenn es nicht verstanden, nicht selbst erkannt, und nicht selbst erlebt ist.

Ein weiteres Problem ist die unbewusste oder bewusste Vermengung von Personenkult und den eigentlichen Gedanken über die Wirklichkeit. Personen haben nie eine Bedeutung, weil sie etwas gesagt haben; es ist immer nur von Relevanz, ob das, was sie gesagt haben (vom Selbst) erkennbar richtig ist, oder erkennbar falsch.

Ich denke auch nicht, dass es generell eine Entwicklung im Denken gegeben hat, welche eine Beziehung zur Zeit hat. Vielmehr denke ich, dass immer nur der Grad der eigenen individuellen Bewusstheit über das Wirkliche das entscheidet.

Die Sumerer z.B., hatten das, was sie erkannt hatten, in Sprichwörtern ausgedrückt: 'Der, der viel Silber hat, mag glücklich sein; der, der viel Korn hat, mag froh sein; aber der der nichts hat, kann schlafen'. Dieses u.a.v.m., das die Sumerer in ihrer Kultur zwischen 4500 B.C.E. und 2300 B.C.E. erkannt hatten, mag das vielleicht zeigen, denn der Inhalt hier ist zu allen Zeiten Gegenstand der Philosophie gewesen.

Zu den Zeiten, als die Vorsokratiker ihre Gedanken statuierten schrieb z.B. Lao=Tsu in 9 X 9 Sinnsprüchen im Tao Teh Ching das auf, was er erkannte über die Wirklichkeit und die Unwirklichkeit und er sagte einmal zu Kung=Tse (Konfuzius), der von ihm etwas über die Staatskunst lernen wollte: "Die Philosophen, von denen Du sprichst, sind längst verwest, wenn auch ihre Lehren als Ausdruck ihrer Zeit uns geblieben sind. Was zu wissen ist, ist zeitlos. Wenn die Verantwortlichen ihrer Zeit gerecht werden, sind sie Führer und Segen für ihr Volk; wenn nicht, bleiben sie Getriebene, die Fortschritt und Vollendung der Menschen aufhalten. Vergeblich jeder Versuch, Menschen und Völker durch äußere Reformen zu ändern. Zähme darum Deine Eitelkeit, laß fahren Dein fahrlässig Wissen! Laß ab vom Trug der schönen Programme, die dem Volk nicht helfen! Das Volk erneuert sich aus sich selbst, wenn es frei sich selbst regiert. Der Mensch veredelt sich selbst durch sein Selbst: durch das ihm innewohnende Streben nach Selbstverwirklichung. Alles Übrige ist eitel und unnütz. Dein Weg ist der Weg der Menschen; mein Weg ist der des Himmels. Ihn gehen heißt zum Frieden finden und zur Vollendung. Dein Weg entspringt der Zeitlichkeit und endet in ihr. Mein Weg führt vom Zeitlosen zum Ewigen: zur Erfüllung des Sinns des Lebens. Dein Weg ist der Weg der Geschäftigkeit. Mein Weg ist der Weg des Nicht=Tuns, bei dem nichts ungetan bleibt: der Weg der Stille und Ruhe, aus dem das rechte Bewegtsein entspringt."

Und Kabir sagte: 'Ich zitiere nicht aus den Schriften; Ich sehe einfach was ich sehe.' oder:  

'Womit kann man die Welt vergleichen? Mit einer Schafsherde. Eines fällt in den Graben, der Rest hinterher.'


Die Schafsherde Philosophie folgt heute Popper, Occam, oder wie sie alle heißen, und niemand von ihnen hat je bewiesen, daß das Folgen in ihre Schein-Welt der Gedanken das Lösen von Konflikten der Menschen, in der Wirklichkeit des Jetzt leistet, welche immer aus dem Denken und der Scheinwelt des Denkens kommen. Im Gegenteil. Es hat die entzweiten Menschen erkennbar nur noch weiter entzweit, da Philosophie mehr denn je als Waffe oder Potenz-Prothese gegen vermeintlich einfache Menschen und/oder Frauen, aber auch gegen vermeintliche Konkurrenten aus der eigenen Disziplin gerichtet, Verwendung findet.

Elementares Denken und Erkennen, wie es jeder Mensch leisten kann, und das von jedem Menschen verstanden werden kann, wie z.B. die Philosophie des Volkes der Sumerer (z.B.: 'Ein Reisender aus fernen Landen ist ein notorischer Lügner.' / 'Erzähle eine Lüge; dann, wenn Du die Wahrheit sagst, wird das für eine Lüge gehalten.'/ 'Ein liebendes Herz baut ein Zuhause; ein hassendes Herz zerstört ein Zuhause'.)

Ich denke auch, daß Philosophie nicht ohne Ethik auskommt, wenn sie nicht eine reine Onaniererei im Verstand bleiben soll. Das bedeutet, dass die Gedanken und Erkenntnisse, welche die Menschen als einen 'Weg', den man qualitativ geht und der die Ordnung des Unbestimmbaren zu Respektieren erkennt und anerkennt, unverzichtbarer Bestandteil der Philosophie ist. Dieses Denken hat sich zwar in den verschiedenen angewandten Religionen in toten Riten verloren, aber in den Gedanken ihrer Ursprünge ist dieses noch enthalten.

Alles dies mag zeigen, dass es wohl nicht so sehr darauf ankommt, eine geschichtliche Kontinuität in der Philosophie zu finden, sondern dass es viel mehr darauf ankommt, jedem einzelnen Gedanken, unabhängig von der Person, der Zeit und der Kultur, qualitativ zu begegnen. Ich denke, jenseits der Boolschen Logik bedeutet das, dass Primärquellen des Denkens immer eine bessere Wahl sind, als die Schule der 'Karteikastenphilosophie', welche nur die Label toter und lebender Philosophen verwaltet und prozessiert, nicht aber das Originäre selbst als Referenz zum eigenen Erkennen in Bezug nimmt.

Ich denke die Gedanken des Lao=Tsu, welche er im 'Tao Te Ching' als kurze Sinnsprüche in Chinesischen Symbolen (Schriftzeichen) niedergeschrieben hat, sind ein Beispiel für eine solche Primärquelle, die kein weiteres oder anderes philosophisches Wissen voraussetzt. Und es ist ein Beispiel, das zeigt, dass Erkenntnis sich nicht notwendig evolutionär oder historisch monoton entwickelt, sondern daß der Grad der Erkenntnis immer nur von der individuellen Fähigkeit zum Erkennen bestimmt wird.

Philosophie ist das Anerkennen dessen, was ist. Nach Ursachen zu suchen bedeutet, das, was ist, zu ignorieren und einem aus dem Hut gezaubertes Sein - einer Ursache ohne Wirkung eher anzuerkennen, als das, was (immer) ist. Kein Atom ist verloren gegangen. Kein Atom ist aus dem Nichts erzeugt. Keine Energie. Alles ist.

Sinnlos ist die Suche im Außen. Nicht in der Ferne des Raumes, nicht in der Ferne der Zeit ist der Sinn erkennbar, sondern in der einzigen Realität des eigenen Selbst in der Gegenwart, die immer jetzt ist.

'Ohne aus dem Haus zu gehen - kannst du die Welt erkennen
Ohne aus dem Fenster zu sehen - kannst du den rechten Weg erkennen
Je weiter deine Reise dich fortführt - desto geringer deine Erkenntnis
Der Weise erkennt - ohne zu reisen - versteht ohne zu sehen - vollendet ohne zu handeln '
(Lao=Tsu)


 
volker doormann  2004