Die vier Weisen aus dem Morgenlande

Die vier Weisen aus dem Morgenlande

Fabel
 
von Volker Doormann

     Am 4. Juli schritten zwei bärtige Männer gemächlich aus ihrer Unterkunft in der Guantanamo bay und verdingten sich als Seeleute auf einen Frachter. Der eine war lange unten in Ägypten in Diensten gewesen und war auf der Heimreise nach Palästina. Weil er neben einem mächtigen Bart auch noch zusammengewachsene Augenbrauen hatte, wurde er bei dem Versuch das Land Ägypten zu verlassen, von Häschern in ein orangenes Gewand gekleidet und man rasierte ihm den Schädel kahl und seinen schönen Bart. Er empfand das zunächst als eine freundliche Geste von irgendwelchen Hindus, aber als man ihn nicht die Bhagavad-Gita zu lesen gab, und man ihn die Freiheit lehrte, wozu man ihm Fußfesseln anlegen musste, wurde er nachdenklich. Der Andere war lange mit einer Horde Nichtsnutze in Palästina umhergezogen, und wetterte gegen die Welt, auch zu Ostern, bis eine Kohorte ihn dann verhaftete. Eine Agentur berichtete, dass man ihn lebendig an einem Brett fesselte, und dass er dann starb, aber das war eine Desinformation der Regierung um die Wahlen zu gewinnen. Auch er, etwas jünger als der Gastarbeiter, der aus Ägypten kam, wurde in der Mode von Hindu-Mönchen eingekleidet und kahl rasiert.

Des Nachts, wenn sie die Füße hochlegen konnten, bedachten sie, was sie ob der neuen Situation anstellen könnten. Offenbar war die Welt nicht fähig ihren Gedanken zu folgen, dass erkannten beide schnell, aber sie begrenzten ihre Ansprüche an die Menschheit schließlich und beschlossen sich normal zu geben.

In einem Hafen in der Toskana gingen sie von Bord. Ihre Bärte waren wieder etwas gewachsen und mit ihren kurzen Kopfhaaren sahen sie aus wie amerikanische Soldaten. Auf einer Landstrasse nahm sie eine Philosophin aus dem Salzburg'schen in ihrem Wagen mit; sie hatte Olivenöl und Rotwein vom Erzeuger eingekauft und fand Gefallen an den beiden Gestalten. Sie stellten sich als Taliban-Schüler vor um die Philosophin zu necken, und darüber musste sie so lachen, dass sie beinahe die Kontrolle über ihren Wagen verlor.

Im Salzburg'schen angekommen, kehrten sie in ein Esoterik-Forum ein, in dem es an normalen Menschen nicht mangelte. Die Einen mieden sie mit Respekt, andere umarmten sie und schlossen sie sofort in ihr Herz. Sie folgten der Sitte sich ein Pseudonym zuzulegen und der Ältere nannte sich nun Moses und der Jüngere einfach Jesus, ein häufiger Name in Mexico. Als sie sich beratschlagten, was sie den Menschen sagen wollten, wurden sie vom Forum gefragt, welche mythischen Figuren sie denn gerne sein würden, und um die Frager nicht zu kränken, sagten sie Haider und Kipferl, denn der Haider war zu Lebzeiten eine große mythische Figur in Kärnten, und der Kipferl ist der Mythos des zunehmenden Mondes, lune croissante, der das süße Symbol der lagernden Türken vor Wien war.

Während sie dabei waren ihre Gedanken niederzuschreiben, kam ein weiterer Palästinenser in das Forum und sagte: "Ich bin nur ein dummer, dummer Taliban-Schüler." - "Nimm erst einmal hier an dem notebook Platz, und erleichtere Dein Herz!" meinten Moses und Jesus. "Sie haben mich euch nachgeschickt, nachdem ihr am 4. Juli aus der Guantanamo bay verschwunden seid, aber ich habe vergessen wozu!" sagte er mit einem traurigen Blick auf den Boden. "In Guantanamo, war alles so geordnet und geregelt, aber hier in der wirrtuellen Welt komme ich nicht zurecht."

Das liegt an Deinen Transiten, die gehen aber bald wieder vorüber. Hier im Forum sind nur gescheite Leute und wir wollen tolle Beiträge schreiben, über was, wissen wir noch nicht."

Ganz unten im Forum erschien ein weiterer Mann: "Das gibt es nicht! das müssen die beiden vom 4. Juli sein und der Afghane, den man ihnen nachschickte um sie wieder einzufangen." Dann betrat ein Mann das Forum, mit einem gewickelten Schal um seinen Kopf und er hatte nur ein Auge. Die an den notebooks begrüßten ihn mit Hallo, denn sie kannten ihn aus der Guantanamo bay und fragten ihn nach seinem Lebensthema. "Ich bin ausgeschickt worden als der zweite, der euch nachgeschickt wurde." - "Und ich war der erste." rief der Afghane, "und hatte es vergessen, aber es werden sicher noch mehrere kommen, sie schicken einen nach dem anderen." Und er wollte sich gerade vorstellen mit seinem Namen, wurde aber darüber belehrt, dass es hier Brauch sei ein Pseudonym zu tragen." - "Dann will ich mich Rumi nennen, wie der Dichter aus Balkh. Der Einäugige rief: "Ich nenne mich König, denn der Einäugige wird auf der ganzen Welt als König verehrt.", und sie lagen sich alle in den Armen.

"Wenn wir vier sind, dann lasst uns die vier Weisen aus dem Morgenlande sein, denn die mögen alle Menschen, auch hier im Salzburg'schen." - "Das ist eine ausgezeichnete Idee," sagte Moses. "wir werden es sogleich in das Forum schreiben, am besten in alle Unterforen, dann lesen es alle Menschen."

Doch der Jüngere, der sich Jesus nannte, sagte, "Es ist besser damit zu warten, bis der Tag kommt, an dem die Menschen im Einklang sind mit dem Morgenlande, sie haben jetzt wichtigeres zu tun; Weihnachten steht vor der Tür."



Dass sahen die anderen dann ebenso, und sie einigten sich, dass der Einäugige mit dem Schal einen Beitrag verfassen sollte für das Forum Gesellschaft und Politik, während die anderen die Beiträge über 'Du darfst' - Wasser und 'Entschlacken mit Karaoke' studierten.

Nach einiger Zeit des Nachdenkens schrieb der Einäugige die Worte "Es ist Wurst, was aus mir wird, sagt das Schwein." und übertrug es in das Forum Gesellschaft und Politik. "Und was hast Du Dir dabei gedacht, König?" fragten ihn die anderen.

"Es ist eine Parabel," erklärte der König, "sie kommt aus dem Unendlichen und geht in das Unendliche, und sie enthält ein Geheimnis, das kein Philosoph, kein Schlachter und kein Astrologe je entschlüsselt haben. Aber der jetzige Zeitgeist öffnet in den Menschen ein Fenster ihrer Seele, durch das sie die Wahrheit der Worte erkennen."

"Das zeigt das Genie und die Selbstlosigkeit in Dir; Willst Du unser König sein?" sprachen die anderen, während sie von 'Du Darfst - Wasser' auf Marihuana umgestiegen waren.

Aber das, was die Menschen aus dem Forum ihnen erwiderten, zeigte ihnen, dass die Menschen noch nicht reif waren für die Wahrheit, denn Antworten, wie "Es ist die typische Verniedlichungstaktik der Wurst-Lobby, das Verbrechen an unseren Brüdern den Schweinen, zu verharmlosen. Mörder!" oder "Ich esse nur noch homöopathische Döner. Die kriegst Du nur in türkischen Reformhäusern in Wien. Ich schreib dir ne PM! Namaste!" oder "Hinter Deinen Worten ist eine tiefe Depression verborgen, deren Ursache aus Deiner Kindheit stammt! Depressionen dieser Art sind nicht heilbar. Aber Du kannst dich selbst heilen, wenn Du Deinen Weg gehst!".

Damit hatten die 4 Weisen nicht gerechnet, und zogen nacheinander schwer an ihrem Joint.

Kurze Zeit später machte sie ein Moderator darauf aufmerksam, dass im Forum nicht geraucht werden darf, und Marihuana schon gar nicht. An katholischen Feiertagen seien homöopathische Zigaretten erlaubt, aber nur ab 18 Uhr.

Dann sahen sie sich alle an, und wollten dem Forum den Rücken kehren, als man ihnen sagte, dass man das Forum nicht verlassen dürfe, und wenn, dann nur mit der Genehmigung von der Fremdenpolizei, welche aber nur jeden letzten Dienstag im Monat offen hat.

Sie verkleideten sich dann als die 4 heiligen Könige und brachen mit Kopftüchern und langen Stöcken auf zurück nach Guantanamo bay und weil 4 von 3 Einwohnern im Salzburg'schen nicht rechnen können, fiel es auch keinem Hauptmann der Fremdenpolizei auf, als sie zu viert an der Strasse standen mit einem Schild, worauf "TOSKANA" zu lesen stand.

In einem Bericht für den ORF konnte man abends die vier Weisen aus dem Morgenlande sehen, wie sie mit dem erhobenen Daumen und Kopftüchern an der Bundesstrasse standen und wie ihnen ein Forum Moderator ihre Marihuana Tasche nachbrachte, die sie vergessen hatten, denn er war ein stiller, heimlicher Verehrer der 4 Weisen.