Elgard & Klaus auf Weltreise: Von Accra (Ghana) nach Addis Abeba (Aethiopien)
Liebe Fruehlingerinnen und Fruehlinger!
Es ist wieder einmal soweit - es erreichen Euch einige Zeilen afrikanischer
Reiseeindruecke ueber weitere 2800 Kilometer aus dem Sattel. Diesmal schauen wir
auf Euch herab, denn wir schreiben aus einer Hoehe vn ca. 2500 m.u.M, aus Addis
Abeba, der Hauptstadt Aethiopiens.
Wie immer zuerst die wichtigsten Orte, die von uns heimgesucht wurden: Kara
(Togo), Kande, Natitingou (Benin), Kandi, Segbama, Koko (Nigeria), Kontagora,
Kaduna, Kano, Cairo (Aegypten), Addis Abeba (Aethiopien).
Wie Ihr Euch vielleicht erinnert, haben wir zuletzt in Kara (Togo) auf Pakete
gewartet, z.T. erfolglos. Endlich wieder im Sattel, gesellt sich ein lustiger
Begleiter zu uns, der uns fuer den ganzen Rest in Westafrika treu bleiben wird:
der Harmattan, ein 'kuehler' Wuestenwind, der meist aus Nordosten blaest,
natuerlich gegen unsere Fahrtrichtung! Dennoch faehrt es sich im Norden von Togo
und Benin gut, die Strassen und Pisten sind ok und die Landschaft sehr schoen
mit vielen Huegeln. Zwischen Togo und Benin fahren wir durch das Gebiet der
Somba, die in burgaehnlichen Gebaeuden (sog. Tata-Sombas) noch recht
traditionell wohnen und mit Pfeil und Bogen herumziehen. Die Burgen bestehen aus
2 Stockwerken, ebenerdig lebt nachts das Vieh, darueber wohnen die Menschen. Das
gesamte Gebaeude besteht aus Lehm, in das jeweils ein riesiges, belueftetes
Speichergefaess aus Ton integriert ist.
Die Einreise nach Benin ist voellig problemlos. Nicht einmal unsere gefaelschte
Choleraimpfung (zwar nutzlos, aber obligatorisch fuer Benin), die wir uns in
Kara noch ergaunert hatten, wollte jemand sehen. Nach dem voellig
heruntergewirtschafteten Togo ist Benin ein Lichtblick. Es ist fuer uns eines
der wenigen Laender Westafrikas, das einen spuerbaren oekonomischen
Aufwaertstrend hat. Hier fahren wir oft auf sandigen Pisten durch wenig
besiedelte Baumsavanne, z.T. vorbei an sehr traditionell lebenden Menschen. Und
immer wieder sehen wir Poel (oder Fulani), aeusserst feingliedrige Menschen mit
ganz eigenen, feinen Gesichtszuegen, deren Maenner seltsam geschminkt und (fuer
uns) fast lustig gekleidet sind. Poel sind meist Viehzuechter und sind in weiten
Teilen des Sahel anzutreffen. Wir haben diese sehr liebenswuerdigen Menschen zum
ersten Mal in Guinea getroffen, dort allerdings 'normal' gekleidet.
Wir naehern uns nun langsam Nigeria, dem Land, das wir urspruenglich unter allen
Umstaenden meiden wollten. Der letzte Ort vor dem kleinen Grenzuebergang heisst
Segbama und noch bevor wir ihn erreicht haben, hat uns ein Mofafahrer ueber all
die Gefahren, die da lauern, aufgeklaert. Ueberfaelle auf alles Vorbeikommende,
v.a. am Markttag; die Leute in der Grenzregion - Nigerianer - seien eben noch
Wilde. Kaum im Dorf angelangt, warnt uns schon der naechste und auch dort wo wir
schlafen, will der Verantwortliche mit dem Buergermeister reden, um zu sehen,
was mit uns zu machen sei. Irgendein motorisierter und begleiteter Transport
muesste es schon sein. Abends versammeln wir noch eine ganze Schar von stolz
gekleideten Muselmanen um uns, die lokalen Spezialisten fuer Geldwechsel. Sie
sind auch Haendler und kennen die Gegend sehr gut. So kommen wir schliesslich
zum Schluss, dass wir uns am naechsten Morgen um ein Fahrzeug bemuehen, das uns
bis zum naechsten 'vernuenftigen' Ort in Nigeria mitnimmt. Als Weisser mit Velo
eine Mitfahrgelegenheit suchen ist immer etwas Spezielles. Zuerst faengt es mit
exorbitanten Geldforderungen an, die man natuerlich als laecherlich oder voellig
unerschwinglich abtut. Dann Diskussion ueber moegliche Fahrzeugtypen und
moegliche Abfahrtszeiten. Wenn man sich dann uninteressiert bzw. unberuehrt
irgendwohin setzt und einfach Zeit verstreichen laesst, purzeln die Preise meist
und das Ganze beginnt von vorne. Hat man schliesslich vereinbart, dass man einen
etwas hoeheren Preis zahlt, dafuer sofort losfaehrt und nicht noch die gesamten
Weizenbestaende des Dorfes mittransportiert werden, kann es losgehen. Unter den
scharf beobachtenden Augen der Dorfbevoelkerung werden dann die Vels verladen
und mit unseren Spanset-Baendern (jawohl, sogar sowas haben wir dabei) vertaeut.
Und ploetzlich schleppen die Mitreisenden halt doch noch unglaubliche Mengen an
Handelswaren heran, die dann samt den Leuten auch noch - man fragt sich immer
wie - auf der Ladeflaeche verstaut werden. Auf unsere Bemerkung, dass aber nun
doch noch ein Unmenge an Waren auf und zwischen die Velos gepackt worden sei,
erhalten wir eine Antwort, die wahr und entwaffnend ist: Ein Afrikaner reist nie
ohne Gepaeck!
Obwohl wir nicht ueberfallen werden und das Auto unglaublich alt und in
unglaublich schlechtem Zustand ist, sind wir froh um den Transport, da die Piste
sandig ist und z.T. auch schwer zu finden gewesen waere. Zudem geniessen wir die
Landschaft, die hier immer noch sehr schoen ist, einmal ohne zu strampeln.
Und dann kommt der Grenzposten mit diversen Stationen, die alle kein Problem
darstellen, ausser der ersten - Immigration. Hier wollen wir etwas von den
Beamten, naemlich den obligaten Einreisestempel. Nur haben sie hier an diesem
Grenzposten angeblich keinen (!). Zudem suchen die Beamten eifrig nach
irgendwelchen Fehlern, aus dem sie uns einen kostspieligen Strick drehen
koennten. So z.B.: "Sie haben Ihr Visum in Abidjan geholt. Wir haben eine
Botschaft in Accra." "Ja, ich weiss, aber sie haben auch eine in
Abidjan, dort haben wir das Visum geholt." "Ja, aber wir haben eine
Botschaft in Accra. Sie haetten das Visum dort holen muessen!" Unser Motto
ist, auch und vor allem in Nigeria, keinen Heller fuer korrupte Beamte
abzudruecken. Und so nehmen wir uns halt die Zeit und diskutieren mit
idiotischen Beamten voelligen Schwachsinn, bis sie selber merken, dass nichts zu
holen ist und wir Zeit und Nerven haben. Nun, die Geschichte mit dem fehlenden
Stempel setzt sich fort und wird uns schliesslich noch zum Verhaengnis. Doch es
gelingt uns wiederum mit viel Zeit (auch am naechsten Tag noch) und nach einer
'Kastrationsdrohung' dennoch unseren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, ohne Geld
rueberzuschieben.
Und nun sind wir in Nigeria. Bereits im ersten Dorf fallen uns die Scharen an
Kindern auf, die um Essen betteln. Wir sind in der muslimisch dominierten
Haussa-Region, in der eine moeglichst grosse Anzahl Kinder zu haben, der Stolz
aller Maenner ist. Die unglaublich vielen Kinder mit ihren Futtertoepfen vor
sich werden aber immerhin, nach einem der Grundsaetze des Islam, unterstuetzt.
Mit Haussas kommen wir selten ins Gespraech, da sie kaum Englisch sprechen.
Treffen wir einmal jemanden, der gut Englisch spricht, ist es immer ein Yoruba
oder Ibo aus dem Suedwesten bzw. Osten des riesigen Landes. Wir fahren auf erst
kleineren Strassen, dann auf einem nationalen Highway mit ordentlich Verkehr
nach Kaduna und schliesslich durch die Auslaeufer des Hochplatteaus von Jos nach
Kano. Kaduna ist eine sehr angenehme Stadt, die sich ruehmt ein Schmelztiegel
der verschiedenen Ethnien und Religionen zu sein. Das merkt man auch irgendwie.
Kano dagegen ist laermig, chaotisch und stinkt vor Abgasen. Elgard geht es nach
dem Verzehr von Leber schlecht. Klaus' Hauptbeschaeftigung waehrend 2 Tagen ist
das Auftreiben von US$-cash zu vernuenftigen Konditionen. Erfolglos: wir
bekommen fuer US$ 1000 in Traveller-Checks sage und schreibe US$ 867.-- bar auf
die Hand. Klaus ist der Ohnmacht nahe! Die US$ brauchen wir, weil Kano unsere
letzte Station in Westafrika ist und man von hier aus gut nach Ostafrika fliegen
kann, ohne sich finanziell ruinieren und/oder ueber Europa fliegen zu muessen.
Das Flugticket kann nur in US$ cash bezahlt werden. Wegen des Krieges in der
Dem.Rep.Kongo ist die Fahrt durch Zentralafrika fuer uns unmoeglich geworden. So
heissen die Destinationen auf unserem Flugticket Cairo und Addis Abeba.
Irgendwie mischeln wir mit dem EgyptAir-Manager, dass wir fuer unsere 70 kg
Uebergewicht anstelle der US$ 12 pro kg fast nichts bezahlen und sitzen schon
bald voellig problemlos im Flieger. Mit Ausnahme der vernachlaessigbaren
Probleme mit der Immigration, war Nigeria fuer uns allgemein unkompliziert.
Obwohl das Land in der Gegend, die wir durchfahren haben (inkl. Kano) nichts
touristisches zu bieten hat, sind wir froh, dieses bevolkerungsreichste und
wirtschaftlich wichtige Land Afrikas bereist zu haben. Wir haben eine sehr
offene Medienlandschaft und politisch und wirtschaftlich sehr interessierte
Menschen getroffen. Obwohl der demokratisch gewaehlte Praesident Obasanjo kaum
ein Jahr im Amt ist und nach Sani Abacha kaum mehr als einen Scherbenhaufen
vorgefunden haben muss, spuerten wir in Vielem eine Art Aufbruchstimmung und
viel Optimismus fuer die Zukunft. Wir haben befuerchtet, dass die Einfuehrung
der Scharia (islamische Rechtssprechung) nicht ohne Probleme ablaufen koennte,
da sie die Gesellschaftsstrukturen auch fuer Christen stark veraendert. Dennoch
waren wir aeusserst schockiert und traurig, als wir spaeter von den grauenvollen
Ereignissen in Zusammenhang mit der Scharia gehoert haben.
In Cairo landen wir am Abend des 21.2.00 in einer voellig anderen Welt: aus der
Hitze Westafrikas in die Kaelte Nordafrikas. Und in Heliopolis, dem Stadtteil um
den Flughafen glitzert und schimmert alles. Herrliche, vielspurige Strassen,
intakte Autos, es ist fuer uns einfach kaum zu fassen. Wir wollen nicht im
Dunkeln in die 16-Millionen-Stadt (Afrikas groesste) hineinfahren und suchen uns
deshalb eine Bleibe in der Naehe des Flughafens. Im Hotelzimmer fuehlen wir uns
wie in einer Skihuette: alles ist mit Holz verkleidet. Wir duschen heiss. Es
gibt sogar einen Heizstrahler, den stellen wir natuerlich an und verkriechen uns
dann unter den Wolldecken und versuchen der Kaelte (ca. 18 Grad) zu entkommen.
Am naechsten Tag finden wir im Zentrum Cairos ein nettes Hotel und richten uns
fuer 10 Tage ein. Es bleibt immer ca. 18 Grad kalt, fuer uns 'Afrikaner'
mittlerweile einfach zu kalt. Die ganze Zeit laufen wir in den gleichen Kleidern
herum, da wir kaum etwas fuer dieses Klima dabei haben. Wir entdecken Cairo, das
uns fasziniert: Pyramiden, Aegyptisches Museum, Zitadelle, koptisches Cairo,
islamisches Cairo, Maerkte und Quartiere in denen Handwerker seit Jahrhunderten
unveraendert arbeiten, maerchenhaft beleuchtete Moscheen, Cairo-tower,
Coffeeshops mit Wasserpfeife, Domino und Backgammon, Anis-Tee und leckeres
Essen. Besonders letzteres ist wichtig, da Elgard in den letzten nigerianischen
Tagen an Gewicht verloren hat (Ihr erinnert Euch, die schlechte Leber). Hier in
Cairo langt sie wieder so richtig zu. Aber Cairo bedeutet auch wieder das
Uebliche fuer uns: Visum organisieren, erfolglose Nachforschungen nach einem
Paket mit Fahrradersatzteilen, das kostet alles Nerven. Dafuer finden wir in der
amerikanischen Universitaet endlich die gesuchten Ostafrikafuehrer und erhalten
von amazon.com eine Rueckerstattung fuer die nicht erfolgte Lieferung, hinter
der wir schon seit Accra her waren.
War der Tag des Fluges von Kano nach Cairo voellig problemlos, zeigte sich der
Transfer von Cairo nach Addis Abeba von einer ganz anderen Seite. Aufstehen um
3.30 Uhr. Der wunderschoene alte Hotellift (Modell Schindler 1900) ist vor 3
Tage ausgestiegen. Mit Hilfe von Issandre und einem Hotelangestelten bringen wir
die vollbepackten Velos 5 Stockwerke ueber die steile Treppe hinunter ins
naechtliche Cairo. Der Flughafen liegt 22 km ausserhalb, um 5.30 Uhr ist
check-in. Wir kommen aber deutlich zu spaet, da der Weg zum Flughafen nicht
ausgeschildert ist und wir im Kreis herumgeschickt werden. Uns bleibt eine halbe
Stunde fuer den check-in. Das Gemischle mit dem EgyptAir-Manager in Kano
bezueglich unseres Uebergewichtes hat hier seine Grenze. Zwar wird die
urspruengliche Forderung von SFR 700.-- auf die Haelfte reduziert, trotzdem
moechte Klaus das nicht bezahlen. 7 Minuten vor check-in-Schluss zahlen wir mit
allen Pfund, die wir noch haben und machen fuer den Rest einen Blankoabzug von
der Kreditkarte. Dann muss alles sehr schnell gehen. Alles Warteschlangen
umgehen wir einfach und schon sitzen wir im Flieger. Den Kreditkartenabzug
mussten wir nie unterschreiben, vielleicht haben wir Glueck gehabt (Thiemy:
kannst Du bitte ueberpruefen, ob eine Belastung von ca. 600 aegyptischen Pfund
oder ca. 300 SFR auf der Eurocardabrechnung ist?). Kurz vor Abflug wird die
Bordtuere nochmals geoeffnet. Und was kommt herein? Nein, nicht der Harmattan,
sondern Elgards Velo, das in der hintersten Sitzreihe Platz nehmen darf,
natuerlich nicht, ohne eindrueckliche, schmierige Kettenspuren auf dem Polster
zu hinterlassen.
Nun geht es vom 80 m.u.M. gelegenen Cairo ins 2500 Meter hoeher gelegene Addis
Abeba. Auf dem Flug vermissen wir allerdings die Berge, wir sehen nur flaches,
ueberall landwirtschaftlich genutztes Land. Irgendwann muessten doch hohe Berge
auftauchen, tun sie aber nicht.
In Addis sind Landung und Einreise problemlos.
Wir erkunden fuer 3 Tage Addis, besuchen das tolle ethnografische Museum, gehen
auf den grossen Mercato, lassen uns von einem Guide uebers Ohr hauen (stellen
ihn spaeter aber und erlangen 'Genugtuung'), lernen die aethiopische
Kaffeezeremonie (Aethiopien gilt als die Wiege des Kaffees), Musik sowie Tanz
kennen, werden Opfer eines raffinierten Taschendiebstahls und bereiten uns auf
unseren Rundtripp in den Norden vor. Die geplante Route fuehrt von Addis nach
Weldya, Dilbe, Lalibela, Gondar, Bahir Dar, Debre Markos zurueck nach Addis.
Diesen 'Abstecher' von ueber 1400 km machen wir nicht, weil wir sonst nicht auf
genuegend km kommen, sondern weil wir so die aergste Regenzeit in Kenya und
Tanzania vermeiden wollen, aber auch, um mehr von Aethiopien zu sehen, als nur
die Suedroute bis zur kenyanischen Grenze. Hier ein paar Fakten zu Aethiopien,
das fuer die meisten ein unbeschriebenes Blatt sein duerfte: Aethiopien ist in
einigen Dingen sehr speziell, was damit zu tun hat, dass dieses Land neben
Liberia das einzige der 54 afrikanischen Laender ist, das nicht kolonialisiert
worden ist. Vielleicht habt Ihr schon einmal die folgenden aethiopischen
Tourismus-Slogans gesehen: "13 Monate Sonnenschein" oder "Come to
Ethiopia and be seven years younger". Beides spielt auf den hier
verwendeten Julianischen Kalender an. Dieser hat 12 Monate mit 30 Tagen und
einen mit 6. Das neue Jahr beginnt hier im westlichen September und heute haben
wir das Datum 29.7.1992. Somit feiert Elgard heute ihren 31. Geburtstag! Die
Stunden des Tages werden von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gezaehlt.
Sonnenaufgang (fuer uns 6 Uhr) ist 12 Uhr, Mittag ist 6 Uhr und Sonnenuntergang
(fuer uns 18 Uhr) ist wieder 12 Uhr. Am 7.3.2000 unserer Zeitrechnung hat hier
die 55-taegige Fastenzeit begonnen. Das heisst, es ist schwierig, Milch- oder
Fleischgerichte zu finden. Es wird zumindest in den laendlichen Regionen nur
Gemuese und selten auch mal Fisch zubereitet. 'Dank' der 5-jaehrigen
italienischen Besetzung im 2. Weltkrieg gibt es aber ueberall Birra, Espresso
und Machiato. Es ist kaum zu glauben, aber in den kleinsten und einfachsten Bars
auch auf dem Lande findet man sehr oft eine 'La Cimbali' oder 'Gaccia'
Profikaffeemaschine, auch wenn meist nur der Heissdampf verwendet wird, um Tee
zu erhitzen (oft lecker mit Zimt oder Nelken zubereitet). In Addis finden wir
sogar eine Vielzahl an richtigen Cafes und Konditoreien (richtig: wer Elgard
kennt fragt sich zu recht: Was um Himmels Willen sucht sie in einer
Konditorei??? Aber eben, die afrikanischen Entbehrungen treiben sie manchmal
sogar zu Suessem).
Nach den eher flachen Strecken an Afrikas Westkueste, haben wir uns schon auf
die Topografie Aethiopiens gefreut. Der groesste Teil des Landes besteht aus
einem Hochplatteau von 2-3000 Metern Hoehe. Es gibt aber auch Gipfel von ueber
4000 Metern Hoehe. Die Fluesse, v.a. der Blaue Nil, reissen z.T. tiefe,
spektakulaere Schluchten in das Platteau und auch das von Nord nach Sued
verlaufende enorme Rift Valley traegt viel zu unserem taeglichen Auf und Ab bei.
Klimatisch ist Aethiopien bisher sehr angenehm, selten sehr heiss, z.T. aber
sehr kalt. An manchen Morgen war es 11 - 14 Grad kalt, Klaus hat sich eine
saftige Erkaeltung mit einer Nasennebenhoelenentzuendung zugezogen. Trotz der
andauernden Trockenheit ist die Landschaft wunderschoen. Aethiopien ist fuer uns
in vielerlei Hinsicht ein Land voller Extreme. Die groessten sind fuer uns der
Krieg gegen Eritrea auf der einen und die Hungersnot im Suedosten des Landes auf
der anderen Seite. Die Militaerregierung, deren Abgeordnete hauptsaechlich aus
der im Norden liegenden Tigray-Region stammen, gibt pro Tag 1 Million US$ fuer
den Kampf um ein Stueck 'wertloses' Wuestenland aus. Die Tigray-Region liegt
direkt an der eritreischen Grenze und die beiden Staatsoberhaeupter sind nicht
nur mit einander verwandt, sondern sind ehemalige Kampfgenossen und waren sogar
noch waehrend der eritraeischen Unabhaengigkeit dicke Freunde. Die Aethiopier
haben eine gut funktionierende Propagandamaschine, die nicht nur gegen Eritrea,
sondern auch gegen viele westliche Laender und Institutionen, v.a. gegen die USA
Meinung macht und ein Spitzelsystem, das an Laender des ehemaligen Ostblocks
erinnert. Entsprechend sind die meisten Aeusserungen regierungskonform, Politik
wird aber in der Regel als Thema gemieden. Trotzdem haben wir schon gehoert,
dass nach Beendingung des Krieges gegen Eritrea mit landesinternen
Auseinandersetzungen gegen die dominierenden Tigray zu rechnen ist.
Gleich viel Geld, wie die Regierung taeglich fuer den Krieg ausgibt, wird von
auslaendischen NGO's fuer diverse Projekte zur Verbesserung des Schul- und
Gesundheitssystems sowie der Ernaehrungssituation aufgewendet. Die ethiopische
Regierung kuemmert sich kaum um die Hungernden. Das bisschen Weizen, das zur
Verfuegung gestellt wird, ist in dieser Form zudem fuer die am haertesten
betroffenen Kinder gar nicht verwendbar. Die Ernteueberschuesse von vor 3
Jahren, mussten alle exportiert werden mangels ausreichendem Lagerraum im Lande!
Wassermangel in den Stauseen und Missmanagement sind die Ursache fuer Strom- und
Wasserrationierung. Durch den fast 30 Jahre dauernden Krieg ist die Bevoelkerung
sehr arm und der Lebensstandard unter dem afrikanischen Durchschnitt. Reisende,
die schon viele arme Laender auch ausserhalb Afrikas inkl. Kriegsregionen
gesehen haben, sagen, dass die Armuts- und Gesundheitssituation hier besonders
schlimm sei. Dies ist umso tragischer, als das Land aufgrund seiner
Bodenschaetze und des Wasserreichtums auch waehrend einer laengeren Trockenzeit
nicht leiden muesste. Mit einer Regierung, die sich aber seit Jahrzehnten
ausschliesslich um Krieg und sonst gar nichts kuemmert, liegt aber einfach alles
darnieder. Aufgrund von Armut und Propaganda bettelt die ethiopische
Bevoelkerung z.T. sehr fordernd und ist uns gelegentlich sogar feindlich gesinnt
- wir erfahren so wohl z.T. die Grenzen des Reisens in solchen Laendern.
Jetzt aber zurueck zu unserem Tripp in den Norden. Von Addis aus fahren wir
zuerst ueber Dessie und Weldya nach Lalibela. Dort wollen wir die AUS DEM
Fels herausgearbeiteten monolythischen und die IN DEN Fels hineingearbeiteten
Hoehlenkirchen besichtigen. Es sind 11 Stueck an der Zahl und z.T. sind sie
ueber unterirdische Tunnel miteinander verbunden. Dieses Weltkulturgut der
orthodoxen Christen (eine Mischung aus Christentum und Judentum) wird auch heute
noch sehr aktiv von der lokalen Bevoelkerung genutzt. Auf den ersten 200 km ist
die Strasse sehr gut und schon am 2. Tag geht es auf das Dach unserer Reise (das
dachten wir im Hohen Atlas auf 2700 Meter auch schon), einen 3200 Meter hohen
Pass. Rechts und links der Strasse sehen wir viele Aethiopier rote Linsen
aufhaeufen, Stroh buendeln und ihre Aecker pfluegen. Sie benutzen dazu 2 Ochsen
und einen ganz simplen Holzpflug, was bei dem steinigen und harten Boden ein
Saukrampf ist. Es fahren nur wenige Autos an uns vorbei, die meisten davon
Toyota- oder Misubishi-Gelaendewagen vom Roten Kreuz, UNICEF, World Food Program,
GTZ, UNHCR, etc. Und natuerlich Militaer. Ab und zu hoeren wir staerker werdende
aethiopische Musik, dann tuckert jeweils ein vollbeladener Bus mit Lautsprecher
auf dem Dach an uns vorbei. Die weitaus meisten Aethiopier sind allerdings zu
Fuss unterwegs. Frauen schleppen Wasser in riesigen Tonkruegen oder grosse
Flechtkoerbe auf ihren gebeugten Ruecken, Kinder riesige, schwere Holzbuendel,
Maenner hingegen selten etwas. Wenn, dann meist einen Stock oder ein Gewehr.
Wenn wir an diesen grossen und huebschen Menschen mit ihren schoenen
Gesichtszuegen vorbeifahren, rufen sehr viele 'You, you!' oder 'Farana' bzw. 'Ferensch',
meist gefolgt von 'Birr, give!' oder 'Money, come!'. Manchmal steigt uns
allerdings auch ein leicht ranziger Geruch in die Nase. Aus einem uns
unbekannten Grund, legen sich die Frauen Butter auf den Kopf und lassen sie in
der Sonne schmelzen. Wahrscheinlich pflegt das Haut und Haare, auf alle Faelle
entspricht es einem Schoenheitsideal. Das Land ist nicht nur praktisch ueberall
von Menschen bewohnt, sondern wir sehen auch ueberall Kuehe, Schafe, Ziegen,
Esel und Kamele. Aethiopien hat den groessten Viehbestand ganz Afrikas.
Am 3. Tag nach Addis fahren wir zum ersten Mal hinunter ins deutlich tiefer
gelegene Rift Valley. Ob auf den hoechsten Bergen oder in den tiefsten und
steilsten Taelern, die Aethiopier bebauen jeden Flecken Land, z.T. mit
Terrassenbau und mit Bewaesserungssystemen. Ihr koennt Euch vielleicht
vorstellen, wie schoen dieses Land mit seinen Bergen, Canyons, Fluessen und Seen
ist, wir sind oft tief beeindruckt. Das Reisen wird uns durch zwar simple, aber
immer saubere Hotels und Pensionen auch in jedem noch so kleinen Nest etwas
einfacher gemacht. Etwas schwieriger ist es mit dem Essen. Wegen der erwaehnten
Fastenzeit gibt es nur Injera oder mit viel Glueck auch mal Spaghetti. Injera
besteht aus einem runden, saeuerlichen Schaumgummibrotfladen von ca. 60 cm
Durchmesser mit zubereiteten Gemuesehaeufchen oben drauf. Das Schaumgummibrot
ist oft katastrophal fuer Westler (wir haben nur wenige Fans getroffen), das
Gemuese, - in der Luxusversion bestehend aus Linsen, Kartoffeln, Tomaten,
Gruenkohl, Randen (rote Beete), Bohnen, Bohnenpaste, Meerrettich, Karotten und
Peperoni - oft sehr lecker. Nachdem wir in Italien wohl waehrend Wochen taeglich
nur Spaghetti essen koennten, kommen sie hier meist kalt, voellig verkocht und
mit der immer gleichen scharfen aber salzlosen Sauce. Satt werden wir aber
immer.
Die ersten 8 Tage waren zwar streng, aber landschaftlich aeusserst schoen, wir
sind aber meist auf Asphalt gefahren. Einzig die Kinder machen uns das Leben
schwer, dafuer ordentlich: Sie folgen uns z.T. viele Kilometer weit (wenn es
bergauf geht, was hier oft der Fall ist) und in Horden von bis zu 70, stellen
100 Mal mit ihren mageren Englischkenntnissen die immer gleichen Fragen 'Where
are you go?', 'What's your name?', fordern Geld, Stifte ('You, pen!') oder
Schulhefte ('Exschaschaischbuk') und werfen uns oftmals auch Steine nach.
Am 9. Tag verlassen wir das auch nicht gerade von angenehmen Kindern bevoelkerte
Weldya ab jetzt auf einer Schotterpiste Richtung Lalibela. Der Tag beginnt
steil, mit Platten und immer muehsamer werdenden Kindern. Elgards aber Klaus'
Nerven liegen blank. Und vor uns liegt eine unheimlich lange und hohe Steigung
durch bevoelkertes Gebiet, was soviel heisst wie stundenlange Belagerung durch
Kinder. Kurzentschlossen stoppen wir den naechsten Pick-up und lassen uns ein
Stueck mitnehmen. Trotz dieser Hilfe werden es aber mit Uebernachtung in Kulmesk
doch zwei aeusserst strenge Tage bis Lalibela. Piste katastrophal, viele grosse
Steine, Flusslaeufe und Steigungen, die wir nur mit gemeinsamem Schieben
meistern koennen bzw. muessen. Trotzdem schaffen wir es irgendwie nach Lalibela
hinauf, kurz bevor die Nacht hereinbricht. Wir finden ein nettes Hotel und
erholen uns erst mal. Wir treffen einige Reisende und besuchen die wirklich
beeindruckenden Felsenkirchen. Auf dem Markt wimmelt es vor allem von Bienen;
viele Honigverkaeufer sind hier und halten ihre suesse Ware feil umschwirrt von
Unmengen von friedlichen aber hungrigen Bienen. Ein toller Anblick.
Nach den Erfahrungen mit den letzten Pistenkilometern liebaeugeln wir mit der
Idee, nach Gondar zu fliegen. Die attraktiven Preise (auch fuer Uebergewicht!)
von Ethiopan Airlines, die alle touristischen Destinationen im Lande
regelmaessig anfliegt, machen uns die Entscheidung leicht. 3 Tage spaeter
steigen wir ins Flugzeug und landen nach einem 30-minuetigen Flug in Gondar.
Jegliches Sightseeing in Gondar faellt unserer Erschoepfung zum Opfer, zum
Glueck haben wir auch in Europa ein paar Burgen (die Hauptattraktion von Gondar).
Dafuer lernen wir Marlyn kennen, einen jungen amerikanischen Biker, der das Land
bereits seit 4 Monaten bereist. Wir haben viel auszutauschen.
Dann geht es weiter nach Bahar Dar, 2 Tage auf uebelster Piste, wir kommen uns
vor, wie im Shaker. Es bleibt kaum Zeit, nach links oder rechts zu schauen,
konstant muessen wir uns auf die Steine vor uns auf der Strasse und die Steine
hinter uns in den Haenden der Kinder konzentrieren. Hier erlebt Klaus den bisher
schlimmsten Velotag seines Lebens: krank muss er sich nicht nur ueber die Piste,
sondern auch noch ueber 2 steile Berge kaempfen. Ein anderes Indiz fuer die
Qualitaet der Strassen: Lastwagen fahren nie mit leerem Anhaenger, da dieser nur
wild herumspringen wuerde. Stattdessen werden die Anhaenger auf die Zugmaschine
gepackt, sieht seltsam aus. Viele Fahrzeuge bleiben mit Panne liegen, oft
Reifenpannen.
In Bahar Dar erwartet uns dann aber ploetzlich eine 6-spurige, fein asphaltierte
und von Palmen gesaeumte Strasse! What a feeling!
Bahar Dar ist ein netter, gruener Ort am Lake Tana, der Quelle des Blauen Nils.
Wir machen einen Bootsausflug auf eine der 37 Inseln und besuchen eine
wunderschoene Kirche und sehen am Ausfluss des Sees, also genau am Anfang des
Nils Nilpferde (das ist wie Schwarzwaeldertorte im Schwarzwald essen)! Auch
kulinarisch ist Bahar Dar fuer uns absolut top. Wir sind regelmaessig Gaeste zum
Essen in den teuren Touristenhotels, wo wir wieder alte Reisebekannte treffen.
Sie sitzen bereits 5 Tage in Bahar Dar fest, weil das Militaer ueber 1000 Busse
konfisziert hat, um Soldaten an die Front zu fahren. Somit liegt der
oeffentliche Verkehr flach, es lebe das Fahrrad!
Nach 2 Tagen Bauch-voll-schlagen geht es weiter, zurueck in Richtung Addis. Wir
werden ca. 8 Tage benoetigen, die ersten 4 wieder auf Piste (den tollen Asphalt
von Bahar Dar gibt es nur innerorts) und z.T. im dichten Staub der uns
entgegenkommenden Busse voller junger Soldaten. Dies ist fuer uns die zweite
Konfrontation mit dem Krieg, nachdem wir ueberall verstreut schon viele
ausgeschossene Panzerwracks gesehen haben. Die jungen Burschen aus dem Bus
rausgucken zu sehen und zu wissen, dass einige von ihnen vielleicht nicht mehr
zurueckkommen geht uns schon recht nahe. Gedanklich und auch abends in unseren
Gespraechen sind wir immer wieder beim Thema Krieg. Spaeter erfahren wir, dass
die Busse z.T. in die Doefer rausfahren und einfach alle jungen Maenner
'einsammeln', ohne dass diese nochmals nach Hause gehen oder ihre Familie
informieren koennen.
Auf unserem Weg nach Addis treffen wir zweimal eine Gruppe von Lehrern, welche
die zur Zeit stattfindenden landesweiten Pruefungen fuer den Zugang zur
Universitaet ueberwachen. Sie erzaehlen uns von dem desolaten Schulsystem,
Klassengroessen von bis zu 140 Schuelern sind normal, Unterrichtsmaterial wie
z.B. Buecher sind absolute Mangelware. Aus den Gespraechen hoert man die grosse
Frustration der Lehrer heraus oder sie wird offen ausgesprochen.
70 km nach Debre Markos steht uns unser Meisterstueck bevor: die Nilschlucht. In
einem riesigen Canyon geht es auf einer groben Pisten-Strecke von 40 km ueber
1300 Hoehenmeter hinunter und wieder hinauf. Nach 1000 Hoehenmetern verjuengt
sich der Canyon, und das Flussbett des Nils liegt in einer engen, 300 Meter
tiefen Schlucht. Landschaftlich ist es phaenomenal und zum Glueck erweist sich
der Aufstieg als weniger schlimm als befuerchtet. Statt der geplanten 30 km
schaffen wir an diesem Tag sogar 75! Geschlaucht sind wir aber doch. Die
naechsten 2 Tage muehen wir uns weiterhin hoch und runter. Es ist kalt, regnet
abends immer oefter, so dass Klaus einen Rueckfall bekommt und wir zu
Antibiotika greifen muessen. Trotzdem schaffen wir es am 8. Tag bis nach Addis,
wo Klaus mit Fieber in Bett krabbelt.
Aethiopien ist ein wunderschoenes, tierreiches, kulturell enorm vielseitiges
aber schwieriges Reiseland. Es ist fuer uns nicht nur eine Berg- und Talfahrt
auf schlechten Pisten, sondern auch der Gefuehle. Aber nicht nur wir haben
gelitten, sondern auch unsere Fahrraeder:
- 2 Nietenbrueche in den Ortlieb-Fronttaschen
- 2 Ermuedungsbrueche der Schrauben fuer die Low-Rider-Aufhaengung
- 4 Brueche an den Low-Ridern
- 2 Sattelbrueche
- 2 Platten
- 1 aufgerissener Pneu
- 1 Kettengliedriss
- diverse Scheuerschaeden an Taschen und Saecken
In Addis heisst es also wieder waschen, reparieren und kontrollieren. Im Hotel
Bel Air, einem Treffpunkt fuer Ueberlandreisende in Afrika, treffen wir einige
Schweizer. Durch sie lernen wir auch eine hervorragende Werkstaette kennen, die
uns einige Reparaturarbeiten macht. Der Werkstaette ist auch ein Restaurant
angeschlossen und das Ganze wurde von der (bekannten) Schweizer Familie Roeschli
gegruendet und heute noch gefuehrt.
Wir nutzen die Kontakte auch noch fuer die Planung des weiteren Verlaufes
unserer Reise, vor allem ueber den Teil bis Nairobi. Das Visum haben wir schon
verlaengert, jetzt geht es dann hoffentlich bald weiter an die Seen des Rift
Valley. Es wird flacher und heisser werden und man sagt uns, dass sie Leute im
Sueden Aethiopiens und v.a. in Kenya deutlich friedlicher und zurueckhaltender
seien. Darauf freuen wir uns.
Trotz der Schwierigkeiten hier, sind wir doch froh, dieses aussergewoehnliche
Land gesehen zu haben.
So, das naechste Mal hoert Ihr wohl aus Nairobi wieder von uns.
Falls Ihr noch alte Mails nachlesen wollte, so koennt Ihr das auf der Homepage
von Gabi und Stefan machen: members.tripod.com/gabi_stefan Dort unter Elgard und
Klaus suchen.
Viele Gruesse an Euch alle
Elgard und Klaus