Lake

Interview with Detlef Petersen



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Author : Detlef, wie kam es zur Gründung von Lake ?
Detlef : Dieter, Martin und ich , wir haben uns schon vor zehn Jahren kennengelernt. Wir spielten zusammen bei den "Tornados". Das haben wir drei Jahre gemacht. Dann sind wir drei ausgestiegen, um Lake zu gründen.
Author : Hat der Name Lake eine tiefere Bedeutung ?
Detlef : Nein. Lake - das gefiel uns, mehr nicht. Der kreative Vorgang der Namensgebung verläuft viel geheimnisloser, als man es sich normalerweise vorstellt. Erst nachher wird die Sache auseinandergenommen und analysiert. Da kommen dann manchmal hanebüchene Dinge heraus.
Author : Was veranlaßte euch, eine neue Gruppe aufzustellen ?
Detlef : Wir hatten es 1973 satt, ewig die Hitparade rauf und runter zu spielen. Wir wollten eigene Stücke bringen und sagten uns : 'So, jetzt gründen wir eine alternative Band !' Jeff, der andere Keyboardplayer, stieß bald darauf zu uns ... Author : Und Jim, euer Sänger ...
Detlef : Jim haben wir in London entdeckt. Wir hatten in Deutschland keinen geeigneten Sänger gefunden und sind deshalb nach England gefahren. Zum Schluß kam dann Alex dazu. Author : Wie sah die Situation damals für Lake aus ?
Detlef : Wir hatten natürlich keinen Schallplattenvertrag. Das Geld zum Leben verdienten wir uns durch Studioarbeit. Wir haben für andere Leute Platten aufgenommen und während dieser Zeit Demo-Bänder fertiggestellt. Mit diesen Demos sind wir dann zu allen Schallplattenfirmen hingegangen. Die fanden das aber alle nicht so doll. Einige wollten anbeißen, jedoch zu ganz miesen Konditionen. Wir hätten als Gruppe weniger verdient als irgendein kleiner Schlagersänger.
Author : Ihr habt eure erste LP gezwungenermaßen selbst finanziert.
Detlef : Ja, zusammen mit dem Musikverlag Francis, Day & Hunter in Hamburg, der uns etwas unterstützt hat. Wir sind nach England gefahren, weil wir erstens ein billiges Studio und zweitens abgeschieden und fern vom Grpßstadtstreß sein wollten. All das fanden wir in den Sawmill-Studios, Cornwall.
Author : Wie teuer war die Produktion eurer ersten LP, und wie lange habt ihr dafür gebraucht ?
Detlef : Die Produktion hat uns 25.000 Mark gekostet und drei Wochen in Anspruch genommen.
Author : Und wie sehen die Zahlen heute bei einer neuen LP-Einspielung aus ?
Detlef : Wir kommen so an die 100.000 Mark ran. Heute nehmen wir eine LP jedoch nicht mehr in einem Schwung auf, sondern Stück für Stück. Länger als zehn Tage Studioarbeit machen wir nicht mehr. Wir haben gemerkt, daß dann die Konzentrationsfähigkeit weggeht und die Belastbarkeit erschöpft ist. Wenn Du jeden Tag vierzehn Stunden laute Musik hörst, hörst du auf einmal gar nichts mehr.
Author : Wie entstehen eure Songs ?
Detlef : Den Text macht Jim, denn er kann mit der englischen Sprache am besten umgehen. An der Musik bin ich zu ungefähr siebzig Prozent beteiligt. Die anderen Lieder schreiben Jeff und Jim. Jetzt fangen auch die anderen an zu komponieren, was ein gutes Zeichen ist. Die Stücke arrangieren wir anschließend zusammen. Wir gehen also relativ fertig ins Studio. Von zwölf Titeln wählen wir dann acht für die neue LP aus. Im Studio beschäftigen wir uns im Prinzip nur damit, so gut wie möglich zu spielen.
Author : Wie erklärt ihr euren Erfolg ? Wurdet ihr durch die Plattenfirma stark gepusht, oder kam das Feedback durch den Erfolg in den USA ?
Detlef : Es lief bei uns deswegen so gut, weil wir von Anfang an die Presse hinter uns hatten, und das ist mit das Wichtigste. Das ist Promotion, die nichts kostet. Es war die beste, die man überhaupt haben kann. Vielleicht lag das daran, weil wir stilistisch anders waren als das, was man bisher in Deutschland gemacht hat. Das ist natürlich nicht generell gemeint.
Author : Was habt ihr denn anders gemacht ?
Detlef : Wir haben an sich nur eins gemacht. Wir haben die Lieder gespielt, die wir selbst komponiert haben. Wir sind alle sehr von England und Amerika beeinflußt worden, weil dort die Ursprünge liegen.
Author : Ihr habt also nicht versucht, Rock-Musik irgendwie von deutschen Wurzeln her zu holen.
Detlef : Nein, ich wüßte auch nicht, wo die sein sollten. Man kann natürlich sagen, daß wir uns an der Klassik hätten orientieren können. Bei einigen Songs ist das auch wirklich passiert. Es is völlig normal, daß man harmonische Sequenzen im Unterbewußtsein übernimmt. Ich habe ja auch klassische Musik in Hamburg studiert. Aber aufgewachsen bin ich mit der amerikanischen Musik. Rhythm & Blues und die ganze Ära der Beat-Musik haben uns nachhaltig beeinflußt. Davon konnten wir uns auch gar nicht lösen, und das haben wir auch nie gewollt.
Author : Wie hat sich nun der USA-Erfolg ausgewirkt ?
Detlef : Der war ungeheuer wichtig für uns. Zu der Frage, ob die Plattenfirma fürchterlich nachgeholfen hat, muß ich sagen, daß dem nicht so war. Bevor wir nach drüben gingen, hatten wir ja schon 150.000 Platten verkauft. In den USA sind wir deswegen so gut gelaufen, weil wir in sämtlichen Radiostationen drin waren. So etwas hat die Plattenfirma auch nicht in der Hand.
Author : Welche Erfahrungen habt ihr auf der USA-Tournee gemacht ?
Detlef : Es war für uns wohltuend zu merken, daß wir auch in anderen Ländern, ohne Angst haben zu müssen, bestehen können. Wir haben gesehen, daß die Rock-Lords drüben in Amerika auch nur mit Wasser kochen, und das Publikum einen genauso begeistert aufnimmt wie ihr Heimatgruppen. Denen war es eben nur wichtig, daß die Musik gut rüber kam. Wenn wir mal einen schlechten Tag hatten, sind wir sicher nicht so gut angekommen. Aber wenn wir richtig drauf waren, dann haben die gebrüllt und auf den Stühlen gestanden. In dieser Hinsicht haben wir den Unterschied zwischen USA und Deutschland deutlich gespürt. Das amerikanische Publikum ist einfach ein wenig freier und hat grundsätzlich die Einstellung : 'Jetzt gehe ich in ein Rock-Konzert und will Spaß haben !' In Deutschland dagegen gibt es doch einige Leute, die sich in die tiefen Sessel setzen, die Arme verschränken und sagen : 'Nun zeigt mal, was ihr könnt. Unterhaltet mich mal !' Das ist natürlich eine Attitüde, die dem Musiker nicht fürchterlich viel Spaß bringt, weil man dann unheimlich kämpfen muß, um diese Sperre zu überwinden.
Author : Ist es für eine deutsche Gruppe, die an Säle mit zirka zwei- bis dreitausend Leuten gewöhnt ist, nicht eine große Umstellung, plötzlich in einer Riesenarena oder bei einem Open-Air-Festival vor 40-50.000 Menschen zu spielen ?
Detlef : Die Erfahrung, die ich persönlich gemacht habe, und jeder mag da anders empfinden, ist die : Wenn Du in Hallen gehst, hast Du irgendwann das Gefühl dafür verloren, ob jetzt hundert Leute, tausend oder fünfzigtausend vor dir sitzen. Du hörst es auch rein akustisch nicht mehr. Es gibt einen definitiven Unterschied zwischen einem Club und einem Saal, ganz klar. Im Club ist der Kontakt, auch der Sichtkontakt ein ganz anderer. Im Saal ist man zwei Stunden auf den Stuhl gepreßt.
Author : Häufig wird euch in Kritiken angelastet, daß ihr angeblich bewegungslos auf der Bühne steht und eure Musik runterspult, als liefe sie von der Platte. Jemand hat mal geschrieben, ihr würdet wie angeklebt auf eurem Bühnenteppich stehen.
Detlef : Das ist alles reine Auffassungssache. Wir sind nun mal nicht die Typen, die herumspringen. Und das werden wir auch nie werden. Es ist nicht unser Stil. Den Jazzern hat man es auch nie angelastet, daß sie sich nicht verrenkt haben, sondern man hat auf die Musik gehört. Warum soll das bei uns dermaßen anders sein ?
Author : In eurer Gruppe macht Alex Conti, der Solo-Gitarrist, häufig von sich reden. Die Presse beißt sich gern an ihm fest und stellt ihn als den schnellsten Fummler heraus.
Detlef : Bei uns ist es Gott sei dank so, daß es keine Stars und Starallüren gibt. Nicht unsere schönen blauen Augen oder ähnliches, sondern unsere Musik steht im Vordergrund. Wir sind ein Team. Wenn sich da jemand herausentwickelt, ist das eine zwangsläufige Sache. Starkult lehnen wir generell ab. Wir freuen uns, wenn Alex, der bei uns hauptsächlich stilistische Funktion hat, so herauskommt. Aber solch einen Starrummel, den man zum Beispiel mit den Bay City Rollers betreibt, sagt uns absolut nicht zu.
Author : Ihr seid eine vielbeschäftigte Gruppe. Wie viele Auftritte kommen bei euch in diesem Jahr zusammen ?
Detlef : Das ist jetzt die erste Tour in diesem Jahr. Dreißig Auftritte in fünf Wochen.
Author : Ein ungeheurer Streß.
Detlef : Ja, das stimmt schon. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, daß ich jetzt am Schluß der Tour nicht mehr so fit bin.
Author : Braucht ihr so wie andere Gruppen nach dem Konzert Sauerstoffduschen ?
Detlef : Nein. Das brauchst Du nur dann, wenn Du deinen Kreislauf von vornherein schon heruntergebracht hast.
Author : Du sprachst vorhin davon, daß die Toleranz in der Branche nicht so ist, wie sie deiner meinung nach sein sollte.
Detlef : Ja, es sollte ein wenig mehr Toleranz geübt werden. Man soll Gruppen so lassen, wie sie sind. Nicht nur eine Stilrichtung sollte den Markt beherrschen. Mehr Pluralismus. Das ist eine Sache, die mir in Amerika so wohltuend aufgefallen ist. Jeder akzeptiert den anderen Musiker, es ist kein derartiger Insider-Kampf wie in Deutschland.
Es ist auch bezeichnend, daß man uns in Deutschland als zu perfekt darstellt. Das ist so ein Ausdruck, mit dem ich gar nicht anfangen kann. Zu perfekt gibt es gar nicht ! Es ist an sich ein Hohn. Musikern, die zehn Jahre gearbeitet haben, um perfekt zu werden, das vorzuwerfen, ist ein Witz. Wenn man sagen würde : 'Die Musik ist zu steril.' Okay, dann könnte man darüber reden. Dann weiß man wenigstens, was er meint. Aber oft ist es ja so, daß diese leute ja schon nicht mal mehr konsequent mit der deutschen Sprache umgehen, und das stört mich. Jemand schmeißt ein Wort rein, und das wird dann von anderen genauso wahllos wieder übernommen.

Author : Show auf der Bühne gehört nicht zu eurem Programm ...
Detlef : Wir sind in unserer Sache konsequent. Okay, es gibt andere, die unheimlich viel Show abziehen, und das finde ich auch gut so. Wenn einige Leute wirklich Show im Programm mögen, dann sollen sie es, verdammt nochmal, tun. Aber man soll dann auch anderen, die das nicht machen, nicht ständig etwas vorwerfen. Jeder soll doch gefällist seinen Kram machen. Wir haben sowieso ganz andere Zuhörer und Zuschauer als Scorpions oder sonstwer. Und das ist auch richtig so. Ich lese doch auch verschiedene Bücher. Der eine Steht auf Konsalik und der andere auf Grass. Warum soll das in der Musik anders sein ?
Author : Was strebt ihr für die Zukunft an ? Du sprachst von einer Million verkaufter Platten ...
Detlef : Na ja, vielleicht ... Die Dinge entwickeln sich. Aber man sollte vorsichig sein. Das Rock-Geschäft ist dermaßen kurzlebig, daß es genauso schnell vorbei sein kann, wie es angefangen hat. Das merke ich an unserer Vorgruppe BLUE. Die spielen eigentlich unheimlich duften alten ... na ja, fast schon anachrosnistisch zu nennenden Pop. Aber sehr schön, Ich mag es sehr. Ich bin in der Zeit aufgewachsen. Aber in England kriegen die kein Bein mehr auf den Boden. Die Presse ist voll mit Punk und New Wave. Wenn Du dann so was machst, bist Du altmodisch und hast schon keine Chance mehr.
Author : Der Musiker muß also dem Zeitgeist folgen ?
Detlef : Ich glaube, daß es eine Zeit gegeben hat, wo so eine Gruppe wie GENESIS einfach keine Chance gehabt hätte. Um bei den BLUE zu bleiben. Die hatten mal ihre Zeit, wo die Musik voll reinpaßte. Sie sind aber stehengeblieben. Wenn Du nun aber stark genug bist und wartest, bis du wieder in die Strömung reinpaßt, denn die Stilrichtungen kehren ja alle Jahre wieder wie bei der Mode, dann bist du plötzlich wieder 'in'. Das ist ein merkwürdiges Ding.
Damit wollte ich nur sagen, daß man im Rock-geschäft eine unheimliche Menge Glück braucht. Komisch ist auch, daß man heute 'konsumieren' und 'Konsument' sagt und nicht 'hören' und 'Hörer'. Das ist irgendwie bezeichnend für unsere heitige Zeit. Und das gibt mir zu denken ...

Auszug aus "Rock made in Germany"
Wilhelm Heyne Verlag, München
© 1980, Herausgeber : Thomas Jeier.

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