Budapest, Dezbr. 74
Geehrter Herr! Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Anfrage bezüglich
meines Cellokonzertes. Die von den Cellisten gerügte übergrosse
Länge dieses Tonstückes wird jedenfalls nicht von allen Cellisten
empfunden. Schlesinger z.B., welcher es zuerst öffentlich spielte,
wünschte nachträglich von mir sogar noch die Verlängerung
eines Tutti [damit er sich bequem den Schweiss abwischen könne, was
ich ihm jedoch nicht bewilligen konnte]. Wäre mein einsätziges
Konzert der erste Satz eines dreisätzigen Konzertes, so begriffe ich
es, wenn man seine Ausdehnung unpraktisch befände; aber mein Stück
fasst sozusagen die üblichen drei Sätze in sich, schon deshalb
und dann auch, weil sein Bau ein wohlberechneter ist, dürfte es intelligenten
Hörern nicht zu lang erscheinen. Wollte man es aber, was ich nicht
voraussetzen kann, darum kürzen, um je eher damit fertig zu werden,
so würden einige Striche sehr wenig Zeitgewinn ergeben, die Popperschen
höchstens eine oder anderthalb Minuten, was nicht der Mühe lohnen
würde, dass man das Stück verstümmelt vorführe: bei
näherer Betrachtung der Popperschen Striche nämlich werden Sie
gewiss leicht erkennen, dass dieselben meiner Komposition keineswegs zum
Vorteile gereichen. Aus den angeführten Gründen nun wäre
es mir sehr angenehm, wenn mein Cellokonzert unverkürzt zur Aufführung
gelangte. Was ferner Kadenzen in Konzerten im allgemeinen betrifft, habe
ich eine Vorliebe für die kurzen. Viele Virtuosen legen in Konzerte
fremder Komponisten gern eigene lange Kadenzen ein, in welchen sie gewöhnlich
ihre Lieblingspassagen, die nicht selten dem Geiste des Werkes widersprechen,
anbringen und nebstbei die vom Komponisten schon hinlänglich durchgeführten
Motive leider oft genug durcheinanderwürfeln; auch Herrn Poppers Kadenz
zu meinem Konzert fand ich von diesem Fehler nicht ganz frei. Daher möchte
ich Herrn Hummer, den ich von mir zu grüssen bitte, eine meiner kurzen
Kadenzen anraten, nämlich entweder jene, welche in die gedruckte Solostimme
gehörigen Orts eingetragen ist, oder die unter Nr. 3 auf der Beilage
befindliche. Sollten ihm beide nicht ganz entsprechen, so möge er
die von beiden ihm mehr zusagende modifizieren oder eine ganz neue, womöglich
kurze und dem Charakter des Stückes angemessene herbeischaffen.
Es würde mich sehr freuen, wenn Sie und Herr Hummer sich mit meinen
hier mitgeteilten Ansichten befreunden könnten und meine diesbezüglichen
Wünsche berücksichtigen möchten.
Mit besten Gruss
Ihr hochachtungsvoll ergebener
Robert Volkmann