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Die Geschichte des Mediums steht mit der Entwicklung der Drucktechnik, der Cartoon-Kunst und der Karikatur
in Verbindung. In England verwendete bereits Francis Barlow um 1682 auf seinen Propaganda-Blättern The
Horrid Hellish Popish Plot häufig Spruchbänder – als Vorläufer der heutigen Sprechblasen. 1732 wurden
soziale Ungerechtigkeiten und Laster satirisch in A Harlot’s Progress von William Hogarth kommentiert,
das aus mehreren zusammengehörenden, kunstvollen Radierungen bestand, die nacheinander wie eine Geschichte
gelesen und studiert werden konnten. 1827 begann Rodolphe Töpffer, ein Lehrer aus Genf, inspiriert
durch Hogarths Drucke, seine eigenen Romane in Bildern zu schreiben und zu zeichnen; zuerst in privatem
Rahmen für seine Schüler und Freunde, aber ab 1833 veröffentlichte er sie ermutigt durch Goethes Lob.
Töpffer war auch der erste Theoretiker des neuen Mediums (Essay on physiognomi, 1845). Der bedeutendste
Erbe Töpffers war Wilhelm Busch. Wie viele andere europäische Künstler arbeitete er für die neuen humoristischen
Zeitschriften der damaligen Zeit. Die Texte, die oft in Versform abgefasst waren, waren maschinengeschrieben
und standen unter den Zeichnungen. Sein kühner, bewegter Stil und seine visuellen Metaphern wurden oft
imitiert. Comic Strips in Zeitungen In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts sahen sich
in den USA die humoristischen und Cartoon-Wochenmagazine wie Puck, Judge und Life mit einer neuen Konkurrenz
konfrontiert, den großstädtischen Zeitungen. Die Spitzen-Cartoonisten dieser Magazine wurden für die
neuen farbigen Cartoons in den Sonntagsbeilagen der Zeitungen angeworben. Berühmt-berüchtigt für den
Konkurrenzkampf um die Anwerbung von talentierten Zeichnern in New York waren Joseph Pulitzers World
und William Randolph Hearsts Journal. 1895 führte Richard Felton Outcault einen kahlköpfigen Bengel
mit abstehenden Ohren in seine Abenteuer aus dem Alltag detailliert gezeichneter Mietskasernen ein, die
er regelmäßig in World veröffentlichte. Bereits Anfang 1896 war der Bengel im gelben Hemd, The Yellow
Kid, zum Mittelpunkt der Serie geworden und wandte sich in irischem Slang, der auf sein Hemd gekritzelt
war, an seine Leser. Hearst „entführte“ die populäre Figur in sein Journal, indem er Outcault ein höheres
Gehalt bot. Pulitzer erhöhte den Einsatz, aber Hearst zog mit. Pulitzer ging vor Gericht, konnte aber
nur das Recht erstreiten, den Streifen mit einem anderen Zeichner fortzuführen, während Outcault seine
Figur für Hearst zeichnen durfte. Heute wird die Regenbogenpresse der Pressemagnaten, aufgrund der Auseinandersetzungen
um The Yellow Kid im anglophonen Raum abwertend als yellow press bezeichnet. Als Nächstes beauftragte
Hearst den in Deutschland geborenen Rudolph Dirks damit, eine Comic-Version von Wilhelm Buschs Bildergeschichte
Max und Moritz unter dem Namen The Katzenjammer Kids zu gestalten (1897). Es folgte eine Experimentierphase,
in der sich neue Kastengestaltungen und die Verwendung von Sprechblasen in den Sonntags-Comics etablieren
konnten. Das Amerika der Jahrhundertwende bot das geeignete Umfeld für die Entwicklung der Comics
zu einem kommerziellen und künstlerischen Phänomen. Die ständig wachsende Bevölkerung suchte preiswerte
Unterhaltung und neue identitätsstiftende Legenden oder benutzte Comics als Englischkurs für Erwachsene
und Kinder. Die bekanntesten Comics dieser Zeit sind Little Nemo (1905) von W. McCay und Lionel Feiningers
Kinder-Kids (1906). Comic Strips brachten zusätzliche Einnahmen durch ihre Vermarktung als Spielzeug,
durch Zeichentrickfilme und Radiosendungen, sowie durch die Vergabe von Verkaufslizenzen. Bud Fishers
Mr. A. Mutt, der Pferdewetten abschloss, und der später zu Mutt and Jeff wurde, erschien seit 1907 täglich
auf der Sportseite des San Francisco Chronicle. Sein sensationeller Erfolg führte dazu, dass täglich
erscheinende Streifen mit aktuellen und humorvollen Themen für Erwachsene bald in fast allen amerikanischen
Tageszeitungen erschienen, so Seifenopern wie Roy Cranes Wash Tubbs, Harold Grays Little Orphan Annie,
E. C. Segars Thimble Theatre, in dem Popeye zum ersten Mal auftauchte, und viele andere, darunter auch
die ersten Mickey Mouse-Geschichten (1930). Hieraus entwickelten sich die Abenteuerhelden wie der Detektiv
Dick Tracy von Chester Gould (1931; 1990 von Warren Beatty verfilmt) und der Weltraummann Buck Rogers
(1929). In Europa schuf der Belgier Hergé den Klassiker Tintin (Tim und Struppy). Im Bestreben nach mehr
Realismus in den Abenteuer-Streifen wich in den dreißiger Jahren der Karikatur-Stil dem plastischeren
Stil von Alex Raymonds Flash Gordon (1934) und Milton Caniffs Terry and the Pirates. In den fünfziger
Jahren wurden Serien-Abenteuerstreifen gekürzt oder ganz gestrichen, komische Streifen zu gezeichneten
Witzen für einen Tag umgewandelt. Charles Schultz’ Peanuts entstanden in dieser Zeit. Obwohl Anzahl und
Qualität zurückgingen, können auch heutige Serien wie Bill Wattersons Calvin and Hobbes immer noch breite
Leserschaften begeistern.
Erste Comic-Hefte entstanden 1933, als diese als Zugabe
zu bestimmten Produkten verschenkt wurden. Die Comics in Zeitungen waren Gratisbeilagen gewesen, aber
1934 zeigte der Band Famous Funnies 1, dass die Leser bereit waren, die Nachdrucke ihrer Lieblings-Comics
käuflich zu erwerben. Nachdem sie fünf Jahre erfolglos geblieben waren, verkauften der Texter Jerry
Siegel und der Zeichner Joe Shuster endlich ihren Helden Superman als Titelbild des neuen Heftes Action
Comics, das zum ersten Mal 1938 erschien. Seine Popularität führte ein Jahr später zu The Batman von
Bob Kane und Bill Finger, gefolgt von einer ganzen Propaganda-Armee von Figuren, die mit übermenschlichen
Kräften ausgestattet waren und für Amerika gegen Deutschland und Japan kämpften. Nach dem Ende des
Krieges kamen die „Superhelden“ allmählich aus der Mode und andere Comic-Themen traten an ihre Stelle:
lustige Tiergeschichten, die auf Zeichentrickfilmen basierten, und umgearbeitete Fassungen von Filmen
und literarischen Klassikern, Western, Dschungelabenteuern, Kriminal- und Liebesgeschichten, des Weiteren
Kriegs- und Horrorerzählungen sowie die zwischen satirischer Qualität und bodenloser Albernheit changierenden
Strips der später auch in Deutschland erhältlichen Zeitschrift Mad. Nach einer Phase der Zensur in
den fünfziger Jahren (vor allem in den USA), in der viele Verleger ihre Arbeit einstellen mussten, kam
es in den sechziger Jahren zu einer Renaissance der Superhelden-Comics. In den Marvel-Comics erfanden
der Texter Stan Lee und die Zeichner Jack Kirby und Steve Ditko ein ganzes miteinander verbundenes Universum
von tragischen Helden wie The Fantastic Four und Spider-Man, denen ihre Kräfte nur Schwierigkeiten bereiteten.
In Europa erfreuten sich neben übersetzten amerikanischen Heften auch eigene Produktionen immer größerer
Beliebtheit. In Deutschland gelang es Rolf Kauka, Fix und Foxi zum ernst zu nehmenden Konkurrenten für
Disneys Branchenführer Mickey Mouse werden zu lassen. Französische und belgische Hefte wie Asterix von
Goscinny und Uderzo, Lucky Luke von Morris oder Spirou und Fantasio von André Franquin erfreuen sich
mit ihrem zum Teil anspruchsvollen Witz seit den siebziger Jahren auch in Deutschland großer Beliebtheit
bei Kindern und Erwachsenen. In den sechziger Jahren entstanden in den USA gegen das Establishment
gerichtete Underground-Comics für Erwachsene, die das Medium nicht nur durch gezielten Tabubruch von
alten Zwängen befreiten, sondern auch durch ihren psychedelischen Stil (wie bei Gilbert Shelton) eine
neue Bildersprache entwickelten. Vor allem die heftig mit Sex und Drogen experimentierenden, anarchistisch
angehauchten Figuren von Robert Crumb (Fritz the Cat, Mr. Natural) wurden auch in Deutschland populär.
Mit Art Spiegelmans Maus, dem bewegenden Bericht darüber, wie sein Vater den Holocaust überlebt hatte,
entstand in den achtziger Jahren ein herausragendes Beispiel dafür, wie auch ernste Themen adäquat in
Comic-Form umgesetzt werden können. Daneben entstanden immer wieder mehr oder weniger ernst zu nehmende
Versuche, auch weltanschauliche oder Bildungsinhalte in Comicform zu bringen (Die Bibel, Karl Marx’ Kapital).
Zu den wichtigen neueren Trends gehören seit 1977 die satirische Sciencefiction in 2000AD, die den futuristischen
Judge Dredd einführte, sowie der heiter-vulgäre „Erwachsenen“-Comic Viz. Wichtige deutsche Künstler
der letzten Jahre sind der selbstkritisch-humorvoll aus dem linksalternativen Milieu berichtende Gerhard
Seyfried, Walter Moers mit seiner derb-witzigen Figur Das kleine Arschloch, der die Homosexuellen-Szene
liebevoll karikierende Ralf König sowie der realistisch-expressive Michael Schultheiss. Der bereits verstorbene
Jean Luc Reiser, bekannt für seinen bösartigen Humor, und der Sciencefiction-Zeichner Moebius sind die
wichtigsten französischen Autoren der letzten Jahre. Die italienischen Künstler Milo Manara und Eleuteri
Serpieri haben sich mit Erotikcomics einen Namen gemacht. Richard Corben und Todd MacFarlane in den USA
sowie Jamie Hewlett und Simon Bisley in England sind mit ihren Sciencefiction- und Fantasy-Abenteuern
die bekanntesten Vertreter aus dem anglophonen Sprachraum. In Japan, wo Comics ein fester Bestandteil
der Alltagskultur sind, erreichen die so genannten mangas mit ihren drastischen Darstellungen von Sex
und Gewalt gigantische Auflagen. Comics als neues, faszinierendes Massenmedium haben Pop-Art-Künstler
wie Roy Lichtenstein und Andy Warhol in den sechziger und siebziger Jahren ebenso beinflusst wie später
Filmregisseure wie Lars von Trier und Terry Gilliam oder Jeunot/Caro. Einst vor allem in Deutschland
als Schund und Ursache für Bildungsnotstand und partielles Analphabetentum gebrandmarkt, haben sich Comics
heute als ernst zu nehmendes Medium in allen Bereichen, wie etwa auch Werbung und Bildungsvermittlung
etabliert.
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