Mit dem Begriff der Strandplatte oder
Strandflate wird jener einzigartige Naturraum Norwegens bezeichnet, der eine amphibische
Landschaft darstellt, wie sie typisch für den Küstenbereich des Westens ist. Mal ist die
Strandplatte, die aus Fels besteht - und nicht aus Lockermaterial, wie das Wort
"Strand" nahelegt - nur einige hundert Meter, mal bis zu 40 oder 50 km breit.
Sie reicht von Stavanger bis hinauf zum Nordkap, unterbrochen am Kap Stad. Zum Meer hin
ist die Strandplatte nur sehr gering geneigt, zum Binnenland steigt sie steil an.
Charakteristisch sind die der Form nach benannten "Hutberge", die oft mehrere
hundert Meter Höhe erreichen und deren Abragungsterrassen wie eine Krempe um einen Hut
laufen. Die Entstehung der Strandplatte ist unter Experten umstritten. Weder die Annahme,
sie sei das Ergebnis abtragender Tätigkeit der Brandung an der Meeresküste ( =
Abrasion), noch irgendein Erklärungsansatz, der das Eiszeitalter berücksichtigt,
vermögen eine überzeugende Theorie der Bildung der Strandplatte zu liefern. Unumstritten
ist die kulturgeschichtliche Bedeutung der etwa in Meereshöhe liegenden Verebnung. Für
die Fischer- / Bauernbevölkerung West- und Nordnorwegens war und ist die Strandplatte mit
ihrer Verzahnung von Land und Meer Siedlungs- und Wirtschaftsraum, vor allem wegen der
niedrigen Höhenlagen, der geschützten Häfen, der nahegelegenen Fischbänke und der in
den Senken abgelagerten Lockermaterialien.
Zu den charakteristischen Landschaftsformen Norwegens gehört neben dem Fjord auch das
Fjell, sprachlich verwandt mit unserem Wort "Fels". Der Duden bezeichnet mit
diesem Begriff die "baumlose Hochfläche in Skandinavien", die sich in Aufbau
und Oberflächenformen deutli9ch von mitteleuropäischen Berg- und Gebirgsregionen
unterscheidet. Das Fjell mit seinen zahlreichen Seen, Bergrücken und meist flachen
Rundhöckern ist eine vom Eis gestaltete Landschaft oberhalb der Baumgrenze, die in weiten
Teilen des hohen Nordens auf unter 150 m abfällt. Neben dem Typus des allgemeine Fjell
mit abgerundeten Bergen mittlerer Höhe gibt es das Plateau-Fjell mit nur flachwelligem
Relief, wie es besonders beispielhaft in der bekannten Hardangervidda (vidda =
"Weite) ausgeprägt ist. Eine dritte Variante stellt das alpine Fjell mit seinem
Hochgebirgscharakter dar, das vorwiegend in West- und NOrdnorwegen anzutreffen ist. Die
menschenleeren Fjellgebiete ziehen immer mehr Touristen an, die, wie man in Norwegen sagt,
"vom Fjell gebissen" sind.
Die Schönheit der Küste Westnorwegens wird ganz durch die tief ins Land
einschneidenden Fjorde bestimmt, die mehr als alles andere Norwegen in der Welt bekannt
gemacht haben. Als "Fjordland" im engeren Sinne gilt der Küstenraum zwischen
Stavanger und Molde. Aber auch im Süden gibt es beeindruckende Fjordlandschaften wie etwa
den Oslo-Fjord, während im Norden an der Eismeerküste ein anderer Typ mit 10-20 km
Breite den Naturraum prägt.
Nach allgemeiner Auffassung sind Fjorde ertrunkene Trogtäler, die zuvor vom Eis
ausgehobelt worden sind. Die Länge und Tiefe dieser faszinierenden Wasserlandschaften
kann beträchtliche Ausmasse erreichen, auch die Talwände sind häufig steil und über
1000 m hoch, also auch siedlungs- und verkehrsfeindlich. Da die Eisströme, aus dem
Hochgebirge kommend, einst westwärts nahe der Küste an Erosionskraft einbüssten und die
Meeresnähe die Gletscher abschmelzen liess, lieben als Reste der Hobelarbeit die
Endmoränen der Gletscher an der Fjordmündung, so dass die Gebirgsschwellen oft nur eine
Tiefe von 100-200 m aufweisen. Die Sogwirkung des Ebbstroms muss das mittransportierte
Gesteinsmaterial über die Schwellen ins Meer befördert haben.
Nachdem die Gletscher abgetaut waren, durchzogen Flüsse oder Seen den Talboden, der
schliesslich, wenn er über das heutige Meeresspiegelniveau eingetieft wurden, nach dem
Wiederansteigen des Meeresspiegels vom Meer überflutet wurde. Der Wasseraustausch
zwischen dem Atlantik und den inneren Bereichen der Fjorde ist recht gering, denn nur eine
oberflächennahe Schicht wird hinreichend durchmischt, zumal auch der Tidenhub nur mässig
ist. Das Tiefenwasser der Fjorde ist daher schwefelwasserstoffhaltig, so dass Fische kaum
die Fjorde aufsuchen. Im Winter frieren die Fjorde selten zu.
Der mit 183 km längste und mit 1308 m tiefste der Fjorde bei einer Breite von 5-8 km
ist der Sognefjord, den landeinwärts bis etwa zur Fjordmitte Gipfel säumen, die auf 1300
m ansteigen. Mehrere Fjordarme zweigen von ihm ab, weniger breit und tief. Eine
bäuerliche Besiedlung des Fjordgebietes ist seit mehr als tausend Jahren belegt, zumal
grössere Deltaflächen an den inneren Fjordenden recht gute landwirtschaftliche
Nutzungsmöglichkeiten bieten. Die berühmten Stabkirchen von Borgund und Urnes sind die
bekanntesten Zeugnisse einer alten, hochstehenden Bauernkultur, die nicht zuletzt auch
aufgrund der besonderen klimatischen Verhältnisse im Fjordland entstehen konnte. |