by Dr. med.vet. Rudolf Lessing
Das Zuchtgestüt, in dem der Nachwuchs für die Henste der Wiener Spanischen Reitschule gezüchtet wurde, war im Jahre 1942 in das Heeresgestüt Hostau, im westlichen Teil des Kreises Bishofeinitz ( rd. 45 km südwestlich Pilsen ) gelegen, verlagert worden.
Als der Krieg sich seinem Ende zuneigte, waren zu den dort befindlichen 400 Zuchtstuten und Jungpferden noch etwa 200 Gestütspferde aus der Sowjetunion hinzugekommen, so daß sich insgesamt 600 wertvolle Gestütspferde dort befanden.

Am 26. April 1945, als die russichen Armeen sich etwa 60 km ostwärts von Hostau befanden, hatten amerikanische Aufklärungsverbände ( 2nd Clavary Group ) die deutsch-tschechische Grenze erreicht.  Sie befanden sich damit näher am Gestütsgelände als die Sowjetarmee, konnten aber aufgrund des Vertrags von Jalta die Rechtsgrenze nicht überschreiten.  Zwischen Pilsen und Hostau war die 11. Panzer-Division im Einsatz.  Durch den Brief eines in amerikanische Gefangenschaft geratenen deutschen Oberst der Luftwaffe, wurde der Gestütsleiter, Oberstleutnat Rudofsky, davon unterrichtet, daß die Möglichkeit bestände, die Pferde in amerikanischen Gewahrsam und über die Reichsgrenze zu bringen.  Der Veterinäroffizier des Gestüts; Stabsveterinär Dr. Lessing, wurde als Parlamentär durch die Linie gesandt, um mit den Amerikanern Verhandlungen aufzunehmen.  Das erste Treffen mit Colonel Reed, dem Kommandeur der 2nd Calvary, fand am Abend des 26.4.1945 in einem Bauernhaus jenseits der Grenze statt.  Die Amerikaner machten den Vorschlag, die Pferde im Fußmarsch zu evakuieren.  Dies war nicht durchführbar, da zu wenig Personal vorhanden war und die Stuten entweder hochtragend waren oder frisch geborene Fohlen bei Fuß führten.  Dr. Lessing ritt dann mit einem amerikanischen Offizier, Captain Stewart, nachts zurück nach Hostau, um nach anderen Möglichkeiten zur Rettung der Pferde zu suchen.

Inzwischen war im Gestüt Hostau, das bisher nicht in Verteidigungsbereitschaft gesetzt war, ein Kampfkommandant eingetroffen, der sich weigerte, iregendwelche Abmachungen mit den Amerikanern zu treffen.
  Nach mehrstündigen Gesprächen und Verhandlungen, vor allem mit dem Kommandeur des zuständigen Armeekorps, gelang es schließlich, den Kampfkommandanten davon zu überzeugen, daß eine Verteidigung sinnlos sei.  Im Gegenteil, man sollte versuchen, die Pferde in Sicherheit nach Bayern zu bringen.  Am folgeneden Tag rückte die Einheit der Amerikaner in Hostau ein und besezte mit Ausnahme eines Vorwerks sämtlcihe Gestütsanlagen, ohne daß ein Schuß fiel.

Am 15. Mai 1945 wurde dann die Masse der Hostauer Pferde, teils im Fußmarsch unter dem Schutz der Amerikaner, teils auf befehlsmäßig hergerichteten LKW's. die von der ebenfalls vor den Amerikanern kapitulierenden Artillerieschule stammten, über die Grenze nach Fürth im Wald in Behelfsquartiere in dem kleinen Dorf Schwarzenberg überführt.  Der Marsch war eine organisatorische Meisterleistung angesichts des auf den Straßen damals herrschenden Chaos.  Die Amerikaner hatten alle größeren Kreuzungen abgesperrt, und die einzelnen Gruppen gelangten unbehelligt in die bereits vorbeiteten Quartiere.  Mit Ausnahme von 3 Junghensten, die sich bei einem unvorhergesehenen Stop durch bewaffnete Tschechen an der Grenze aus dem Rudel entfernt hatten, gelangten alle Pferde in den Raum Cham-Kötzting, insbesondere nach Scwarzenberg.  Dort verblieben sie bis zum 22. Mai 1945 und wurden dann im LKW-Transport nach St. Martin in Oberösterreich repatriiert.

Alle Verantwortlichen und Pferdefreunde waren sich klar darüber, daß dieses mutige Unternehmen nur dank der Hilfe und des Verständnisses von Colonel Reed, der ein echter horse-man war, gelingen konnte.