Radfahrer...

Es folgt ein netter Text aus einem alten Stern, zum Thema Radfahrer:



Die Radlerpest

Jetzt werden sie wieder zur Landplage: Rabauken auf Rädern. Volle Pulle gegen die Einbahnstraße, mit Karacho über den Gehsteig, ohne Licht in Dreierreihe. Es kracht an allen Ecken; Wissenschaftler gehen von mindestens 240.000 zumeist selbstverschuldeten Unfällen pro Jahr aus. Ein längst überfälliger Wutausbruch von Wolfgang Röhl

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Er schoß von rechts aus der Einmündung, riß die Frau vom Rad. Ratzfatz lag ich auf dem Asphalt, sagt das Opfer. Der Typ hat kurz angehalten und sich umgesehen. So unter der Achselhöhle durch. Und tschüs.

Das war im Hamburger Uni-Viertel. Acht Wochen hat Ute Balten an den Schürfwunden laboriert. Eine Narbe am Ellenbogen ist geblieben. Wegen der Schulterprellung mußte die Anwältin monatelang zur Massage. Sie hat die Unfallflucht nicht angezeigt. Zeitverschwendung, sagt sie, Radfahrer haben ja keine Nummernschilder.

Vergleichsweise harmlos, diese Sequenz aus dem Road-Movie „Immer die Radfahrer“. Es wurden schon, wie in Hamburg oder im schleswig-holsteinischen Wedel, Fußgänger von Radlern totgefahren. Kinder landeten mit Kopfverletzungen, Arm- und Beinbrüchen im Krankenhaus. Fast immer flüchten die Täter. Wo Radler massenhaft aufkreuzen, da herrscht Anarchie.

Für Fußgänger, deren Knautschzone die Nase ist, sind sie die grüne Pest. Ob in der City, im Park oder auf dem Waldweg - sie werden dich scheuchen, anklingeln, anschnauzen. Anrempeln, über den Haufen fahren.

Die Schwächsten trauen sich kaum noch auf die Straße. Herr K. ist seit einem Schlaganfall halbtaub und sehr langsam. Viel zu langsam für ein Wohnviertel wie Hamburg-Eppendorf, wo Rad-Raser gelegentlich Radarfallen auslösen. K. hat panische Angst vor dem Bürgersteig. Wenn ihn ein Raser anfährt, sind seine morschen Knochen hin. Das hieße Friedhof, im Endeffekt.

Hier, werte Radlerlobby, geht es mal nicht um die bösen Autofahrer, die mit ihren stinkenden Kisten immer die Radwege zuparken. Das Gezeter über ignorante Stadtväter, die nicht noch mehr teure Radwege spendieren (welche die Hälfte der Radler sowieso nicht benutzt), ist sattsam bekannt. Und die Leier von den „schwarzen Schafen“, die es unter Radlern gäbe wie überall, mag auch keiner mehr hören. Jedermann weiß doch: Es sind weiße Schafe, die man mit der Lupe suchen muß.

Verkehrsregeln sind nicht für ihn geschaffen, glaubt der Radler. Bei Rot über die Ampel, freihändig gegen die Einbahnstraße, mit Karacho durch die Fußgängerzone, das hält er für sein Menschenrecht auf Freizügigkeit. Einzelfälle, wie der 90.000 Mitglieder schwache, aber lautstark trompetende Fahrradclub ADFC abwiegelt? Mitnichten. Mindestens ein Viertel aller Radfahrer ist hochgefährlich.

Darunter Soziopathen, die eine Untersuchung auf Verkehrsuntauglichkeit („Idiotentest“), wie sie auffällige Autofahrer absolvieren müssen, niemals bestehen würden. Forscher, die fanatische Radler interviewten, stießen auf gruselige Seelen-Strukturen. Da wimmelte es von „Geschwindigkeitsräuschen“, „Wonneängsten“ und „Territorialansprüchen“.

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Das spiegelt sich in der Statistik. Rund 70.000 verletzte und etwa 800 getötete Radler werden jährlich aktenkundig. In Wahrheit liegt die Zahl der Verletzten weit höher. Sogenannte Alleinunfälle werden so gut wie nie gemeldet, weil die Fahrer sie selber verschuldet haben. Angefahrene Fußgänger melden sich oft nicht bei der Polizei, weil flüchtige Radler kaum ermittelt werden können.

Eine Repräsentativuntersuchung des Kölner Ifaplan-Instituts im Auftrag des Reifenherstellers Uniroyal ergab: 25 Prozent der Radler waren innerhalb eines Jahres in mindestens einen Unfall, ein hoher Anteil sogar in mehrere verwickelt. Wissenschaftler der Technischen Hochschule Aachen gehen von minimal 240.000 Unfällen pro Jahr aus.

Wer ist schuld? In der Propaganda der Velo-Lobby erscheint der Radler stets als schuldloses Opfer des „Autowahns“. In der Uniroyal-Studie outet er sich dagegen überwiegend als Täter. Fast 56 Prozent aller Unfälle sind Alleinunfälle wie Stürze, meist ausgelöst durch hirnrissiges Tempo. In 19,3 Prozent der Fälle rasselt der Radler mit Fußgängern, in 16,3 Prozent mit anderen Radlern zusammen. Nur 8,5 Prozent entfallen auf Kollisionen mit Kraftfahrzeugen.

Das Hauptproblem - die permanente Belästigung der Fußgänger durch immer unverschämter auftretende Rad-Rabauken - taucht in keiner Statistik auf. Daß einer auf dem Gehweg, wo er definitiv nicht hingehört, wenigstens gemächlich fährt, dezent klingelt, oder gar höflich um Durchfahrt bittet, kommt nur mehr selten vor. Vielmehr brüllt er dich den Weg frei: „Hau ab, Idiot!“ Neueste Masche sind Pfiffe aus der Trillerpfeife, nach dem Vorbild New Yorker Fahrradkuriere.

Dr. Rainer Schönhammer, Autor eines Buches „Zur Psychologie der Fortbewegung“, analysiert die Aggressivität vieler Radler aus ihrer Motorik heraus: „Der Schwung des Radfahrers macht den Fußgänger, ja die ganze Welt zum Hindernis. Gebremster Schwung macht ihn wütend, denn der Kern von Wut ist immer die Einschränkung von Bewegungsfreiheit.“ Die Übersetzung ins Radlerdeutsch steht auf patzigen Aufklebern, erhältlich in ADFC-Büros: „Macht Platz - Fahrrad kommt!“

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Der Club ist ein eingetragener Denunziantenverein. Seine Mitglieder versorgt er mit Formularen für Anzeigen gegen Falschparker. Dabei sind die Hilfssheriffs selber täglich für Anzeigen gut. Eben noch Leute erschreckt, behindert, gefährdet - und im nächsten Moment andere bei der Obrigkeit anschwärzen. Im Schnellgang von Mr. Hyde retour zu Dr. Jekyll.

Der Radler ist eine gespaltene Persönlichkeit. Von seinem markierten Territorium beißt er Eindringlinge wild klingelnd weg, selbst wenn er sie mühelos umkurven könnte. Am liebsten fährt er auf dem Bürgersteig - zur Rede gestellt, erfindet er die dämlichsten Rechtfertigungen („Bin Mutter“). Selbstgerecht und jähzornig, gleicht er nur zu gut seinem Haßobjekt, dem Autofahrer. Auch der weiß ja immer eine Ausrede, weshalb er säuisch parkt.

Wie bloß wurde aus dem einst als sanften Umweltfreund gerühmten Velozipedisten diese Landplage? Angefangen hat es Ende der 70er Jahre, im Dickicht der Uni- und Alternativo-Kieze. Dort, wo Sandalenchristen barmen, das Volk möge von der Geißel Automobil erlöset werden. Wo die Spielstraßen-Ini die Tempo-30-Demo jagt, wo der 2001-Shop seine Apokalypse-Studien verramscht. Dort, wo Rotgrüne ihre verkehrspolitischen Morgenthau-Pläne schmieden.

Das Reich der Latzhose erhob die Radelei zur Ersatzreligion. Der Pedalritter bekam den ökologischen Heiligenschein. In „alternativen“ Fahrradläden hängen noch vergilbte Schilder: „Allein im Personenverkehr sparen wir Fahrradfahrer mehr Erdöl ein, als es uns die Atombefürworter und multinationalen Technokaster mit ihrem strahlenden Wahnsinn an Energie liefern können.“

Wir, die Öko-Batmen! Rächer der geschändeten Natur! Ein Flugblatt der Berliner Reifenstecher-Gang „RAF“ („Radikale Auto Feinde“) fordert: „Radfahrer, bildet Banden! Die neue revolutionäre Klasse sind wir. Wir haben die besseren Bodys, wir sind fitter als die schlaffen Säcke hinter dem Steuer ihrer stinkenden Blechkästen. Wir können die Macht Nr. 1 in der BRD, den Automobil-Ölindustrie-ADAC-Clan, stürzen. Autos, verpißt euch!“

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Zwar glauben heute nur noch wenige, das Velo könnte den Planeten retten. Die Lackkratzer-Guerilla, darunter eine Berliner Truppe mit dem schönen Namen „Die RADikalen“, löste sich mangels Subversions-Bock auf. „Politisch bewußtes“ Radeln degenerierte zum banalen Massensport, angekurbelt von der erzkapitalistischen Freizeitmüll-Industrie. Der gemeine Radler von heute ist beileibe kein Weltverbesserer. Bloß ein ganz ordinärer Rowdy.

Lange jedoch wurden Radler als Gutmenschen verhätschelt, jede Dreistigkeit wurde ihnen nachgesehen. Derlei Permissivität ist nun passé. „Plötzlich“, wundert sich der Leiter der Verkehrsstaffel Hamburg-Mitte, „beschweren sich viele Leute massiv über rücksichtslose Radfahrer“.

Sogar im radlerfreundlichen Freiburg/Breisgau, Deutschlands heimlicher „Öko-Hauptstadt“, riß den Bürgern der Geduldsfaden. Und auf dem Hamburger Alsterwanderweg, wo Rudel von verschwitzten Mountainbikern ihr Hockenheim wähnen, beobachteten Fußgänger hämisch, wie sich zwei aufeinander geknallte Rad-Rambos die Nasen polierten.

„Mit dem Verkehrsmittel ändern wir unser Verkehrsverhalten“, sagt der Psychologe Schönhammer, Experte für die Wirkung von Design auf Menschen. „Das Mountainbike ist der GTI der Radszene. Wer in dieser Stierhaltung fährt, kriegt Dampfwalzenmentalität.“

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Und wo ist der friedensbewegte Holland-Radler auf dem berühmten grünen Logo („Umwelt schützen, Rad benützen“) geblieben? Die Wirklichkeit sieht so aus: Auf einem bulligen Nishiki-Bike mit dem treffenden Modellnamen „Maniac“ rast ein keuchender „Mad Max“-Epigone durch Grünanlagen und Fußgängerzonen. Rüstung: „Nightmare“-Helm, „Pirate“-Radlershirt mit Totenkopfzeichen, Knieschützer, Handschuhe, Surferbrille. Die Stiefel auf scharfkantigen Bärentatzen-Pedalen, die Hände am Stierhorn-Lenker Marke „Scorpion“, der einem Fußgänger beim Aufprall zuverlässig die Rippen bricht.

Bloß nicht den Radweg benutzen! Dort kann man keine Fußgänger terrorisieren, keine Autos behindern. No fun. Ohne Licht zu fahren ist Ehrensache. Der Dynamo würde Djangos Stahlroß um mindestens 0,5 km/h langsamer machen - unzumutbar. Der Renner ist zudem von allem schützenden Blech befreit. Messerscharf ragen Zahnkränze hervor. Wenn er in einen Fußgänger kracht, braucht der einen guten Chirurgen.

Dann ist da der Adrenalin-Junkie mit angewachsenem Walkman und 5000-Mark-Rennrad: fährt seine Tour de Trance grundsätzlich mitten auf der Straße, weil nur dort die spaghettidünnen Reifen so richtig in Schwung kommen. Für wen bauen die Kommunen millionenteure Fahrradwege? Für ein paar Muttis, die darauf brav zum Kindergarten radeln? Die Fahrradlobby fordert selbstredend alles: neue Radwege für Bummler und Straßen frei für Turbo-Radler. Demnächst wohl auch Rad-Spuren auf der Autobahn.

Ihren finalen Kollaps verdankt die Verkehrsmoral den irren Radkurieren. Diese „wahren Helden der Metropolen“ („taz“), unter ihnen trainierende Triathleten, haben mittlerweile ganze Innenstädte in No-go-Zonen verwandelt. Viele Passanten haben Angst, den durchtrainierten Rabauken Paroli zu bieten. Deren hochgeputschter Adrenalinspiegel macht sie leicht erregbar. Auf Vorhalt pöbeln sie sofort los, schlagen auch mal zu, ordern bei Bedarf über Funk Verstärkung.

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Solange diese Truppe täglich demonstriert, was man sich im Schutze der Anonymität ungestraft leisten kann, ist jede Mark für Verkehrserziehung rausgeschmissenes Geld. „Die Kinder sind auch schon ziemlich versaut“, findet ein Zivilfahnder, der Desperados in Hamburgs City auflauert. Die Beamten beobachten immer öfter auch junge Frauen, die sich kaum noch um Verkehrsregeln scheren. Das war bislang eine Radler-Fraktion, die noch halbwegs zivilisiert fuhr.

In machen Städten machen jetzt Streifen Jagd auf die Rad-Raser; Rotlicht-Sünder müssen bis zu 125 Mark Strafe zahlen. Die Aktionen sich aber hauptsächlich PR-Futter für die Presse, Placebos für die Öffentlichkeit. Man muß diese Frechheit erlebt haben, um sie zu glauben: Da wird einer wg. Freihändigfahren verwarnt, kommt sogar ohne Bußgeld davon. Und radelt weiter - freihändig natürlich.

Ist die verkorkste Verkehrsmoral überhaupt noch zu liften? Appelle, Belehrungen, Erziehung? Für die Katz. Kennzeichenpflicht? Bei einem Bestand von über 70 Millionen Rädern unrealistisch. Geldbußen? Helfen soviel wie gegen Falschparker. Und wann wird schon mal kontrolliert?

Wirklich disziplinieren könnte nur die Drohung mit Punkten in der Flensburger Kartei. Jeder Radler - abgesehen von einem Häuflein Ideologen, armer Schlucker und chronischer Säufer - ist ja auch Autofahrer. Und darauf darf man wetten: Sobald es draußen ungemütlich wird, steigt unser Umweltfreund ganz schnell um. In die stinkende, kuschelige Blechkiste.



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