Das kleine 1X1 fuer Demos und Aktionen

Ueber den Umgang mit Repression und der Situation in Luxemburg



Nach den seit Jahrend schwelenden Auseinandersetzungen hat die Repression mit dem Polizeieinsatz gegen die RTS (Bericht) und schlussendlich den massiven Auseinandersetzungen mit den belgischen Stahlarbeitern auch in Luxemburg endgültig ein neues Niveau erreicht. Plastikgeschosse, Tränengas, Wasserwerfer, das ist die neue Realität, die durchaus nicht überraschend kommt. (Siehe auch "Die nächste Runde ist eröffnet" ) . (Sowie auch hier ). Es ist kaum anzunehmen, dass der Staat dieses Repressionsniveau zurückfährt, denn immerhin ist 2005 der EU Gipfel und auch da werden die Repressionsorgane alles tun, den Widerstand auf der Strasse klein zu halten.

Damit wir auf diesen Ansturm der staatlichen Gewalt nicht kopflos reagieren, sondern die Situation als eine Chance zum solidarischen Agieren begreifen, soll im folgenden nochmal die Basics für Demos, Aktionen und Repression zusammengefasst werden.

Es gibt natürlich viele Arten von Demos und Aktionen. Die lokale Ostermarsch-Latschdemo könnt ihr natürlich etwas gemütlicher angehen ; aber nach den jüngsten Ereignissen kann es nicht schaden, sich lieber zuviel als zuwenig Sorgen zu machen, darum gehen wir in diesen Erläuterungen mal vom schlimmsten Fall aus.

Dies vorweg : Wir wenden uns dabei gegen jede künstliche Auftrennung in "friedlich" und "militant" usw. Wir sind gegen jede verschwommene Diskussion über Radikalität, Gewalt und Militanz, die ohne klare Begriffe und Theorien nicht fruchtbar sein kann. Fallt nicht auf die von Medien und Polizei vorgegebenen Kategorien rein. Alle Aktionsformen haben ihre Vorteile und Nachteile ; klärt für euch selbst je nach Situation welches Verhalten euch sinnvoll und angemessen scheint.
Zum Allgemeinen Verhältnis zur Polizei : Die Polizei ist die Exekutive, das Repressionsorgan dieses Staates, den wir abschaffen wollen. Das ist ihr Zweck. Mit ihnen Konflikte "ausdiskutieren" zu wollen ist Blödsinn. Leider gibt es auf jeder Demo immer wieder die Szene daß ein mehr oder weniger großes Grueppchen Leute aufgeregt durcheinanderschreiend irgendwo mit irgendwelchen Polizisten rumdiskutieren. Sowas bringt nicht nur nix, sondern es schafft auch schlechte Stimmung und lähmt die Aktion. Manchmal fährt die Polizei auch ganz gezielt eine solche "totlaber" und "Konfliktmanagment" Strategie, bei der geschlossenes Handeln gerade so verhindert wird, weil einzelne Teile der Menschen sich in Diskussionen verwickeln lassen und alles andere gelähmt wird. Das gilt natürlichg auch umgedreht. Leute, die bei der ersten auftauchenden Uniform anfangen zu schreien und nur noch die Polizei fixiert sind, sind genauso peinlich. Generell gilt : Macht lieber euer Ding, und beachtet die Polizei nicht mehr als notwendig. Natürlich können wir mehr oder weniger konfrontativ sein, je nach Form und Ziel einer Aktion. Aber die Perspektive sollte immer gezieltes und solidarisches Agieren bleiben.


1) Gute Vorbereitung

Eine Demo ist nicht immer nur ein Spaziergang und wie sich gezeigt hat ist auch eine RTS nicht immer nur Party. Eine richtige Vorbereitung gehört also dazu.

Bildet Banden : Versucht, niemals alleine zu Demos und Aktionen zu gehen. In einer Gruppe unterwegs zu sein, schützt davor bei Kontrollen und Nachhauseweg unbemerkt weggehaftet zu werden, und es hilft in stressigen Situationen ruhig zu bleiben.

fit sein: Stundenlanges Herumgewusel kann ganz schön anstrengend werden. Darum versucht nach Möglichkeit auszuschlafen und ausreichend zu essen und zu trinken. Auch von Alkohol&Drogen lasst ihr im Vorfeld normalerweise besser die Finger - sie beeinträchtigen Reaktions- und Wahrnehmungsvermögen. Nehmt aber unbedingt Wasser und Nahrung mit.

Kleidung : Zieht euch der Situation angemessen an. Wichtig ist Kleidung, in der ihr euch wohlfühlt und schnell und beweglich bleibt. Schuhe sollten sowohl zum rennen wie zum Klettern geeignet sein. Stellt im Zweifelsfall auch euer Ego hintenan und kleidet euch etwas unauffälliger als beim Punk-Konzert (Es sei denn natürlich für eine Pink&Silver oder Karneval-Aktion). Sehr zu empfehlen sind Wechselklamotten im Rucksack, die ihr nach einem Wasserwerfer/Tränengas-Einsatz anziehen könnt, bez. wenn ihr aus irgendeinem Grund darauf angewiesen seid, nicht wiedererkannt zu werden. Wenns etwas heftiger hergeht, denkt an Handschuhe (hilft gegen Fingerabdrücke, Stacheldraht Splitter und ermöglicht das Zurückwerfen von Tränengasgranaten). Auch einen Schal o.ä. mitzunehmen ist nie doof, beachtet aber daß Vermummung in der Öffentlichkeit in Luxemburg zumindestens theoretisch verboten ist (Tip : mensch kann sich auch ganz gut einfach mit einem um den Kopf gewickelten T-shirt vermummen) . Nierengurte, Gelenkschoner und andere "passiv-Bewaffnung" (wie einst die Tutti Bianche) u.ä. sind ebenfalls je nach Situation sinnvoll. Ohrringe und Piercings zieht ihr am besten aus oder überklebt sie mit einem Pflaster, das kann sonst hässliche Verletzungen geben.

Nur das Nötigste : Nehmt unbedingt euren Personalausweis und je nachdem eine Telefonkarte mit. Adressbücher (darauf sind die Bullen scharf), unnötige Telefonnummern und interne Papiere irgendwelcher Gruppen hingegen lasst ihr auf jeden Fall zuhause. Auch Fahrräder und anderes hinderliche Zeugs bleiben besser woanders. Kinder und Hunde müssen ebenfalls nicht unbedingt in stressige Situationen mitgeschleppt werden.




2) In Aktion

Ordnung ist das halbe Leben : Bleibt in eurem Gruppen zusammen. Es ist sinnvoll, euch einen Gruppennamen zu geben, so daß ihr nicht ständig jede(n) einzeln mit Namen rufen müsst. Je nach Aktionsform kann es nicht schaden, sich unterzuhaken und in Ketten zu gehen, das ermöglicht geschlossenes (Vor)gehen bei guter Stimmung - und erschwert es (Zivil)PolizistInnen sich unter die Leute zu mischen. Bei Polizeiangriffen ist es auf jeden Fall sinnvoll, Ketten zu bilden. Durch zusammenschließen und ein bisschen zurückdrücken läßt sich oft schon viel erreichen. Panik und Wegrennen ist dagegen meist das falscheste was ihr tun könnt. Oftmals können Übergriffe allein durch das geordnete Kettenbilden und Stehenbleiben abgewehrt, das Spalten der Demo, das Rausziehen von einzelnen Personen und das Liegenbleiben von Verletzten verhindert werden. Immer versuchen ruhig und geschlossen zu bleiben, dann kommt es auch nicht zu Situationen die völlig eurer Kontrolle entglitten sind. (Und auch nicht dazu daß einzelne Personen von uns sich Führer aufspielen und Aktionen zu lenken versuchen).

Im Gegensatz zu Deutschland sind Kessel und Massenprügeleien u.ä. in Luxemburg nicht üblich, schon wegen fehlender Polizeikräfte. Die Luxemburger Polizei trainiert ihre Riot-Einsätze zusammen mit der Belgischen Polizei - und wendet (zumindest nach den bisherigen Erfahrungen) auch eine ähnliche Taktik wie diese an : dabei treibt eine mittelmässige Anzahl von Bullen die Menschenmassen auseinander oder zurück, wobei die Wasserwerfer gerne auch schon vor dem Schlagstock eingesetzt werden. Parallel verhaften Greiftrupps gezielt einzelne Personen oder machen Jagd auf kleinere Gruppen , während der Rest zurückgedrängt wird. In der Vergangenheit haben sich in Luxemburg insbesondere gewisse Sonderschlägertrupps - manchmal zivil gekleidet- durch übermässige Arroganz und rücksichtlose Brutalität immer wieder hervorgetan. Hunde und Pferde werden dagegen noch kaum eingesetzt.

Deshalb auch nach der Demo unbedingt wieder zusammen nachhause gehen. Oftmals werden gerade, wenn schon alles gelaufen zu sein scheint, Leute abgegriffen.

Luxemburger Polizeieinheit beim Vorrücken gegen Demonstranten
Wasserwerfereinsatz
ZivilBulle (was für ne Fresse) beim Filmen während der RTS,
rechts unten ein verhafteter Partygänger
Zivi-Prügelbullen (etwas älteres Foto, entstanden während Aktion gegen Abschiebung)


Wie bereits erwähnt, können Kleidertausch und Vermummung hilfreich sein wenn ihr aus irgendeinem Grunde nicht auf Fotos oder Überwachungsbändern erkannt werden wollt. In dem Zusammenhang sei auch nochmal darauf hingewiesen, daß es absolut doof ist, Fotos von Aktionen oder Menschen zu machen/veröffentlichen, ohne das vorher abzusprechen, was leider immer wieder vorkommt. Es wär nichts neues daß Polizei Filme beschlagnahmt oder Internetseiten durchforstet (dies gilt auch für Nazis) in der Hoffnung Personen identifizieren und zuordnen zu können.

Bei grösseren Anlässen gibts normalerweise "legal teams" die ausserhalb des Gefahrenbereiches bleiben und die Antirepressionsarbeit koordinieren, und bei denen ihr euch melden könnt, wenn ihr Übergriffe oder Verhaftungen beobachtet oder erlitten habt. Wenn solche Gruppen vorhanden sind, wird zu Anfang darauf hingewiesen. Macht Übergriffe auf jeden Fall öffentlich.




3) Bei Festnahmen und danach

Wirst du festgenommen, laut schreien oder so, um die Menschen auf dich aufmerksam zu machen. Je nach Situation einschätzen, ob es sich lohnt, noch wegzulaufen ; bez. für Aussenstehende, ob es möglich ist Leute wieder zu befreien.

Wenn sie euch dann doch einmal haben, heisst es ruhig bleiben und nicht einschüchtern lassen. Spätestens nach 24 Stunden müssen sie euch freilassen oder aber einen richterlichen Haftbefehl vorweisen koennen

Vor allem aber : nix zu Sache sagen. Weder mit den Bullen noch mit Mitgefangenen (Big Brother ist unter uns) über die Umstände deiner Verhaftung diskutieren, und gegenüber der Staatsmacht absolut keinerlei Aussagen machen. Nur was auf dem Personalausweis steht, sonst rein GAR NIX ! Nicht zu den Aktionen, den politischen Gruppen, nicht zu euren Gewohnheiten, nicht zum Wetter und nichts zu sonst irgendetwas. Was auch immer ihr vorbringen wollt, behaltet es für euch. Alles was ihr der Polizei sagt, wird nur gegen euch verwendet. Wenn es zu einer Anklage kommt, habt ihr später immer noch genug Zeit mit einem Anwalt abzuquatschen was ihr sagen wollt. Fallt nicht auf "böse Bulle, guter Bulle" Spiele rein, unterschreibt keine dubiosen Protokolle usw., und verlangt für alles beschlagnahmte Zeugs eine Quittung.

Wenn ihr wieder draussen seid, schreibt Berichte und macht diese öffentlich. Das, was sie wollen, dich alleine herausgreifen und einschüchtern, funktioniert nur solange, wie du ihr Spiel mitspielst. Wenn wir uns gemeinsam wehren, funktioniert ihre Vereinzelungsstrategie nicht mehr. Wenn ihr nach einer Personalienfeststellung/Verhaftung nochmal eine Vorladung von der Polizei bekommt, werft sie in den Müll. Ihr seid nicht verpflichtet irgendeine Aussage zur Sache zu machen, noch überhaupt dahin zu gehen. Wenn ihr Post vom Gericht kriegt, ist die Sache schon heikler. Hier unbedingt einen Anwalt oder zumindest eine Rechtshilfegruppe kontaktieren.




4) Verletzungen

Wenn Menschen auf dem Boden liegen, versucht, Panik zu vermeiden und Ketten um die Verletzten zu bilden, so daß sie geborgen werden können. Verletzte niemals alleine lassen, sondern ausserhalb des Gefahrenbereiches bringen, versorgen und beruhigen, denn oft genug kommt zu den Verletzungen auch noch ein Schock. Leider ist es in Luxemburg bisher noch nicht üblich daß es Demosanis gibt, deshalb ist es sehr angebracht selbst ein Minimum an Erste-Hilfe Materialen dabeizuhaben. Ruft im Zweifelsfall (Kopfverletzungen, Verdacht auf innere Verletzungen usw.) aber lieber auch sofort einen Krankenwagen.

Leider ist Verletzungen zufügen eine der Sachen, die die Polizei besonders gut drauf hat. Darum kann es nicht schaden, wenn ihr wenigstens ein bisschen Ahnung von den Waffen, Techniken und deren Wirkung habt. Die Seite der autonomen DemoSanis bietet hier einen guten Einblick.

Tränengas ist auch in Luxemburg sehr in Mode gekommen und wird mittlerweile gern gegen "Chaoten" eingesetzt. Klassisches Tränengas ist nicht wirklich ein Gas, sondern ein Aerosol , d.h. kleinste Kristallteilchen die durch diverse Trägerstoffe auf verschiedenste Arten freigesetzt wird : zB. in Geschossen/Granaten, aus handlichen Sprühgeräten oder als Wasserwerferzusätze. Tränengas wirkt sowohl über die Augen wie die Atemwege. Das heute gebräuchlichste ist Pfefferspray (OC/"Oleoresin capsicum") , ein verdünnter Pfefferschoten-Extrakt, das angeblich weniger gefährlich und doch wirksamer ist als die alten CN/CS -Stoffe. Gegen Tränengas hilft natürlich am besten eine Gasmaske. die sowohl Augen wie Atemwege abdeckt. Wenn eine solche nicht zur Hand ist, ist eine normale Atemmaske (mit Wechselfilter) oder wenigstens ein Schal sinnvoll, für die Augen am praktischsten eine Schibrille. (schützt auch vor fiesen Gummigeschosstreffern im Augenbereich). Entgegen zirkulierenden Gerüchten ist es nicht zu empfehlen, Schals in Essig/Zitronensaft zu tränken, weil sich darin dann die Kampfstoffe gefährlich ansammeln ohne daß ihr es merkt.
Die erste Hilfe bei Tränengas ist das Augenspülen. Dafür braucht ihr eine Flasche mit Leitungswasser, am besten geeignet sind so Radfahrerflaschen mit kleinerer Öffnung. Öffnet das Auge mit den Fingern einer Hand Lege den Kopf des verletzten Menschen so zurück, dass Du gut an die Augen herankommst. Haltet den Kopf schief, damit das Wasser nicht das Tränengas von einem Auge in das andere spült. Stelle Dich zum Augenspülen am besten hinter die verletzte Person. Jetzt das Auge ohne Druck von der Nasenwurzel her nach aussen spülen, solange, bis der Schmerz aufhört.

Andere Verletzungen stammen meist von Knüppeln, Schlägen, Hebeln und Wasserwerfern. Die Polizei in Luxemburg benutzt verschiedenste Arten von Gummiknüppeln (zur Riot-Ausrüstung gehört etwa ein langer dünner Stock) sowie Tonfas. Ihr könnt versuchen, auszuweichen und abzuwehren, im Zweifelsfall aber lieber wegrennen als den Helden spielen. Gegen die Gelenkhebel und "Polizeigriffe" hilft eigentlich auch nur ausweichen und darauf achten, daß sie nicht eure Hände und Arme zu fassen kriegen. Auch ein Wasserwerfer kann eine ganz schöne Wucht entfalten, hier hilft alles was den Strahl ablenkt oder dämpft, zB. Rucksäcke, Schilder aller Art usw. Bei Verhaftungen benutzt die luxemburger Polizei die üblichen Plastikfesseln - wenn ihr sie angelegt kriegt, spannt eure Hände an und kreuzt die Gelenke, dann können sie sie nicht so fest zuschnüren. (zu enge Plastikfesseln verursachen nachhaltige Verletzungen)

Ein Demonstrant wird verhaftet
Diverse Sprühgeräte für Pfefferspray (nicht polizeispezifisch)



5) Zu guter letzt

Das sind alles nur Tipps, wie sie aufgrund der bisherigen Erfahrungen formuliert werden können. Sie ersetzen nicht eure eigene kritische Reflexion und gründliche Vorbereitung, und schützen nicht vor blauen Flecken ; und auch nicht vor neuartigen Situationen. Wir denken aber, daß es für Luxemburger Verhältnisse - wo das aktuelle Eskalationsniveau erstmal noch neu ist und die Polizei noch recht unerfahren- schon sehr viel hilft, wenn diese Tipps in die Praxis umgesetzt werden. Dies sind natürlich alles Defensiv-tipps. Es gibt natürlich auch immer Leute,die sich Sachen überlegen wie die Polizei etc. anzugreifen wäre ... aber das ist allerdings strafbar, deswegen werden wir euch hier auch nix dazu sagen, denn Gesetze sind ja dazu da dass mensch sich dran hält (oder?) Es sei dabei auch darauf hingewiesen, dass die Luxemburger Justiz nicht gerade zimperlich ist, Menschen in U-haft zu stecken und anzuklagen auch für Kleinigkeiten, also macht keine Dummheiten.

Wir haben uns bei der Abfassung dieses Textes natürlich an dem klassischen Klassiker inspiriert, der Roten-Hilfe Broschüre "was tun wenns brennt", die ihr auf http://www.rote-hilfe.de/finden könnt. Zum Thema Aussageverweigerung noch immer lesenswert : ein älterer Text aus der Radikal

In dem Sinne, wir machen diese Welt, wie sie uns gefällt ..... solidarisch,

AK Anarchie&Antirepression