Es war einmal in einem kleinen Bauernhaus, das am Rand eines Dorfes lag, wo ein alter armer Bauer mit seiner Frau wohnten. Jeden Tag trug der Bauer die Brennhoelzer auf dem Ruecken und ging durch einen Wald in die Stadt. Dort verkaute er die Brennhoelzer. Eines Wintermorgens ging er wie sonst durch den Wald. Es schneite, und der Pfad im Wald war mit tiefem Schnee bedeckt. Als er an einem Teich entlang ging, hoerte er ein schrilles Schreien des Vogels.
"Was koennte es sein, dieses Schreien?" dachte er.
Er schaute im Erstaunen nach vorn. Da sah er einen Kranich, der in einer Schlinge gefangen war und mit den Fluegeln heftig schlagte. Der Kranich schaute den Bauer traurig an und schrie, als ob er bei dem Bauer Hilfe suchte.
"Ach, armer Kranich, ja, ja, ich werde dir Hilfe leisten", sagte der Bauer.
So warf der Bauer die Brennhoelzer vom Ruecken hin und rannte zu dem Kranich. Er entfernte die Schlinge von dem Bein des Kraniches. Der Kranich verbeugte sich ein paar mal vor dem Bauer, nachdem er befreit war. Dann schlagte er mit den Fluegeln und flog hoch empor davon. Der Bauer sah dem Vogel nach mit Zufriedenheit.
Es schneite weiter bis in jenen Abend. Als der arme Bauer mit seiner Frau nach dem Abendessen am Herd sassen, waehrend seine Frau etwas naehte, hoerten sie jemand an der Tuer klopfen.
"Bitte oeffnen Sie die Tuer!" es war die Stimme eines Maedchens.
"Wer koennte es sein? In dieser Schneenacht!" sagte der Bauer.
Er ging zu der Tuer und oeffnete; da stand ein Maedchen im Strohmantel. Es sagte:
"Verzeihen Sie, ich habe mich verirrt, darf ich hier uebernachten?"
"Ach so, du hast dich verloren, in diesem tiefen Schnee kann man sich den Weg leicht verlieren. Mein Haus ist weder gross noch bequem. Aber wenn du hier uebernachten willst, kannst du es schon", sagte der Bauer.
"Ach, dein Kopf ist mit soviel Schnee bedeckt. Komm! kommm hierher zu dem Herd!" sagte die Frau des Bauers.
Das Maedchen dankte dem Bauer und seiner Frau, und so hatte es seine Herberge in dem Bauernhaus.
Am naechsten Morgen stand das Maedchen sehr frueh auf. Es putzte, es kochte. Es hatte das Bauernhaus sehr sauber gemacht, und das Fruehstueck gut vorbereitet. Es arbeitete sehr fleissig. Nachdem es den Bauer und seine Frau "Guten Morgen" gruesste, sagte es zu ihnen:
"Ich habe eine Bitte. Meine Eltern sind schon verstorben. Ich sollte mit meinen Verwandten leben, also habe ich meine Heimat verlassen und bin hierher gekommen. Bis gestern habe ich ueberall meine Verwandten gesucht, aber ich konnte sie noch nicht finden. Darf ich hier ein bisschen laenger in Ihrem Haus noch bleiben?"
Der Bauer sagte: "Wenn es so geht, kannst du hier als unsre Tochter bleiben, Wir haben ja keine Kinder und werden gern dich hier in diesem Haus haben."
"Ja, ja", sagte die Frau des Bauers auch, "wir werden dich gern als unsre Tochter haben, obschon wir arm sind."
Das Maedchen wurde dann die Tochter der Bauern geworden. Am Abend bat es den Bauern und sagte:
"Mein Vater und meine Mutter, ich habe eine Bitte."
"Ja, was ist es?" fragte der Bauer.
So sagte das Maedchen weiter:
"Ich kann weben, bitte bauen Sie mir eine Weberei, dass ich darin weben kann."
"So, so, gut, wir werden schnell dir ein Haeuschen als deine Weberei hinter dem Haus bauen", sagte der Bauer.
Das Maedchen sagte weiter:
"Ich habe noch eine Bitte, ...wenn ich in der Weberei arbeite, bitte gucken Sie niemals hinein."
"Warum denn nicht?" fragte der Bauer.
"Bitte fragen Sie das nicht", antwortete das Maedchen.
"Wenn du so gesagt hast, dann werde ich nicht hinein gucken", sagte der Bauer.
"Ich werde auch niemals in die Weberei hinein gucken", sagte auch die Frau des Bauers.
Der Bauer baute sofort eine Weberei hinter dem Haus. Als die Weberei fertig gebaut war, webte das Maedchen in der Nacht darin. Man hoerte das Geraeusch der Maschine in der Weberei bis in die tiefe Nacht. Nach drei Naechten kam das Maedchen aus der Weberei und gab dem Bauer und seiner Frau ein Stueck Gewebe. Endlich hatte es naemlich ein Stueck Gewebe fertig gemacht. Das Gewebe war sehr schoen, wie man so etwas schoenes Gewebe noch ehe gesehen hatte.
"Wie heisst dieses Gewebe?" fragte der Bauer.
"Es heisst der brokatene Koeper", antwortete das Maedchen, "Gehen Sie in die Stadt und Sie koennen das Gewebe sicher mit gutem Preis verkaufen. Von nun an, werde ich noch jeden Tag weiter weben."
Der Bauer ging eines Tages in die Stadt mit dem Gewebe, um es zu verkaufen. Am Abend wartete seine Frau auf seine Rueckkehr und naehte etwas am Herd dabei. Sie hoerte das Geraeusch der Maschine aus der Weberei und dachte:
"Das ist unglaublich! Wie ist es moeglich sein, dass man mit solchen groben Zwirnfaeden so schoenes Gewebe daraus machen koennte? Ich will einmal in die Weberei hineien gucken.....Nein, nein, ich habe es versprochen, das nicht zu tun. Aber, ich moechte wirklich wissen,.. ja, nur einmal hinein gucke,..ja, ich werde heimlich einmal hinein gucken."
Sie schlich leise nach der Weberei und guckte durch das Fenster hinein.
"Ah!, .." auf einmal rief sie erschrocken.
"Ah!, .." rief das Maedchen auch auf einmal in der Weberei.
Die Frau des Bauers lief eilig nach dem Haus zurueck, sass auf dem Stuhl und atmete heftig vor Schrecken.
Dann kam der Bauer von der Stadt zueruck und war guter Laune.
"Hahaha, wie froh bin ich heute, der brokatene Koeper habe ich mit einem erstaunlichen, hohen Preis verkauft", sagte er.
"Aber.., aber.., unsre Tochter ist ein Kranich. Ich guckte durch das Fenster und sah einen Kranich in der Weberei weben", sagte seine Frau.
"Nanu? Ein Kranich? Warum guckst du in die Weberei?" fragte der Bauer.
"Bitte um Verzeihung! Ich wollte nur einmal wissen,..einmal wissen", sagte seine Frau.
Zu dieser Zeit kam das Maedchen von der Weberei zurueck. Es beugte sich vor den beiden und sagte mit den Traenen in den Augen:
"In Wirklichkeit bin ich der Kranich, dem Sie vor kurzem im Wald geholfen haben. Um Ihre Wohltat zu erweisen, komme ich hierher, um bei Ihnen mein ganzes Leben lang zu arbeiten. Der brokatene Koeper habe ich mit den Federn meiner Brust gewebt. Aber nun haben Sie meine wahre Gestalt des Kraniches gesehen, ich kann nicht mehr in menschlicher Gestalt bleiben. Ich muss deshalb von Ihnen Abschied nehmen. Bitte bleiben Sie beide immer gesund...."
Das Maedchen ging weinend aus dem Haus. Eilig liefen der alte Bauer mit seiner Frau nach ihm. Ploetzlich verwandelte das Maedchen in einen Kranich. Der Kranich machte ein trauriges Schreien und flog empor in die Luft. Er kreiste ein paar mal ueber das Bauernhaus und dann verschwand in dem Abendnebel.