AUFFI MUASS I (der Berg ruaft)

Der eigentliche Umzug (Mutter's Idee) zog sich ueber ein halbes Jahr hin, so hatte ich im zweiten Schulhalbjahr 1977 genug Zeit, den Abschiedsschmerz ausgiebig auszudehnen. Als das Haus dann verkauft war, erwarben wir einen VW Camper und sahen uns endlich noch rasch die USA an (Mutter wollte das), bevor unsere Habseligkeiten in Deutschland ankamen und wir in die Schule mussten. In den drei Monaten war ich weniger an den vielen wunderbaren Sehenswuerdigkeiten und Mausohrmuetzen bei Disney interessiert, hing doch diese dunkle Wolke der Ungewissheit stets ueber mir.
Vom Flug weiss ich nicht mehr viel - dunkel wars, ganz dunkel; der genaue Tag des Exodus ist heuer ein alter Streitpunkt in der Familie (war eh kein Grund zum Feiern). Mitte September. Wurst, egal, wie mir alles andere auch egal war.
Ich wusste zur Zeit nur, dass mir Gumpersdorf irgendwo im Bayerischen Wald (Mutter's Vorschlag) nicht so sehr gefiel wie Dettingen/Erms (Vater's Vorzug) und Reutlingen, wo ich wenigstens ein paar Vetter hatte, die ich kannte und recht gern hatte. Obwohl wir zu viert waren und ein Unentschieden damit durchaus moeglich war, wurde nun ploetzlich der Ort des Loewlschen Wurzelschlagens zwischen besagter Tuer und Angel gewaehlt, weil mein Vater eh arbeitlos, wir eh keine Wohnung hatten und es allmaehlich Zeit wurde, von der herbstkalten Gasse zu verschwinden. Wo es der Mehrheit besser gefiel. Auf einmal. Oh, danke, wie demokratisch. Ich gab meine Stimme Amerika, wurde versaeckelt, waehlte dann widerwillig das kleinere Uebel, Dettingen.

Da meine Mutter noch in USA ganz unvorhergesehen schwanger geworden war und nun im Januar/Februar '78 ein Kind erwartete, rueckte Die Freudige Rueckkehr sowieso in gaaaaaaaaaanz weite Ferne. Okay. Wenn schon, dann lieber in der Naehe von der (jungen) Verwandtschaft leben, dachte ich. Die Alten waren unser Ratgeber bei der Abstimmung gewesen und, zufrieden, dass wir sie und den Landkreis Reutlingen vorzogen, uns danach mehr oder weniger ignorierten.
Alptraum City. Wir lebten nun bei einem Alki-Schwippschwager meines Vaters in seiner Jungesellenwohnung bis wir was Besseres fanden. Das dauerte aber geschwind ein paar Monate. Und Dettingen war eben Dettingen.
Das 7. Schuljahr zu wiederholen schien sinnvoll, um die Sprachfertigkeit zu verbessern. Meine erste Schulstunde war Englisch, war okay. Nicht okay war, dass man einen kaugummikauenden, turnschuhtragenden, baseballmuetzeschwenkenden Ami erwartete, nicht ein Bub im nagelneuen NATO Parka. Die Kinder waren herb enttaeuscht.
In Amerika pruegelten wir uns oft bloederweise, um eine macho Rangordnung zu erstellen. Nun war ich in Dettingen besonders aggressiv, zum Teil weil ich schlicht nicht der Depp/Mops/Rettich sein wollte. Wohin sonst mit der Wut? Man blieb nach kurzem Kennenlernen von mir weg. Es gelang mir jedoch, mich schnell in ein neues Maedchen zu verlieben. Wenigstens die Hormone kannten keine Sprachbarrieren. Sehr nuetzlich war das aber nicht.

Die Schule gefiel mir nicht, weil es Religionsunterricht gab und ich keine Ahnung von der Sache hatte. Bei den Amis war Staat und Kirche getrennt. Alle anderen standen kurz vor ihrer Kommunion und Konfirmation und ich stand halt nur da in meinem kurzen Hemd. Als dieser Ami nicht mehr ganz die Sensation darstellte und er scheinbar nicht von seinen heidnischen Angewohnheiten weichen wollte, mochten die Pfarrer beider Glaubensgemeinden ihn nicht taten- und sanglos inmitten ihrer Schaefchen dasitzen sehen, da kam ihnen die Idee, ihn in die B-Klasse zu den ueberwiegend auslaendischen Schuelern zu stecken, die statt Englisch (das der Ami ohnehin konnte) Deutsch B nahmen. Welch super Idee, warum leuchtete das dem Rektor nicht von vornherein ein? So kam ich fast schon wieder in eine neue Klasse mit mehr Fremden, diesmal Kids die Deutsch - und manchmal sich selbst - auch nicht so recht beherrschten. Das schien mir eher ein Hindernis zu sein, denn ich wuerde ja mit meinen Klassenkameraden reden - oder auch nicht, sollte ich sie nicht verstehen. Ausserdem war meine Chri an der A Klasse und diese musste ich einfach anstarren.
Aber keine Sorge, denn nach 2-3 Monaten dieser gottlosen Situation in Dettingen fand sich eine billige Wohnung weit weg von der (wie es sich herausstellte) buckligen Verwandtschaft (Mutter's Einsicht). In St.Johann-Wuertingen auf der Schwaebischen Alb, gleich hinter jenem Sonnenfelsen, las man, gabs eine Wohnung fuer ganze DM 350 pro Monat. Der Amiseggl, dem "infolge Umstellungschwierigkeiten kein Zeugnis gegeben" werden konnte war weg, dort wo er wirklich hingehoerte, zu den Ungehobelten. Aetsch.

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