EIN ESELTREIBER AUF DER ALB

Auf der Alb spielte man abends beim Kurt Poker oder ging immer oefter mit den Gamsbichlern und anderen Autofahrern fort. Der Frank hatte einen Spechl mit den "Lederhosen"-Filmen des "Regisseurs" Dieter Lemke, die im Hinterzimmer des Uracher Residenztheaters spielten. Das war echt wie ein Wohnzimmer mit Tischen und Stuehlen (stets mit einer Handvoll Huelbener drin). Rauchen war erlaubt.

Die Stars des Genres: Dolly Dollar (Krebs, hatte mal eine Bar in Muenchen-Schwabing), Bea Fiedler (Krebs, hatte angeblich Prinz Albert's Kind, liess sich in "Praline" oder so schwanger fotographieren), Sybille Rauch (Jungfrau, aus den "Eis am Stiel" Filmen, ihre XXX-Hardcore Karriere bei Teresa Orlowski (Loewe) begann 1987) Cleo Kretschmer (Steinbock, von ihr weiss ich nichts mehr, sorry, ich bekam nicht alles mit was wichtig war). Lemke's "Arabische Naechte" ist vergesslich, aber der Titelsong "Arabian Affair" vom Abdul Hassan Orchester ein Klassiker.
Der Inhalt eines Filmes wie "Drei Dirndl in Paris" ist schnell erlaeutert: Kaum in Paris angekommen treiben sie es drei Blondinen mit saemtlichen Einheimischen und dem Eiffelturm - nur sieht man den Akt als solches nicht, da ist nur nacktes Gehopse und Gewackele. Wie heuer das "Programm" auf RTL.
"Husaren"-Filme waren so dermassen schlecht, dass sie fast schon wieder gut waren. Textprobe:

"Setz dich auf mein Schoss, holde Maid." Glucker, Kicher. "Ich muss dich aber warnen, ich hab sehr spitze Knie." Kicher, kicher, raschel, raschel.

"Du verrueckter Soldat, schwing dein Dolch nicht in der Stube umher. Du wirst mich noch verletzen."

"Na, dann ab in die Scheide mit dem Schwert. Haha!"

So ein Dreck. Aber dafuer gab ich nunmehr mein Geld aus. Unglaublich. Sprit fuers Mofa war nicht mehr notwendig.
Lieber haette ich die Serie "Schluchtenflitzer" im TV wiedergesehen. Sie dokumentierte die Mofazeit naemlich hervorragend und mit viel Witz. Nur war die ehemals gesunde Zweiradindustrie dank der eigenen Gesetze so gut wie tot. Kreidler, Zuendapp, alle machten Pleite. Es gab kein Zurueck mehr. Niemand wollte mehr etwas von Mofas wissen.

Die aelteren Jungs kauften sich schrottreife Autos und fuhren bei Nacht und Nebel auf den Wiesen herum, bis die Karren zerstoert waren. Wir gingen mit Waffen in den Wald. Das Loch im "Anlieger frei" Schild, das im Taele am Feldweg zur "Villa Werz" steht, koennte theoretisch von mir sein. Aber, hey, es waren auch andere Luemmel unterwegs. XT 500 Besitzer fuhren hinter den Geraeteschuppen vorm Mond eine Schneise ins Gras. Rauf und runter, rauf und runter. Die "Nazi"-Helme im Friedhof verschwanden immer wieder.
Der Faxe fing eine Elektrikerlehre an, wechselte aber dann zum Metzgerlager. Endlich oiner der mo dia elendige Wurschdhaude vom Tisch ra ziaga ko.
Der Jaiser wurde Schmied im Lautertal, affte seine Altgesellen nach. Anstatt ihm das Schmieden beizubringen, fuellten sie seine Birne erstmal mit "alter Tradition". Von hinten packte er uns staendig an den Eiern: "Soh! Han di!"
Dieses "Soh!" wurde sein leidiges Markenzeichen: "Soh! Kanns nit verstiehn. Soh!" Dabei bueckte er sich vornueber und die warf Ellenbogen hoch, sah a weng aus wia an Gockeler. Soso.

Bizarrer Zwischenfall: Ich sass mit dem Ivan und seinem Schwager, dem Peese, am Brunnen. Neben dem Baecker wohnten zwei Reiter-Girls. Auf ihrem Plattenteller spielten sie Led Zeppelin IV. Der Peese und ich gingen rueber und fragten ob sie es fuer uns nicht ein Quentchen lauter machen koennten.

"Kommds doch eini." Die waren aus - Muenchen.

Wir waren gerade beim Small Talk als die die Gamsbichlerbrueder hinzukamen und sich nach kurzer Begruesssung gleich an die Maedchen machten. Der Peese und ich sassen da. Sich hoeflich verabschieden schien angebracht. (ahem) So. (hust) Soh! Adele, danke fuer die, aeh, Musik. Mhmnnhmhmh. Reitertussis. Gamsbichler. Noi, noi, noi.
Die originale Godahidde-Clique war am Ende. Hatten wir zum Schluss gar zwei Mopedler aus Urach zu Gast, fiel die Gruppe um 1982 rasch auseinander.
Als Autos immer mehr als primaeres Transportmittel verwendet wurden, splitterten die Leute in kleine Gruppen, fuhren wohin sie wollten und mit wem sie wollten. Ein unbeliebter Mofarocker war als Anhaengsel gerade noch ertraeglich, aber in im eigenen Auto wuerde man ihn nie mitnehmen. Es sei denn, er hatte selber ein Pkw. Dann sah er schon wieder anders aus.

Andersrum musste man etwa als Gast in Glitzi's BMW seine Kassetten anhoeren ("This is Germany calling, da-da-da-daaa!"), weil er der Kapitaen seines 520s war; manchmal a Seggl, aber immer der Chef. Er quatschte mit seinen Freunden per CB Funk (d.h. die fuhren oft solo in ihre PKW ans gemeinsame Ziel, um just dies Spielzeug auszunutzen).

"Wia schnell faehrsch, Tonscho? 110? Mein 'Dacho' zeigt 100 an. Waaaa, du mit diam scheiss Obbl. Waaaaa, ond dia Heizeelferrari, Sportunimog, Kugelporsche. Waaaaa, an readr BMWeeeh.. Henzler Ultra, Schnitzer Turbo, Alpina Tuning... Es war einmal ein Ford Escort, den trugen bald die Englein fort."

Schlechte Karten. Gabs fast nur noch die Schule als Entertainment. Wir schwaenzten weiterhin zusammen, bis der Kurt krank wurde. Er brachte Den Plan durcheinander, so nahm er sich nach einer Woche des Krankseins erneut jede zweite Woche frei, waehrend ich nun jeden Dienstag um 11 Uhr Feierabend machte. Aus Prinzip. Hab den Originalplan mit dem Neuen Plan verbunden. Pah. Bis zu meinem 18. war es nicht mehr weit.
Ich meldete mich viel zu spaet bei der Fahrschule an. Das noetige TBT-Geld fuer die Anmeldung und den Passfotos rueckte meine Mutter auesserst ungern heraus. Beim Sehtest bei der theoretischen Pruefung stellte man fest, dass mein rechtes Auge eine Sehschwaeche hatte. Ach, is nich wahr!!! Nee, das ist mir noch nie aufgefallen, ihr Huadsembl.
Was nun? Zum Augenarsch, einen TUV-genehmigten Test machenlassen: "Sie sind vielleicht blind und wissen es nicht. Das kann nur der Arzt feststellen." Super. Einfach der Mutter einen Krankenschein entreissen, gschwind einen Termin ausmachen (dauert beim Augenarzt ja keine 4 Monate), absolut kein Problem. Wenn man mir das schon vor der Anmeldung gesagt haette, waere alles in DER Butter gewesen. Aber so verlor ich kotzbare Zeit.
Ich bekam eine Brille verschrieben, die meinem minimalen Leiden nicht half. Aber das wurde gross im Labba vermerkt: "Muss geeignete Augenglaeser tragen, Hoechstgeschwindigkeit 130 kmh, Hoechstlast 3,5 Tonnen." Man verstehe den logischen Zusammenhang? Mein Augen waren zu schwach um 7,5 Tonnen zu lenken. Noi, noi, noi. Den Brillenvermerk liess ich wieder ganz offiziell mit Schein und Stempel und Gutachten streichen (ja, das geht) aber jeder Bulle danach fragte mich trotzdem nach der Brille/den Kontaktlinsen.
Anyway, blieben (nach dem erfolgreichen Betteln um mein Ferienjob-Lohn) nur noch die praktischen Fahrstunden; dafuer musste ich nach Reutlingen. So schwaenzte ich noch mehr Stunden, stoppte oft, um die Rundreisezeit zu verkuerzen. Typen in der Lederjacke nahm man nicht so gern mit, da schleppte ich eine leere Schultasche unterm Arm.
Zum anhaltenden Autofahrer: "Ja, glaubt man das? Ich hab schon wieder den Bus nach Reutlingen verpasst. Noi, noi. Ich muss doch in die Schule!"

"Welche Schule ist das? Ich fahr Dich hin." Aeh, Stammel, Stammel.

Schule. So ein Witz. Am Wandertag trampelte die Klasse an den Uracher Wasserfall, dann dinierten wir an einem kleinen Weiher irgendwo in dieser Gegend. Die Karin (aus Liadrich) hatte einer ihrer beruehmten Aussetzer, sprang ins truebe Wasser bis zum grosszuegigen Arsch und plapperte wirr:

"Jetzt guggad ihr bleed. Was hend ihr mit mir?"

Drogen, eindeutig. Oder maybe war sie hoffnunglos in den Jahraus verliebt. Jahraus, jahrein, dieselbe Sau.
Von den Weibern in der Klasse war eigentlich nur die Dagmar Bosler sehens- und hoerenswert. Die sass aehnlich da wie die Kazi, hatte aber ein bissle mai auf de Rippa. Waren ihre Zaehne nicht perfekt, gleichte es ihre Persoenlichkeit spielend wieder aus. Aber hey, ich hielt die Elke Sonntags im Arm, das war noch vieeel besser.
Schlimm: Fahrstunden, Schwaenzerei; war ich anwesend, gabs trotzdem unglaublich langweiligen Unterricht. Was tun? Zeichnen, Spielchen spielen. Da, der Buehler (aus Orschel) war ein lockerer Typ. Er machte aus seiner Vesperbrot- Alufolie Baellchen und warf sie herum. Zirkel her, aufspiessen, da Beel, Feuerzeug unters Kiegale - soh! - schoen heissmachen. Nun zurueck zum Buehler damit, vorsichtig vom Zirkel "schiessen". Es trifft den Buehler am Arm, er bueckt sich, hebt den Ball auf. AAAUAAA!!!! Ups. Buehler nahm sein Ball und ging nach Hause. War wohl doch nicht der "Spieler" wie mein Guno es war. (Uns Buehler machte Bodybuilding und brachte ein kleines, federndes Handgeraet mit zur Schule, um seine "Todeskralle" zu staerken. Der Jahraus beschlagnahmte es waehrend einer Klassenarbeit und staerkte damit quietschend seine eigene "Kralle des Todes". Hoffnungslos.) Die Stadtkinder waren alle eh viel langweiliger, stellte ich vor langer Zeit schon fest.
Nicht so unser Freund aus der Parallelklasse. Er musste unbedingt auf dem zugefrorenen Teich vor der Schule spazierengehen. Die halbe Schule schaute ihm dabei zu. Ich sah den Kurt an:

"Der hat soh! ein Dusel. Wenn wir das Eis nur scheel anschauen, bricht es 100% und sticht uns ein Auge aus."

"Das kann doch nicht halten..."

Wie die zwei alten Knacker aus der Muppet Show drehen wir uns gleichzeitig wieder dem Schauspiel zu. Die Pointe folgt sogleich. Dem Kerl nimmt es die Fuesse wie von Geisterhand bewegt hoch, sein Arsch formt die Keilspitze seines Koerpers, die ein schoenes Loch durchs Eis schlaegt. Es sah aus, als saesse er in einer zu kleinen Badewanne. Jetzt aber ganz schnell raus! Der hat vielleicht nach fauligem Algenwasser gestunken, leck Fett. Was hatten die Schueler des kaufmaennischen Berufskollegs Teil I denn mit dem Baden in Brackwasser waehrend der Schulzeit? Hatte das mit "BAD" Urach zu tun? Kam ich nicht mit.
Es gab nur noch den Sonntag, auf den ich mich richtig freuen konnte. Die Elke und ich tratschten, machten eklige Geraeusche, sprachen von der Zukunft. Jaja, die Zunkunft... Es gab keine Zukunft, jedenfalls nicht fuer uns. Aus Eigenbedarf hatten uns fei naemlich die Reicheneckers den Mietvertrag gekuendigt; ihr erstes Kind war unterwegs. Und meine Mutter hatte endlich den Anlass, Urasche und Grund (= Worte aus dem Deutschunterricht in der 8.) in der Hand, vo dr Alb ra zu ziehen. Hallelujah.
Von alleine waere sie nie draufgekommen, sass stattdessen herum und moserte ueber die Zustaende, wie sie es 14 Jahre in Amerika getan hatte. Aber schnell genug fand sie Gelegenheit ueber die horrenden Mietpreise im Tal zu keifen. Manche Leute... Der Umzug unseres enormen Berg Rempels im kleinen VW Camper wuerde Wochen dauern. Obacha.
Meine Elke meinte, wir koennten uns ja weitersehen, die Liebe kenne keine Grenzen, usw. Ich wusste as besser. So eine Love Story gabs nicht in meiner Familie. Ich schau dir auf die Ohre- aeh, in die Augen, Kleines. Pfiadi Gott...
Und nun hatte ich echt die Schnauze voll. Ich verliess die Schule - leck mich ganz sportlich am T-Konto, Jahraus, machte meinen Fuehrerschein fertig (die Autobahnfahrt fuehrte uns freilich ins Olympiagelaende zu Muenchen; die DM 1400 TBT-Geld deckten den DM 800 Fuehrerschein ohne Wechselgeld), schrieb eine einzige schwindsuechtige Bewerbung an die Malerwerkstaette Heinrich Schmid (Malen, Zeichnen ist doch dasselbe), wurde angenommen ("wir nehmen auch Sonderschueler"), zog um, faulenzte den Rest des Sommers, bis ich im September von Metzingen-Neuhausen aus die Lehre antreten sollte.
Matt Dillon, deine Zeit auf der Alb war vorbei.

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