D'R STUBAHOCKER OND SAINE FLIAGA

Die Kazi hielt ich also nur im Traum fest. Maybe war mein Erwachsenwerden doch ein wenig voreilig gewesen. Ich brauchte mehr Haare auf der Brust. Nee. Ich brauchte mehr Zeit. Mehr Zeit, um alle Dinge in einer zweiten Sprache zu lernen, die ich in einer anderen bereits kannte und als "natuerlicher" empfand (das Traeumen, etwa, blieb lange in Englisch, Kazi's Liebesgefluester inklusive). plus was taeglich neu hinzukam.
Wer mich nicht kannte, wusste sobald ich etwas sagte, dass ich nicht von St. Johann stammte. Das begann mir bald laestig zu werden. Sogleich durfte ich dem Neugierigen meinen Lebenslauf zum 100. Mal abklappern, dabei wusste kaum jemand wo das alles war, wovon ich laberte. Zum Zweiten war nicht jeder einem Reingeschmeckten freundlich gesinnt.
Besser Inkognito. Sogar der einzig andere Auslaender den ich bis zu diesem Zeitpunkt in Wuertingen kannte, beherrschte den Slang. Er war Tuerke; Der Oemer ('s Fleerle). Also setzte ich mich hin und machte Geraeusche, stundenlang, tagelang, bis sie sich phonetisch richtig anhoerten. Wenn einer von Anfang an falsch intoniert, wird er den Akzent kaum mehr los. Schwarzenegger's "Englisch", etwa, ist direkt aus dem Oesterreichischen uebersetzt, nach all den Jahren in USA hat er es nicht "verlernen" koennen. Ich finde es zerstoert die Glaubwuerdigkeit seiner "Schauspielerei". Na, dann lieber gleich richtig.
Zusaetzlich nahm ich mir eine Zeitung, las irgendwas vor: "Lasst Blumen sprechen."
Hm. "Lend Blohma schwaetza?" Maybe.
Das klappte nicht immer, "Luga" und "Luaga" verwechselte ich, sagte: "Lugabeitl". Das verriet mich als Stuemper, als Luagabeitl: "Du bisch et vo Wiirdenga. Mo kommsch her, Buale?" Na, dann ueben wir noch mehr, maybe beim Betreiben des Hobbys.
Mein Kofferradio war stets auf AFN eingestellt als ich an meiner Spur Z Eisenbahnanlage bastelte. Jenseits Ding. A reada "Moggolotiv". In Urach machte der Spielwaren Rapp (?) dicht, da nahm ich meine Liste und kaufte was ich konnte mit meinem DM 15 Taschengeld.
"Wa witt Du? Komm, mach nohra."
"Haben Sie das Teil 3-4-5-8?"
"Was? - Drui - Feif - ?"
"3-4-5-8."
"Seggl, gib her, da Zeadel. Vieradreissigachtafuffzig moinsch. Noi, hemmer nimmi. Verschwend. "

Dann gabs zur Unterhaltung noch das Fernsehen. Unsere Zimmerantenne (GEZ war "uns" zu teuer, das Programm eh wertlos) empfang die (damals) drei lausigen Sender sehr selten (je nach Wetterlage), die Schweiz gar nicht. So blieb nicht viel uebrig. Draussen war es immer kalt, regnete viel zu oft. Das Skifahren konnte ich mir nicht leisten; beim laestigen Skitag durfte ich mit den Weibern wandern. Ich bekam vom "Reizklima" Ekzeme, Bronchitis vom Schimmel in den Ecken meiner Stube. Irgendwann fing dann auch der Heuschnupfen an. Als die franzoesischen Hubschrauber beim Manoever auf den umliegenden Wiesen landeten, flog der Pollenstaub umher und ich konnte zwei tagelang nichts mehr sehen.
Das Problem war zum Teil, dass viele Schulkameraden nach der Schule in der Landwirtschaft mit ihren Eltern schafften. Da stapfte mein Schualr Ottmar fluchend ueber die Wiese, das Kalb am Strick fuehrend und es ab und zu mit dem Stiefel tretend. Er hatte keine Zeit fuer mich. Und schlichtweg: Wir hatten nichts gemeinsam. Dann war meine neue Schwester war noch viel zu jung um sie aergern zu koennen. Blieben als lebendige Wesen im Hause nur noch die Fliegen ("Mugga") und Muecken ("Schnoga", "Staunzen" in Niderbayern). Mensch, war das konfus.

Diese Tierchen waren freilich allgegenwaertig wegen der frischen Luft der Landwirtschaft, der Guelle auf den Feldern und der Pfuetze am Balkon. Ohne den in Amerika ueblichen Fliegenfenstern ("Muggagiddr") kamen sie bei jeder Oeffnung der Fenster und Tueren hereinspaziert. Und direkt in den Tod.
Meine erste Waffe gegen sie war eine Pistole die ganz dicke Gummibaender exakt auf das angepeilte Ziel schoss. Irre. Das daraus resultierende Geschmier aus Innereien und Madeneieren an Tapeten und Gummis war dann doch zu ekelhaft. Ich schoss sie manchmal mit dem reinen Luftdruck aus dem Luftgewehr ab.
Die Fliegen versteckten sich bei Kaelte gern in den Rolladenkaesten. Rollte man sie herunter, krabbelten hier und da welche herum und suchten sich ein Versteck. Wenn eine so bloed war durch die Loecher zwischen den Latten ins Freie gehen zu wollen, liess ich den Rolladen sausen. Das gab auch eine Schweinerei, nur trennte sie das Fensterglas von mir. Sauber. Dass die Rollos ueberhaupt noch tun....

An Silvester aus Geldmangel boellerlos, nahm ich meine Schrotflinte (wir hatten schon immer ein kleines Arsenal zu Hause (wegen der Fliegen, wohlgemerkt)) und gab ein paar Schuesse gen Nachthimmel ab. Das Niederprasseln der vielen Bleikuegelchen auf das Haus war ein extra Bonus. Niemand merkte, was da los war.
Am 1.1. rannte ich die Gassen auf und ab und klaubte jeden Blindgaenger, jedes Judafierzle auf und nahm es nach Hause. Ich schnitt alles auf und bastelte aus den verschiedenen "Pilverla" einige ganz hervorragende Boembchen. Einmal hatte ich den Schreibtisch voll mit den verschiedensten Effekten und war gerade dabei, den Deckel auf ein neues Experiment festzukleben. Ein Funke - wer weiss woher - entfachte eine kleine Hoelle auf der Arbeitsplatte. Gruen, Rot, Wunderkerzen, Streichhoelzer, Schwarzpulver, Kaliumnitrat; alles brannte lichterloh. Die Rauchentwicklung im Zimmer war unglaublich, der Schwefelgeruch aetzend. Balkontuer, alle Fenster auf! Da stand schon der Vater in der Bude. Und die Fliegen kamen trotzdem rein...
Eine Fliege mit einer Stecknadel durch den Fluegel festzuhalten und dann mit dem Vergroesserungsglas zu roesten war spassig, oder mit ein wenig Schwarzpulver zu verkohlen machte ebenfalls Laune. In anderen Worten ich mochte die Viecher nicht.
Obwohl meine Mutter diesbezueglich derselben Meinung war wie ich, hielt sie sich paradoxerweise eine Fliege als Haustier. Kein Witz: Diese flog nicht dauernd davon, sondern sass brav auf dem Arm, sprang meiner Mutter auf den Finger wie ein kleiner Wellensittich. Natuerlich moegen das die Menschen, wenn wilde Tiere parieren; Pudel sollen tanzen, Katzen durch Ringe springen. Das ist "suess". Doch eine Fliege bleibt fuer mich stets eine dreckige Bazillenschleuder. Ich haette das instinktlose Viech locker in den Tod spazierenlassen. Doch meine instinktlose Mutter gestattete das nicht. Ja klar, vielleicht war das ihr reinkarnierter Vater, oder so. Hobby Hindu auf der Alb.

Mein neuer Freund aus der Jungenschaft, der kleine Stefan (der zum Ivan heranwuchs), zeigte mir mal wie er seine Mugga fing. Von oben auf sie runterblasen, immer naeher ruecken, immer naeher. Dann schwupp! ansaugen. Gefangen zwischen den Lippen! Mann, ich hasste sie, ich wolle sie nicht kuessen, Buale!
Er hatte mehr Tips fuer mich, aber das mit dem Tesa auf den Pfoten von Katzen, oder Tabasco auf ihre Aerscher zu schmieren war mir dann doch zuviel des Guten. Ich lief auf der Stelle. Der Frust begann mich wieder einzuholen. Die Schultern beugten sich unter der Last.
Kruzifix. Mein Leben brauchte einen Sinn, wengistens eine Ablenkung von der schwarzen Tapete mit mir Fliegenmuster in meinem Zimmer. Endlich, Hallelujah. Allah sei gepriesen. Ein Geschenk an meinem 15. Geburtstag lieferte die Freiheit. Knallrot.

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