An Edmund Singer.


Lieber Freund!

Ihren ersehnten Brief erhielt ich erst gestern, da er erst nach Aranyos-Maróth gegangen war, von wo er nach Pilis-Maróth, das ich mitterweile verlassen hatte, dann nach Gran und endlich nach Pest expediert wurde. Ich wusste mir Ihr langes Schweigen nicht zu erklären und fürchtete schon, mein Brief sei verloren gegangen. Leider bekam ich von Ihnen eine abschlägige Antwort, doch sehe ich Ihre Gründe ein und "kann nichts tun als mich beklagen". Ich hatte mich schon mit der Idee befreundet, Sie als Zierde meines nächsten Konzerts anzukündigen, und trug die Keime der für Sie bestimmten Komposition mit mir herum, so dass ich mich jetzt ungern von dem Sinnen darüber trenne, doch muss es gegenwärtig sein, da andere Aufgaben meiner harren. Da Sie mir übrigens versprechen, mich übernächsten Winter durch Ihre Mitwirkung in meinem Konzert zu beehren, so will ich das fragliche Violinkonzert bis zu jenem Zeitpunkt für Sie verfassen, wenn nicht unvorhergesehene Hindernisse dazwischen kommen.

Ihr ausführliches Schreiben hat mich sehr interessiert und erfreut; wenn Sie mir auch fernerhin manchmal Mitteilungen über musikalische Verhältnisse draussen im Reiche machen wollten, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Ihr Karlsruher Bericht scheint mir der Wahrheit näher zu kommen als die Zeitungsartikel, die ich darüber las. Wäre es mir möglich gewesen, dem Musikfest beizuwohnen, so hätte vielleicht auch manche meiner Ansichten eine Modifikation erfahren; Herrn Poppers Leistung hätte mir sicher wohlgetan. Dieser Künstler soll mein Cellokonzert neulich im Leipziger Gewandhaus auch sehr schön gespielt haben.

Sie sind so gütig, von meiner D-Moll-Symphonie Gutes zu vermuten; ich weiss nicht, ob sie gerade so gut oder schlechter ist, als ich's im besten Falle kann, aber ich habe mir doch damit Mühe gegeben und bin bis jetzt mit dem Erfolge zufrieden. In Dresden gibt am 6. Dezember die Hofkapelle dieses Werk, und sollte sich Stuttgart auch bald zu einer Aufführung entschliessen, würde ich mich recht freuen.

Ich gratuliere Ihnen hiermit zu Ihrer Königl. Württ. Kammervirtuosenschaft, danke auch schön für Ihr Konterfei und würde Ihnen noch mit einigem Pester Klatsch aufwarten, wenn ich nicht annehmen müsste, dass Sie damit regelmässig versehen werden. Dr. Hunyady geigt noch immer mit Passion, Dunkl ist Musikalienhändler in Wien geworden, Neményi gab drei Konzerte. Sonnabend soll man den Fidelio zu hören bekommen; im Deutschen Theater spielt einer gar Klavier und tanzt dazu, wenn er nicht gerade mit dem linken Fusse den Bass auf den Klavier spielt!! -- Thern ist auf ein Jahr nach Leipzig gegangen, um dort seine zwei Söhne in der Musik weiter ausbilden zu lassen, vielleicht sehen Sie ihn. Leben Sie wohl, empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin. Wie geht's Herrn Pruckner? Grüssen Sie ihn von mir. Endlich wünsche ich Ihnen besten Erfolg auf Ihrer bevorstehenden Konzertreise.

Ihr
 aufrichtiger Freund
  Robert Volkmann



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