II. Kapitel
DER KRIEG IM OSTEN

1534 bis 1691 :
Als Folge der Entdeckungen der spanischen und portugie-
sischen Seefahrer breitet sich die europäische Kultur auch in
der Neuen Welt aus. Die Seemächte Spanien, Portugal und
später England und die Niederlande werden durch die Aus-
beutung dieser Kolonien reich. Während Spanien Peru und
Mexico plündert, beginnt Portugal mit der Eroberung der Ost-
küste Brasiliens. Im Jahre 1541/42 unternimmt Orellana, ein
Kampfgefährte Pizarros, seine historische Reise quer durch
den südamerikanischen Kontinent. Er befährt als erster den
Amazonas, den er nach den kriegerischen Frauen benennt, die
ihm angeblich auf seiner Fahrt begegnet sind. Nach seiner
Rückkehr in die Neue Welt stirbt er im Jahre 1546 im Mün-
dungsgebiet des Amazonas an Malaria. Zu diesem Zeitpunkt
beginnen Engländer und Holländer, die Zuflüsse des Amazo-
nas zu erforschen. Im Jahre 1616 gründet der Portugiese Cal-
dera Castello Branco im Namen des vereinten portugiesischen
und spanischen Königreiches Belöm. Von hier aus beginnt die
eigentliche Eroberung Amazoniens durch die Portugiesen.
Hauptfigur ist Pedro Texeira, der Orellanas historische Reise
im Jahre 1637 in umgekehrter Richtung wiederholt. Am Zu-
sammenfluß ries Rio Aguarico und Rio Napo setzt er im Na-
men Portugals die spätere Westgrenze Brasiliens fest. 1641
stirbt Pedro Texeira, der sich rühmte, 30 000 Wilde eigenhän-
dig getötet zu haben. Nach Schätzung ries Jesuitenpaters An-
tonio Veira ermorden die portugiesischen Eroberer in einem
Zeitraum von dreißig Jahren zvvei Millionen Urvvaldindianer.

iio

DIE ANKUNFT DER WEISSEN BARBAREN IM OSTEN

Wo ist der Stamm der Ruhm Der Wächst? Was ist aus
den Inkas geworden, den Söhnen Der Sonne ? Wo sind der
Stamm der Großen Stimme, der Stamm der Unrat-Ver-
zehrer und viele andere der einst mächtigen Völker der
Entarteten? Habgier und Gewalt der Weißen Barbaren ha-
ben sie dahinschwinden lassen wie Schnee in der Sonne.
Einigen wenigen ist die Flucht in die Tiefen des Waldes ge-
lungen. Andere haben sich in den Baumkronen versteckt,
wie der Stamm der Auf Den Bäumen Lebt. Dort hat er
keine Decken und nichts zu essen. Niemand weiß mehr,
wo er ist. Vielleicht ist er auch längst tot. Andere Stämme
sind zu den Weißen Barbaren übergelaufen, die ihnen gute
Worte gaben. Aber gute Worte sind keine Entschädigung
für das Elend ries ganzen Volkes. Gute Worte geben ihm
keine Gesundheit und verhindern nicht, daß es stirbt. Gute
Worte geben den Stämmen keine neue Heimat, in der sie
in Frieden leben und frei jagen und die Felder bestellen
können. Das alles hat mein Volk mit eigenen Augen gese-
hen. Das haben unsere Kundschafter berichtet, die sich tief
in das Land der Weißen Barbaren hineingewagt haben.
Mein Herz tut weh, wenn ich an all die gegebenen Verspre-
chen denke. Aber wahrlich, man kann von den Flüssen
ebensowenig erwarten, daß sie rückwärts fließen, wie man
von den Weißen Barbaren erwarten kann, daß sie ihre
Worte halten. Denn sie sind schlecht und heimtückisch, wie
es in der Chronik niedergeschrieben steht:

Roter Saft rinnt aus den Bäumen. Saft wie Blut. Wie
wirkliches Blut. So sprachen die Boten der Verbiin-
öeten Stämme, als sie zu den Auserwählten Dienern
kamen. Denn auch im Osten waren die'Veißen Bar-
baren gelandet, iuit ihren Schiiren, die lautlos iiher

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die Wasser gleiten und deren Masten bis in den Him-
mel reichen. Mit ihren Waffen kamen sie, die grol-
lend aus der Ferne töten und deren Pfeile man nicht
sieht. So besetzten siedas Land, Das berichteten die
Boten. Und voller Ungeduld warteten sie. Den Be-
schluß des Hohen Rates erbaten sie. Um den Bei-
stand der Götter flehten sie: Verlaßt uns nicht. Gebt
'unseren Männern Waffen, damit wir den Feind aus
dem Land treiben, daß es wieder hell werde im Reich
der Auserwählten Diener. So sprachen die Boten, die
leidenden Krieger, die verzweifelten Männer der
Verbündeten Stämme. Unddie Sonne erwarteten sie,
die des Himmels Gewölbe erhellt und das Antlitz
der Erde. So warteten sie und überbrachten Akakor
die Kunde von der Ankunft der Weißen Barbaren im
Osten.

Zu Beginn des IJ. Jahrtausends ging der Krieg an der
Westgrenze vorläufig zu Ende. Die Spanier waren der ver-
lustreichen Kämpfe müde geworden. Sie verzichteten auf
die Eroberung der Osthänge der Anden und gaben den
Angriff auf Akakor auf. Zwischen ihrem neu entstehenden
Reich und dein Imperium der Ugha Mongulala bildete sich
ein weites Niemandsland, nur bewacht von unseren Spä-
hern. Die Gefahr einer Entdeckung der Hauptstadt meines
Volkes war gebannt. Doch kaum war der Vormarsch der
Weißen Barbaren im Weiten zum Stillstand gekommen, als 
sie auch im Osten des Reiches landeten. Sie besetzten das
Land an der Küste. Mit ihren Schiffen fuhren sie den Gro-
ßen Fluß hinauf bis zu den Siedlungen Verbündeter
Stämme. Wieder brachen Kämpfe aus. Ein neuer Krieg
zwischen den Weißen Barbaren und dein Auserwählten
Volk begann.
In diesem Krieg wurden die Weißen Barbaren zum er-

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.sten Mal überrascht. Die Ugha Mongulala hatten aus der
Vernichtung der Inkas gelernt. Sie vermieden es, ihren
Feinden offen gegenüber?utreten. Nur aus dem Hinterhalt
heraus überfielen ihre Krieger die Abteilungen der Weißen
Barbaren. Gleichzeitig räumten sie auch in diesem Gebiet
alle Städte und Dörfer. Auf ihren Streifzügen fanden un-
sere Feinde nur verlassene Siedlungen vor. Sie litten Hun-
ger und Durst. In den undurchdringlichen Wäldern irrten
sie im Kreis. Viele von ihnen fielen unserer iürchterlichsten
Waffe zum Opfer, dem Gilt, einem Geheimnis der Frühe-
ren Herren. Mit dieser neuen Kriegstaktik gelang es mei-
nem Volk, die Weißen Barbaren über lange Zeit vom
Kerngebiet des Reiches fernzuhalten. Dann traf jedoch ein
unerwartetes Ereignis ein. Zahlreiche Verbündete Stämme
sagten sich von Akakor los. Sie verleugneten das Ver-
mächtnis der Götter und begannen, das Zeichen des Kreu-
zes zu verehren.

DIE VERNICHTUNG DER VERBUNDETEN SI'ÄMME

Der Aufstand derverbündeten Stämme in den östlichen
Provinzen des Reiches begann mit dem Stamm der Zerrge-
sichter. Das am Unterlauf des Schwarzen Flusses lebende
Volk war seit Lhasa mit den Ugha Mongulala verbündet.
Nach der Ankunft der Weißen Barbaren erlag es ihren trü-
gerischen Versprechungen. Der So ooo Menschen zählende
Stamm der Zerrgesichter beging Verrat am Vermächtnis
der Götter und erklärte Akakor den Krieg. Innerhalb we-
niger Monde breiteten sich die Kämpfe über das ganze
Reich aus. Im Quellgebiet des Großen Flusses erhob sich
der Stamm der Ruhm Der Wächst. Seine Krieger überfielen
die Städte in der Nähe des Tempelbezirkes von Salazere
und stießen tief ins Innere ries Imperiums vor. Der Staiini
der Tapir-Töter, der den Weilten Barbaren anfangs will-

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trauisch gegenübergestanden hatte, überrannte die Festun-
gen Mano, Samoa und Kin. Nur wenigen Kriegern der
Ugha Mongulala gelang es, dem Blutbad zu entkommen.
Sie flüchteten sich in die unzugänglichen Waldgebiete am
Unterlaui des Großen Flusses. Im Laufe der Jahrhunderte
haben sich ihre Nachkommen mit wilden Stämmen ver-
mischt. Als äußeres Zeichen ihrer Herkunft bewahrten sie
nur die weiße Hautfarbe der Auserwählten Diener. Das
Vermächtnis der Götter ist ihnen verlorengegangen.
Am verlustreichsten waren die Kämpfe in den Gebieten
im Süden des Reiches. Der mit Akakor verbündete Stamm
der Umherziehenden gab seine alten Wohngebiete auf.
Mordend und plündernd zog er den Unterlaui des Großen
Flusses entlang bis zur Küste des östlichen Weltmeeres, so
wie es in der Chronik niedergeschrieben steht:

Das ist der Bericht vom Abfall der Umherziehenden.
Als sie die Kunde von den bärtigen Kriegern vernah-
min, wunderten sie sich sehr. Warum nicht hinge-
hen? Warum sich die Fremden nicht besehen? So rie-
fen sie aus : sicher bringen sie uns große Geschenke
mit, größer als diejenigen der Auserwählten Diener.
Und so machten sie sich auf. Zum Rand des Meeres
gelangten sie, bis zu den Schiffen der Weißen Barba-
ren. Die bärtigen Fremden empfingen s'ie freundlich.
Klug gingen sie vor. Sie schenkten ihnen feine Klei-
der, glänzende Perlen überreichten sie ihnen. [)as
gaben sie ihnen zum Zeichen der Freundschaft. Da-
nach gelListete es die Umherziehenden so sehr, öall
siedas heilige Vermächtnis der Götter vergallen- Den
Weißen Barbaren lieferten sie sich aus. So ging ihr
Bund mit den Auserwählten Dienern zu EnLle. Lhasa
hatte ihn geschlossen. Heilig war er gewesen. jetzt
verlor er seinen Wert. Nichts als Knochen blieben

))

davon übrig. Aber das Vermächtnis der Götter ist
größer. Es ist stärker als der Verrat der Verbündeten
Stämme. Sein Wesen verliert sich nicht. Es vergeht
nicht, Es,<erlöscht nicht das Bild der Früheren Her-
ren. Nicht in tausend Jahren. Niemals.

Der Verrat der Verbündeten Stämme gefährdete das
Leben der Ugha Mongulala. Um unter den weit überlege-
nen Feinden Verwirrung zu schaffen, griff Akakor zu einer
List. In der Kriegsbemalung der Aufständischen griffen
ausgesuchte Krieger die vorposten der Weißen Barbaren
an, sie töteten die Feinde und ließen Zeichen der abgefalle-
nen Stämme zurück. Die Weißen Barbaren rächten sich
grausam für den vermeintlichen Überfall ihrer Verbünde-
ten. Bald herrschte ein großer, verwirrender Krieg zwi-
schen den Weißen Barbaren, von Akakor abgefallenen
Stämmen, wilden Völkern und den Ugha Mongulala. Die
schwersten Verluste erlitt der Stamm der Umherziehen-
den. Fast das ganze Volk wurde niedergemacht. Der
Stamm der Tapir-Töter flüchtete in die Berge nördlich des
Großen Flusses. Dem Stamm der Ruhm Der Wächst blieb
nur die Unterwerfung unter die Herrschaft von Akakor.

Furchtbar war das Schicksal der Aufständischen. Ihre
Gesichter und ihre Körper, ihre Seelenwaren rotvon
Blut. Ruhelos zagen ihre Schatten durch das Land.
Alle Peinigungen erlitten sie. Getötet wurden sie.
Nicht einer wurde mit dem Leben ,>erschont. Ihre
falschen Herzen bezahlten sie mit dem Tod. Falsche
Herzen hatten sie, schwarz und weiß zugleich. Und
mit dem Tod bezahlten sie ihren Verrat.

Mit dem Abfall der Verbündeten Stämme begann Iler
endgültige Niedergang meines Volkes. Wie Ameisen dran-

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geu die Weißen Barbaren immer weiter,<or. Wurden hun-
de it von ihnen getötet, so kamen tausend nach. Sie bauten
Städte und siedlungen und eirichteten am Unterlaui Lies
Großen Flusses ein eigenes Reich. Eine neue Ordnung
zeichnete sich ab, ohne das Volk der Auserwählten Diener
und gegen das veimächtnis der Götter. Eine Zeit Iler Ifin-
steinis brach an, in dei nur das erschreckenLie Flügelschla-
gen der fliegenden Hunde und das Schielen dei fiulen zu
höien war. Aber bevoi sich die Dunkelheit bis zu den
Grenzen Akakors ausdehnte, brach sie über die Akahim
heiein, das Schwestervolk der Ugha Mongulala.

DER KAMPF DER AKAHIM

Seit dem Erhabenen Göttersohn Lhasa war Akakor mit
Akahim verbündet, der Schwesterstadt in den Bergen von
Parima. Über Jahrtausende tauschten die Ugha Mongulala
und das Volk der Akahim Geschenke aus. Regelmäßig ka-
men Gesandtschaften zu Besuch. Ihre Krieger kämpften
gemeinsam gegen feindliche stämm e. Erst mit der Ankunft
der Goten im zwölften jahrtausend schlich sich Mißtrauen
in das brüderliche Verhältnis. Die Akahim fürchteten sich
vor den übermächtigen Eisenwaffen, sie glaubten, die
Ugha Mongulala wollten sie unterwerfen. Akahim brach
fast alle Verbindungen ab. Nur noch selten kamen Kund-
schafter der beiden Reiche zusammen, um Geschenke und
Opfergaben auszutauschen und die Freundschaft und den
Frieden aufs neue zu bestätigen.
Mit der Landung der Weißen Barbaren ander Mündung
des Großen Flusses nahm die Geschichte der Akahim eine
entscheidende Wende. Durch den Verrat Verbündeter
stämme erhielten die fremden Krieger Kunde von ihrem
Reich, sie rüsteten Schiffe aus und machten sich auf die su-
che nach der geheimnisvollen Stadt. Die Akahim sahen sich
136

vordie gleiche Entscheidung gestellt wie die Ugha Mongu-
lala beim Zusammenbruch des Reiches der Inkas achtzig
jahie zuvor - Kiieg gegen die Weißen Barbaien oder
Rückzug in die Berge von Parima. Um einen blutigen
Kampf zu veimeiden, entschloll sich der Hohe Rat zum
Rückzug. Aber als Llie i jo Ältesten des volkes den Befehl
zum Frieden gaben, geschah etwas, was sich nicht vorher
und auch nicht später auf dem Kontinent zugetragen hat.
Die Frauen widersetzten sich dem Beschluß. Sie stürzten
den Hohen Rat und übernahmen selbst die Macht. Unter
Führung der Tapferen Mena zwangen sie die Männer, Pfeil
und Bogen aufzunehmen und den Weißen Barbaren entge-

genzutreten.

Laßt uns in den Krieg ziehen, So sprachen die
Frauen. Sind wir nicht zahlreich genug, um die bärti-
gen Fremden zu vertreiben? Sind wir nicht stark ge-
nug, um sie zu besiegen? Und die Frauen der Aka-
him erhoben sich. Sie zerbrachen ihre Schüsseln. Die
Töpfe zerschlugen sie. Das Herdfeuer löschten sie
aus. Und sie zogen in den Krieg. Den Weißen Barba-
ren wollten sie ihre Kraft zeigen. Zermalmen wollten
sie ihre Knochen, zu Staub zerreiben ihr Fleisch.

Der Krieg in Akahim gegen die Weißen Barbaren ist ei-
nes der stolzesten Kapitel in der Geschichte der Menschen.
im Bündnis mit den Überlebenden des Stammes der Um-
herziehenden lieferten sie ihren Feinden gewaltige
Schlachten. Mit großen Kanus griffen die kriegerischen
Frauen deren ankernde Schiffe an. Sie schossen Feuerpfeile
in die Segel und setzten sie in Brand. Um ihre Feiniie am
Vormarsch zu hindern, sperrten sie die Flüsse mit iiesigen
Steinen. Wie die Ugha Mongulala zeistörten sie ihr eigenes
Land. So hielten die Akahim sieben Jahre lang dem Alu-

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sturm Iler Weißen Barbaren stand. Sieben Jahre lang töte-
ten sie Tausenile der bärtigen Krieger und fanden selber zu
Tausenden den Tod. Dann war die Kraft der Akahim ge-
brochen. Die Frauen hatten ihren Mut bewiesen und ihr
Volk an den Rand des Untergangs gebracht. Das Wehkla-
gen des Brudervolkes war so groß, daß auch in Akakor
Weinen und Trauer ausbrach.

Rot war die Erde. Rotvon wirklichem Blut. Aber es
war ein guter Tod, den die tapferen Akahim landen.
Es war der beste, Die Kraft ihrer Feinde brachen sie.
Ihre Gebeine zerrieben sie wie Mais zu Mehl. In das
reißende Wasser streuten sie ihre Knochen. Und das
Wasser trug sie davon, durch die Kleinen und die
Großen Berge.

Die Frauen der Akahim, die Amazonen in der Sprache
der Weißen Barbaren, sind tapfere Krieger geblieben.
Trotz der großen Blutopfer konnten sie im Laufe der Jahr-
hunderte das Leben in der Gemeinschaft neu ordnen und
das Vordringen der Weißen Barbaren auf ihr Stammesge-
biet verhindern. Sie trennten sich von den Verbündeten
Stämmen und ordneten das Leben in der Gemeinschaft
neu. Heute leben von dem einst gewaltigen Volk noch
Ioooo Menschen zurückgezogen in den unzugänglichen
Tälern in den Bergen von Parima. Den größten Teil ihres
Lebens verbringen sie in den unterirdischen Wohnstätten
der Götter. Nur zur Jagd und zur Feldarbeit kehren sie an
die Erdoberfläche zurück.
Das Leben der Akahim unterscheidet sich gänzlich ,von
demjenigen meines Volkes. Sie werden von einer Fürstin
aus dem Geschlecht der kriegssüchtigen Mena regiert. Sie
ist die uneingeschränkte Herrsclierin des Volkes. Von ihr
werden die Mitglieder des Hohen Rates, die Feldherren

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und die Beamten bestimmt. Alle hohen Ämter sind den
Frauen vorbehalten. Die Männer dienen als einfache Krie-
ger oder arbeiten auf den Feldern. Selbst der Hohepriester
ist eine Frau. Wie bei meinem Volk bewahrt sie das Ver-
mächtnis der Götter. Seit dem Aufstand der Frauen kennen
die Akahim keine Heirat mehr. Männer und Frauen gehen
nur während der Schwangerschaft einen losen Bund ein.
Nach der Geburt des Kindes wird der Mann von der Frau
wieder verstoßen. Ab dem zwölften Lebensjahr erhalten
die Mädchen in den Schulen der Priesterinnen eine bevor-
zugte Ausbildung in der Kriegskunst und in der Verwal-
 tung des Reiches. Die Jungen sind von diesem Alter an zur
Arbeit verpflichtet. Sie haben keine Rechte und leben wie
Sklaven. Beim geringsten Vergehen werden sie aus dem
Stammesverband ausgestoßen und müssen die unterirdi-
schen Wohnstätten verlassen. Viele dieser Unglücklichen
sind nach Akakor geflüchtet, Hier haben sie sich eine Frau
aus dem Stamm der Ugha Mongulala gesucht und eine neue
Familie gegI.ündet. Denn die Frauen meines Volkes be-
gnügen sich mit der ihnen von den Göttern zu gestandenen
Rolle als treue Dienerinnen der Männer.

Tona war unzufrieden mit ihrem Mann. Unglücklich
war sie. Schwer war ihr Herz. Da ging sie zum Ho -
henpriester und bat ihn um Rat. Hilfe wollte sie. Von
ihrem Mann wollte sie sich trennen. Aber der Hohe-
priester befahl Tona Geduld. Bei ihrem Mann sollte
sie bleiben, bis sie seine zehn größten Fehler nieder-
geschrieben hätte. Erst dann dürfe sie ihn verlassen.
Und Tona kehrte in ihr Haus zurück. Niederschrei-
ben wollte sie die zehn größten Fehler ihres Mannes.
Festhalten wollte sie, was ihr an ihm nicht gefiel.
Aber als sie seinen ersten Fehler entö eckte, fand sie
ihn des Niederschreibens nicht wert. UnLl als sie iieii

139

zweiten Fehler entdeckte, hielt sie ihn für zu gering,
So verging Tag um Tag. Ein Mond folgte dem ande-
ren. Und die Jahre vergingen. Und Tona wurde alt.
Keinen Fehler ihres Mannes hatte sie niedergeschrie-
ben. Glücklich warsie, ein Beispiel für ihre Kinder
und Kindeskinder.

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