Taiwan-Info
,,Taipeh verkörpert die
Zukunft Chinas"
Interview mit dem Politikwissenschaftler Christian Hacke
(Quelle: Hamburger Abendblatt, 13. August 1999)
Von THOMAS
FRANKENFELD Hamburg - Vor dem Hintergrund der
schwelenden Krise um Taiwan hat der Hamburger
Wissenschaftler Christian Hacke eine Neuorientierung der
westlichen China-Politik zugunsten Taiwans gefordert.
,,Die bisherige Politik hat weder unter moralischen noch
unter interessengeleiteten Gesichtspunkten irgendwelche
Ziele erreicht, die wir uns vorgestellt haben",
beklagt Hacke, China-Kenner und Professor für
Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr
in Hamburg. ,,Und was noch schlimmer ist: Wir haben mit der Regierung in Peking ein Regime hofiert, das in den letzten zehn Jahren - um es zurückhaltend auszudrücken - alles andere produziert hat als irgendwelche Werte, die wir im westlichen Wertekanon als adäquat erachten." Es habe sich in Sachen China ein regelrechtes ,,Kartell der Angst" entwickelt, sagt Hacke, ,,immer mit Blick auf den angeblich so lukrativen chinesischen Markt". Und selbst dieser Markt habe sich bisher als ,,hohle Illusion" erwiesen. ,,Gleichzeitig ist jedoch etwas passiert, wo wir schamvoll weggesehen haben: Das kleine Taiwan hat sich nicht nur zu einem prosperierenden Staat entwickelt, sondern auch zu einem demokratisch vorbildlichen Gemeinwesen. Das hat es im Rahmen der chinesischen Geschichte noch niemals gegeben, ja kaum im Rahmen der Geschichte Asiens. Von unserem Wertekanon her hätten wir also allen Grund, Taiwan zu unterstützen. Nicht Peking, sondern Taipeh verkörpert die Zukunft Chinas. Die internationale Aufwertung Taiwans, um nicht zu sagen Anerkennung, ist überfällig." Der Hamburger Wissenschaftler hält trotzt martialischer Signale aus Peking einen massiven Überfall der chinesischen Streitkräfte auf die Insel für ausgeschlossen. ,,Zum einen, weil Taiwan über ausgesprochen schlagkräftige Streitkräfte verfügt und weil zum anderen die USA eine Sicherheitsverpfichtung haben." Folglich könne China subtiler vorgehen, zum Beispiel eine Kombination aus militärischen, wirtschaftlichen und anderen Druckmitteln wählen. Das könnte eine Blockade sein, um Taiwan zu isolieren und um dessen Bevölkerung psychologisch "sturmreif" zu schießen. Das jedoch wäre für die USA problematisch", analysiert Christian Hacke. ,,Es stellte sich dann die Schlüsselfrage: Wann und in welchem Umfang müsste Washington Partei für Taipeh ergreifen ? Eine gewaltsame Lösung würde die USA natürlich sofort involvieren - der US-Kongress würde jeden Präsidenten auffordern, Taiwan militärisch zu verteidigen. Doch schwieriger ist es, wenn Peking nur eine Teil- oder Vollblockade wählt, die sie nach Belieben eskalieren oder deeskalieren lassen könnte. Und selektive Raketenangriffe sind ebenfalls vorstellbar. Ferner könnte China Angriffe auf die Taiwan vorgelagerten Inseln Quemoy und Matsu führen, die allerdings schon einmal 1958 blutig gescheitert sind." Zunächst einmal werde Peking also weiter mit dem Säbel rasseln - wobei spätere Eskalationen nicht ausgeschlossen seien. ,,Es gibt nämlich militante Kräfte in der chinesischen Regierung und den Streitkräften, die durch einen aussenpolitischen Schlag von den prekären innenpolitischen Vorgängen in der Volksrepublik ablenken möchten. Je rückständiger, je reaktionärer eine Weltmacht ist, wie eben China, umso klassischer handelt sie nach diesen völlig überholten Prinzipien." Der Politologe zieht folgendes Fazit: ,,Der Schmusekurs des Westens gegenüber der Volksrep ublik hat weder im Inneren zu Reformen, zu mehr Liberalisierung und mehr Menschenrechten geführt, noch Peking außenpolitisch diszipliniert oder in der Taiwan-Frage gemäßigt. Es ist also Zeit für eine Neubewertung der China-Politik." |