Taiwan-Info
Der Westen und Taiwan
Spagat
Von THOMAS FRANKENFELD (Hamburger Abendblatt, 13. August 1999) |
Dass Politik und Moral nicht immer
ganz deckungsgleich sind, ist keine besonders originelle
Erkenntnis. Doch im Geflecht der internationalen
Beziehungen gibt es in dieser Hinsicht einige besonders
auffällige Phänomene. Eines davon ist die Haltung der
freien und demokratischen Welt gegenüber der
chinesischen Inselrepublik Taiwan. Zur Zeit der
Herrschaft des autokratischen Generalissimus Tschiang-Kaischek
wurde den Taiwanesen vom Westen einst nahegelegt, zunächst
einmal demokratische und marktwirtschaftliche Strukturen
zu entwickeln, um eines Tages salonfähig zu sein. In einer Anstrengung, die beispiellos in der asiatischen Geschichte sein dürfte, hat die kleine Insel ein Gemeinwesen entwickelt, das sich in Sachen Demokratie und Liberalismus sehen lassen kann. Doch die Reaktion des Westens auf diese Erfolgsstory darf ebenfalls als beispiellos angesehen werden: Er warf Taiwan aus der UNO und verweigert ihm als einzigem demokratischen Staat der Welt bis zum heutigen Tag die diplomatische Anerkennung. Dieses politische Kuriosum hat seine Ursache darin, dass sich der Westen goldene Berge aus einem Geschäft mit dem Milliardenmarkt China verspricht und dafür seinen eigenen Wertekatalog außer Kraft setzt. Vor allem die USA vollführen in Sachen China einen bühnenreifen Spagat. Einerseits hat die Clinton-Regierung ohne Not Kernelemente der Pekinger Taiwan-Doktrin übernommen, andererseits hält Washington an der Verteidigungsverpflichtung für Taipeh fest. Die widersprüchliche Position Amerikas resultiert aus der Weigerung, seine völlig überholte Machtpolitik aus den Zeiten der verblichenen Sowjetunion zu überprüfen, als der Flirt mit Peking noch dazu benutzt wurde, um Moskaus globales Gewicht auszubalancieren. Der westliche Kotau vor China und seine lauwarme Reaktion auf dessen Muskelspiele sind nicht nur moralisch problematisch; sie ermutigen das kommunistische Regime zu neuen militärischen Abenteuern. |