Taiwan-Info

Chronologie der politischen Entwicklung Taiwans

 
 

Januar - Juni 1999

   
3.1.1999 Chinas bekanntester Exil-Oppositionelle, Wei Jingsheng, schließt seinen zweiwöchigen Taiwan-Besuch ab. Dabei betonte er, daß Taiwan (wie auch Tibet) über ihre Zukunft selbst entscheiden sollten. Die meisten anderen chinesischen Oppositionellen teilen dagegen die offizielle chinesische Haltung, daß Taiwan ein „untrennbarer Bestandteil Chinas“ sei. Aufgrund der Sympathien, auf die er deshalb in Taiwan stieß, erwägt das von Wei geleitete "Joint Committee for China - Overseas Democratic Movement", in Taipei ein Verbindungsbüro zu eröffnen.
   
4-10.1.1999 Auch in Fernsehdebatten wird die Diskussion innerhalb der DFP über die Gründe für das schlechte Abschneiden in den Dezemberwahlen ausgetragen. Dabei wird diskutiert, ob das Eintreten der DFP für die Unabhängigkeit dafür verantwortlich ist und ob das Parteiprogramm geändert werden sollte, um neue Wähler zu gewinnen, da viele Menschen Sorgen vor einer militärischen Konfrontation mit China hätten. In der KMT wird die alte Forderung der DFP ernsthaft diskutiert, eventuell Referenden zuzulassen. Von der DFP und der "Taiwan Independence Party" (TIP) wurde dies bisher immer gefordert, um eine Volksabstimmung über die Zukunft Taiwans zu ermöglichen.
   
9.1.1999 ff. In Taiwan wird die Frage einer Raketenabwehr gegen Angriffe von China diskutiert. Insbesondere seitdem Nord-Korea im August 1998 eine Rakete abgefeuerte, konkretisieren die USA Pläne, einen solchen Schutzschild für Japan und Süd-Korea zu errichten, in den Taiwan möglicherweise einbezogen werden soll. Taiwan wird heute schon durch mehrere Hundert an der Südost-Küste Chinas stationierte Raketen bedroht, die China in den nächsten Jahren erheblich verstärken will. Auch wenn ein solcher Schutzschild erst in mehreren Jahren einsatzbereit sein kann, läuft China heute schon bei jeder Gelegenheit Sturm gegen diese Pläne. In Taiwan wird dagegen die Frage diskutiert, ob die Kosten für eine Beteiligung an dem amerikanischen Plan nicht zu hohe Verteidigungsmittel binden würden. Über den Einsatz könnte Taiwan im Ernstfall dann auch nicht alleine bestimmen. Daher wird auch heute schon an Eigenentwicklungen gearbeitet.
   
26.01.1999 Erster eigene taiwanesische Satellit „ROC-Sat 1“ von Cape Canaveral gestartet. Er soll nach offiziellen Angaben ab März die Planktonentwicklung und Verschmutzung der Meere um Taiwan überwachen und nicht militärischen Zwecken dienen. 2002 ist der Start von „ROC-Sat 2“ geplant, der mit einer Kamera bis zu einer Auflösung von 2 Metern auch militärische Objekte an der chinesischen Küste identifizieren soll.
   
27.1.1999 Taiwan nimmt diplomatische Beziehungen zur ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien auf. Mazedonien ist damit neben dem Vatikan der zweite europäische Staat mit offiziellen Beziehungen zu Taiwan. Mazedonien wolle vom „Wirtschaftswunder Taiwan“ lernen. Angeblich soll Taiwan Mazedonien Investitionszusagen für bis zu 1,6 Mrd. US$ gegeben haben, ganz im Sinne der sogenannten „Dollar-Diplomatie“ mit der Taiwan mit wechselndem Erfolg versucht, kleinere Länder auf seine Seite zu ziehen. Für Taiwans Geschäftsleute bieten sich jedoch angesichts der geographischen Lage und der derzeitigen politischen Lage in Mazedonien denkbar ungünstige Bedingungen für Investitionen.
   
8.2.1999 Neue Zahlen zum Wirtschaftswachstum werden bekanntgegeben: es lag für 1998 bei nur 4,83%, der niedrigste Wert seit 16 Jahren. Sorgen machen die Aktien- und Kapitalmärkte sowie die Immobilienbranche. Die Aktienkurse haben seit Anfang 1998 um rund 30% nachgegeben, der Immobilienbranche machen hohe Leerstände zu schaffen und es machen sich im Finanzsystem zunehmend Probleme bemerkbar. Es ist durch viele kleine Banken und ländliche Darlehensgenossenschaften zersplittert, zudem wird geschätzt, daß es sich bei den Privatbanken und dem Staat geschuldeten Kredite zur Hälfte um „Faule Kredite“ handelt. Die Opposition (und internationale Rating-Agenturen wie Moody´s Investor Service) kritisieren die Verfilzung zwischen Regierung und Geschäftswelt und fordern konsequente Reformen.
   
18.2.1999 Besuch des Außenministers Jason Hu (Hu Chih-chiang) im Vatikan. Der Vatikan ist sehr an einer Annäherung mit China interessiert und könnte in dem Fall seine offiziellen Beziehungen zu Taiwan opfern.
   
28.2.1999 China verhindert im Sicherheitsrat die Verlängerung des Mandats für die UN-Truppen in Mazedonien, die ein Übergreifen von Konflikten aus dem ehemaligen Jugoslawien verhindern sollen. Grund ist die Verärgerung über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Mazedonien und Taiwan.
   
4.3.1999 Nach achtjährigen Verhandlungen wird in Taipei mit der deutschen Seite eine Vereinbarung über die Ausstellung von Kunstschätzen des „Nationalen Palastmuseums“ in Deutschland getroffen. Sie sollen ab Ende 2001 in der Bundeskunsthalle in Bonn und im Frühjahr 2002 im Deutschen Historischen Museum in Berlin gezeigt werden. Zum Schutz vor Konfiszierung durch China hat der Bundestag im Oktober 1998 ein besonderes Schutzgesetz erlassen.
   
17.-19.3.1999 Besuch des Vizegeneralsekretärs der „ARATS“ (die halboffizielle chinesische „Association for Relations Across the Taiwan Strait“, die für direkte Kontakte zu Taiwan zuständig ist / chin. Abk.: „Tai-Hsieh-Hui“, vollständige Bezeichnung: „Tai-hsia liang-an chiao-liu hsieh-hui“), LI Yafei, in Taiwan. Er sollte das nächste Treffen des ARATS-Vorsitzenden, WANG Daohan, mit der Partnerorganisation „SEF“ („Straits Exchange Foundation“ / chin. Abk.: „Tai-Chi-Hui“, vollständige Bezeichnung: „Tai-hsia chiao-liu chi-chin-hui“) in Taiwan vorbereiten, das ursprünglich schon für das Frühjahr geplant war.

Die Verschiebung ergibt sich daraus, daß die chinesische Seite die Perspektiven einer Vereinigung besprechen will und daher politische Grundsatzfragen in den Vordergrund rückt, die taiwanesische Seite zunächst nur praktische Fragen erörtern möchte. Hinzu kommt die wachsende Bedrohung Taiwans durch Mittelstreckenraketen, die China in der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian stationiert. China wiederum wendet sich gegen Bestrebungen, Taiwan an einem von den USA geplanten Raketenschutzschirm zu beteiligen.

   
26.3.1999 Taiwan stellt Mazedonien 2 Mill. US $ in Aussicht, um das Land bei der Bewältigung des Ansturms von Kosovo-Flüchtlingen zu unterstützen.
   
4.4.1999 Besuch des prominenten chinesischen Exil-Dissidenten Wang Dan in Taiwan. Dabei erklärt Wang Dan, daß die chinesische Regierung auf die Androhung militärischer Gewalt gegen Taiwan verzichten sollte.
   
April 1999 Die deutsche DASA baut für Taiwan den Satelliten „ROC-Sat2“. Er soll eine Auflösung von bis zu 2 m bieten und offensichtlich auch der Beobachtung von chinesischen Militäranlagen an der Küste dienen, was von offizieller taiwanesischer Seite bestritten wird. Gleichfalls besteht die Befürchtung, die deutsche Regierung könnte aus Rücksicht auf China die Exportgenehmigung verweigern.
   
10.4.1999 Besuch von Chinas Ministerpräsident Zhu Rongji in den USA: Zhu vergleicht in einer gemeinsamen Pressekonferenz die Androhung militärischer Gewalt gegen einen drohenden „Separatismus“ Taiwans mit Abraham Lincolns Krieg vor 140 Jahren, um die Sezession der Südstaaten zu verhindern.
   
1.5.1999 Zusage der USA, ein Raketenfrühwarnsystem an Taiwan zu verkaufen. Das System soll Taiwan fünf Minuten mehr Vorwarnzeit bei einem chinesischen Angriff mit ballistischen Raketen geben. Der Verkauf soll im kommenden Jahr erfolgen.
   
7./8.5.1999 Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad. Zur “Beruhigung“ der chinesischen Führung setzt die Bundesregierung die Erteilung einer Exportgenehmigung für einen Aufklärungssatelliten der DASA für Taiwan bis auf weiteres aus.
   
8./9.5.1999 Parteitag der DFP („Demokratische Fortschrittspartei“, der bedeutendsten Oppositionspartei) zur Nominierung des Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen im kommenden Jahr. Am 7.5. war der frühere Vorsitzende und Gründungsmitglied der Partei, Hsü Hsin-liang, aus der Partei ausgetreten. Hsü tritt heute für eine engere Verständigung mit China ein und die Aufnahme direkter Verkehrsverbindungen.

Nominierung von Chen Shui-pien, dem früheren Bürgermeister von Taipei, als Präsidentschaftskandidat. Die Nominierung soll auf einem Parteitag im Juli bestätigt werden. Zur Erhöhung der Wahlchancen wird die bisherige Parteilinie, im Falle einer Machtübernahme eine „Republik Taiwan“ ausrufen zu wollen, modifiziert. Für einen solchen Fall hat China immer wieder mit sofortiger Militärintervention gedroht. Nun heißt es: Taiwan ist „de facto“ bereits unabhängig, auch die Bezeichnung „Republik China“ kann zunächst beibehalten werden. Eine Volksabstimmung über die Zukunft der Insel muß nicht sofort durchgeführt werden. Im Unterschied zur Regierungspartei KMT lehnt die DFP die Vorstellung ab, daß es „nur ein China“ gebe und eine Vereinigung unter demokratischen Vorzeichen anzustreben ist.

   
Mai 1999 Taiwans Präsident Lee Teng-hui läßt unter dem Titel „Tai-wan ti chu-chang“ („Taiwans Standpunkt“) eine Art politisches Vermächtnis veröffentlichen. Eine englische Version unter dem Titel „With the People always in My Heart“ soll folgen. Es beruht auf einer Serie von Interviews mit einem japanischen Journalisten und wurde von diesem zunähhst auf Japanisch redigiert und herausgegeben, dann ins Chinesische übersetzt. Darin spricht Lee über seine „Lehrjahre“ als Vize-Präsident unter Chiang Ching-kuo und seine Vorstellungen, wie sich Taiwan gegenüber China verhalten solle. Darin erteilt er den Positionen einer „Sofortigen Unabhängigkeit“ und einer „Sofortigen Wiedervereinigung“ gleichermaßen eine Absage, da sie zu „Sofortiger Krise“ führen würden. Position der Politik müsse es sein, unablässig die „Existenz Taiwans“ international deutlich zu machen und dann entsprechend der internationalen Möglichkeiten handeln. Gleichwohl betrachtet er Taiwan nach wie vor als Teil eines Chinas. Darin stellt er auch sein Konzept vom „neuen Taiwanesen“ vor ("sin Tài-wan-jen“) vor, demnach jeder Bürger Taiwans ungeachtet seiner taiwanesischen oder chinesisch-festländischen Herkunft eine „Taiwanesische Identität“ besitze. Hiermit soll wohl unterstrichen werden, daß auch seine ursprünglich aus China importierte Regierungspartei KMT inzwischen „taiwanisiert“ ist. Dies ist als Reaktion auf die Opposition zu werten, die die taiwanesische Identität betont.
   
15.5.1999 Neue Aufenthaltsbestimmungen für Ausländer: wer seit mindestens sieben Jahren in Taiwan lebt oder mit einem/r taiwanesischen Bürger/in verheiratet ist und seit mindestens fünf Jahren in Taiwan lebt, kann eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Ausländische Ehepartner müssen nun auch nach dem Tod ihres Partners Taiwan nicht mehr verlassen. Erleichterungen gibt es auch für Kinder aus Mischehen.
   
26.6.1999 Der Sicherheitsrat stimmt der Aufnahme der südpazifischen Inselstaaten Nauru und Kiribati in die UNO zu. China droht bis zuletzt damit, sein Veto gegen die Aufnahme Naurus einzulegen, da Nauru mit Taiwan dilpomatische Beziehungen unterhält. Schließlich enthält es sich der Stimme.
   
   
 
   
   
 

Juli - Dezember 1998

Juli - Dezember 1999

     
 

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