Taiwan-Info

Bericht der "Frankfurter Rundschau" zum Ausgang der Wahlen vom 1.12.2001

 
 
 

Pekings Mächtigen zum Trotz

Taiwans Kuomintang verliert die Mehrheit im Parlament

Von Harald Maass (Peking)

   
  Nach fünf Jahrzehnten der Vorherrschaft der Kuomintang haben die Wähler in Taiwan für einen Machtwechsel im Parlament votiert. Mit einem klaren Sieg wurde die Fortschrittspartei (DPP) von Präsident Chen Shui-bian erstmals stärkste Partei.
     
  Taiwans Demokratie war Chinas Mächtigen stets ein Dorn im Auge. Einst veranstaltete Peking Militärmanöver an der Küste, um die Unabhängigkeitskräfte auf Taiwan einzuschüchtern. Vergangenes Jahr gab Premier Zhu Rongji Drohungen von sich, um Taiwans Wähler im Zaum zu halten. Das sorgte in Taiwan stets für das Gegenteil. Das Misstrauen gegenüber China stieg und mit ihm der Wunsch nach einer staatlichen Unabhängigkeit.

Dieses Mal hielt Peking still, doch das Ergebnis ist das gleiche. Taiwans Unabhängigkeitskräfte um Chen Shui-bian und Pekings Erzfeind Lee Teng-hui haben die Wahl überraschend klar gewonnen. Zwar hat keine Partei die absolute Mehrheit, erstmals in Taiwans Geschichte wird es eine Koalitionsregierung geben. Das Signal der 23 Millionen Taiwanesen an Peking ist aber offenkundig. So lange Peking mit Druck vorgeht, will Taiwan von einer Wiedervereinigung nichts wissen.

Die Wahlen haben Taiwans Parteienlandschaft umgekrempelt. Chen Shui-bians DDP geht mit einem gestärkten Votum in die Koalitionsgespräche. Der Auftrag der Wähler ist klar: Taiwans lahmende Wirtschaft, die in der schlimmsten Rezession seit Jahrzehnten steckt, soll wieder in Schwung gebracht werden. Die Kuomintang erhielt von den Wählern eine Quittung für ihre Boykottpolitik gegen den Präsidenten. Nach der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr verlor sie nun erstmals in der Geschichte Taiwans die Macht im Parlament.

Die eigentlichen Verlierer sitzen jedoch in Peking. China muss nun seine Politik grundsätzlich überdenken. Seit der Trennung vom China vor einem halben Jahrhundert haben die Menschen auf der Insel eine eigenen Identität entwickelt. Gegen die Militärdiktatur durch die Kuomintang erkämpften sich die Taiwanesen Demokratie, die sie nicht aufgeben werden.

Wenn Peking in der Taiwanfrage Fortschritte machen will, muss es für Taiwans Interessen arbeiten nicht gegen sie. Taiwanesische Firmen haben in den vergangenen Jahren Milliardenbeträge in China investiert. Immer mehr Betriebe lagern ihre Produktion aufs chinesische Festland aus. Allein schon aus wirtschaftlichen Interessen werden Taiwan und China in Zukunft näher zusammenrücken. Alles was Peking tun muss, ist abwarten und Gelassenheit zeigen. Doch genau das fällt Chinas Mächtigen am schwersten.

   
   
 
     
     
 

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