Taiwan-Info

Kommentar der "Süddeutschen Zeitung" zum Wahlausgang vom 1.12.2001

 
 
 

Paralyse in Peking

Von "ttt" (4.12.2001)

   
  Schlimmer konnte es für Peking nicht kommen: Widersacher Nummer Eins, Taiwans jetziger Präsident Chen Shui-bian, so stark wie nie, Feind Nummer Zwei, Taiwans Ex-Präsident Lee Teng-hui, von den politisch Toten wieder auferstanden. Und jetzt halten die beiden auch noch Händchen. Chinas Herrscher mussten bei Taiwans Parlamentswahl am Wochenende ihre düstersten Sorgen übertroffen sehen. Dafür haben sie recht sanft reagiert. Bislang zumindest.

Peking fiel schon im Vorfeld durch

Zurückhaltung auf. Kein Vergleich mit früheren Wahlen, welche Chinas Kommunisten stets mit wüsten Drohungen begleitet hatten. Den jetzigen Präsidenten Chen hat Peking ohnehin bislang mit Nichtachtung gestraft. China misstraut dem Unabhängigkeitsstreiter, tröstete sich aber wahrscheinlich mit der Tatsache, dass Präsident Chen bisher innenpolitisch blockiert war durch eine starke Opposition, die wiederum China Avancen machte. Damit ist es erst einmal vorbei: Die Kuomintang ist vernichtend geschlagen, Chens chinakritisches Lager der Sieger. Was Peking besonders zu denken geben sollte: Präsident Chen hat den Sieg eingefahren trotz eines massiven Wirtschaftseinbruchs.
In Pekings erster, unaufgeregter Reaktion hieß es nun, die Wahl werde das Verhältnis zwischen Taiwan und China "kaum verschlechtern": Worte, die besorgte Beobachter erleichtert hören. Die Frage ist nur: Entspringen sie wohlüberlegter Strategie oder im Gegenteil dem Fehlen einer solchen? Weil Peking zu beschäftigt ist mit anderen Dingen? Weil es zu überrascht ist von der Entwicklung? Letzteres ist wahrscheinlich - und kaum beruhigend: Jederzeit kann ein neuer Sturm losbrechen.
     
   
 
     
     
 

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