EIN PLATZ AN DER SONNENHALDE

1981. Hallelujah. In der 10. Klasse angelangt, gings akademisch so langsam um die Wurst. Mittlere Reifepruefung erfolgreich abschliessen, Bewerbungen schreiben, Lehre, Meister machen, Rente, in dieser Reihenfolge. Schon war ich fast am Ende meiner primaeren Schulbildung angelangt. Und naechstes Jahr um diese Zeit wuerde ich volljaehrig sein. Juchu.
Wir bekamen in der Schule einen Berufseignungstest ausgehaendigt, der uns durch gezielte Fragen ueber Neigungen, Faehigkeiten und Interessen den Berufsweg - falls noch, wie bei mir, schleierhaft - weisen solle. Mein Nebensitzer Guno Feucht ("et nass, et trogga - Feicht") sollte laut Antwortbogen am besten Tankwart werden, was allgemein viel Heiterkeit ausloeste. Nur bei mir stimmte wirklich nichts. Zeichnen tat ich gern, doch es gab nicht viele Jobs die das verlangten (und die sich nicht im "alternativen" Bereich befanden). Hm. Comichefte malen, wo musste man dafuer hin? Das riesige Buch, das die "zugelassenen" Berufe einzeln beschrieb, vermerkte nebenher Schulbildungsanforderungen und die Anzahl der jaehrlich angebotenen Stellen. "Graphiker" war in jeder Hinsicht fuer mich extrem "unguenstig". Ach was, unmachbar.

Meine Mutter las in einer Bild-Serie ueber Handwerksberufe vom Kachelofenbauer. Der Bericht gefiel ihr und demnach war das der richtige Beruf fuer mich. " 'Bauer', das ist fuer dich." (Na, das war besser als ein fuer sie lukrativer Saengerknabe zu sein (darueber las sie vor zig Jahren in der Quick) - von der disziplineinfloessenden Militaerschule reden wir am besten nicht. Ich war nun eh zu alt ein falsett-singender General zu sein). Das oder Kaufmann werden, der Traum aller Eltern anno 1981. Mei, wenn die in der Bild um Lehrlinge werben muessen, dachte ich - vergessen wir das doch vorlaeufig mid'm Eefelebaschdla. Es war noch nicht soweit.
Unser Olaf, der sonst stets einen recht kuehlen Kopf bewahrte und auch nicht der typische Mueslifreak war, sang eines Morgens aus heiterem Himmel in der Schule "Ciao, Ciao Domenica" mit den Worten "Down, Down America". Woher das kam weiss ich bis heute nicht; manchmal wurden die Gruenen eben emotional und schmetterten ihre Lieder inbruenstig heraus, wie die Kelly Family, wie ein Hiirsch, 100% natuerlich. Der stete Tropfen dieser Balladen, einst vergleichbar mit den steten Tropfen H2Os auf das Haupt des zu Folternden bei der chinesischen Wassertortur, stoerte mich bald nicht mehr, verursachte nur noch eine kleine Migraene.
In der Tat entwickelte sich aus dem allgemeinen "Volks"-Tick eine zwar minimalistische doch recht lustige Musikart, die Neue Deutsche Welle. Trio und Nena, Songs wie "Eisbaer", "Pogo in Togo" - "United Balls" ist meiner Meinung nach eines der besten Bandnamen die es je gab. "Boris und die Untermieter" ist auch nicht schlecht. "Computerliebe" war eine geradezu prophetische Nummer. Und war etwa Ideal, Joachim (dur doch wa de) Witt oder Extrabreit ein wenig kritisch-politisch angehaucht (die Ideal-Saengerin hat diese elendige "Ga-brueh-oeh-loe" Betonung), so sah ich in den Texten (mit ein paar Ausnahmen) den Optimismus langsam wieder in die deutsche Seele kriechen - soweit das moeglich war. Ja, es gab Hoffnung fuer meine gequaelten, noch schamhaararmen Politico-Kraeutlinge.
Die Studienfahrt nach Bonn und Koeln im Mai 1981 war fuer mich eine Art "versoehnliche" Reise, waren wir, wie im Schullandheim, weniger mit schulischem Teenagerkram belastet und benahmen uns einfach wie Teenies. Wenn man sich bloss immer als Teenager benehmen wuerde statt als Politiker! Aber dann tratschten wir (besser: Die (politisch) gruenen Maedchen) um den Studienteil der Reise zu decken, mit irgendeinem Politiker (den ich schon mal in der Bild gesehen hatte) ueber Themen wie der Ausbau der Strasse durchs Ermstal. Wie und was das fuer alle bedeutete, physisch wie psychisch, oekologisch wie ergonomisch. Sollte man nicht lieber Steuergelder zur Einrichtung eines Toepferkursus im Kurgebiet fuer jung und alt bereitstellen? Lassen wirs.
Zum Glueck suchten wir dann zur Abwechselung eine echte Disco (ergo mit einem eingebauten Plattenspieler) in Koeln auf. Die hiess "Zopf" oder "20 Pf." - konnte man nicht gut lesen. Aaaa! "Schildermaler gesucht." Das war aber mit unseren inzwischen" ausgestorbenen" Discoabenden auf der Alb nicht zu vergleichen, viel zu lasch.
Mochte ich den Bob Dylan aus Prinzip nicht, passte eines seiner Texte ganz gut zur Stimmung. Ich fuehlte es immer deutlicher: "The times, they are a-changing." Frueher wird mal alles anders gewesen sein.
Am Haeusle hatte sich von '80-'81 ebenfalls einiges geaendert... Mein Mofa, das mal der Mercedes seiner Klasse war, ein PC mit 1 Terabyte Festplatte und 400+ mhz, konnte man nun als Sinclair Spectrum bezeichnen (wer den (englischen?) Sinclair "Computer" nicht kennt - das war ein verherrlichter "Taschenrechner" mit Gummikeyboard und maybe 64k Speicher und fanatischen Fans). Da musste ich erneut am Mofa basteln, um wenigstens mit den 40km/h schnellen Zweiraedern mithalten zu koennen (die alle 50 liefen). Hier und da an den Kanten abgerundet, lief es leise 40-45.
Die 15-16-Jaehrigen sprachen vom Erwerb der neuen 80cc Leichtkraftraedern und dem Stufenfuehrerschein 1b. Das war der neue Grosse Plan der Gesetzgeber in Bonn (mit denen haette man reden sollen). Unfaelle gabs freilich schon immer, die Versicherungspraemien stiegen an, an den lauten Zweitaktern wurde zuviel frisert (falls das Wort aus der Mode ist: dabei meine ich "getuned", gschdupfad). Nix gut.
Geruechte und Vermutungen breiteten den Inhalt und Sinn des Grossen Plans an alle Rocker aus:

Von 50cc auf 80cc, das gab weniger Drehzahlen (ond koi Abzuag mai) und folglich weniger Laerm (was?); maximale Hoechstgeschwindigkeit 80 kmh; "Einwegschrauben" an frisierbaren Teilen machten das Basteln schier unmoeglich; mit dem 1b braeuchte man mit 18 nur noch eine praktische Pruefung auf dem Motorrad machen, um den 1er zu erhalten; wer den 1er erst mit 18 machte durfte 3 Jahre nur eine 27 PS Maschine fahren; Versicherung fuer 80rle unter DM 200/Jahr, durch mehr Theorie und Praxis gaebe es weniger Unfaelle, fei, naemlich.
Das klang alles super fuer die Juengeren, doch fuer mich kam das alles zu spaet. Die Honda MT8 und MB8 waren mit ca. DM 2.200 Anschaffungspreis im Vergleich zu den deutschen Modellen spottbillig. Die Zuendapp KS 80 Touring war wunderschoen, doch kostete sie mind. DM 3.500 - genau weiss ich das nicht mehr, denn ich habe damals vieles aus seelischem Schmerz weitgehend aus dem Gedaechtnis verdraengt.
Und die Leute kamen nicht mehr so recht miteinander aus, als sich die Weiber auf die neuen Alpha-Maennchen mit ihre Hoellakischda einstellten. Die Weiber waren naemlich schon immer treulos gewesen. Wenn es naemlich regnete, setzten sich die Weiber naemlich in die Autos der alten Seggl. Die Konkurrenz war erdrueckend.
Und da wir typische Jugendliche waren, beschmutzen wir zunehmends unser Nest/Treff, was dem Establishment nicht so behagte. Irgendwie kamen einige von uns gut mit den Bleichstetter Girls aus, die wiederum Streit mit anderen Girls hatten. Was auch immer. Ich schlug vor, dass wir uns in der leeren Huette in der - vo Wiirdenga aus, immer vo Wiirdenga aus - letzten (und einzigen) Linkskurve vor Bleichstetten treffen sollten. Tada! Das war die "Geburt" der Godahidde. Wer heuer noch dort herumsteht weiss nun wa los: Ich bin euer Vater.
Das Haeusle stand schon lange brach da. Dieser alte Kauz, der Gothe (?), wollte da drin Huehner oder Ziegen halten, doch die druesigen Vorsteher fanden einen Paragraphen der dies unmoeglich machte: "Goissakiegala in der Steilkurve von und nach Wuertingen (immer Wuertingen) sind unzulaessig". So legte man ein Pit Stop aus Macadam fuer die Waldrandscheisser und stellte ein Schild mit Wanderwege auf (oder, hey, war das ein Shit Stop?). So konnten sie in den Wald gehen und tun und machen und auch nachher wieder aus dem Gestruepp heraus finden. Ausser Sonntags parkte aber kaum ein "Auslaender" dort, was fuer uns vorteilhaft war.
Der Gothe kam in den fruehen Tagen nur einmal vorbei, um sich ueber unsere Haeuslebesetzung zu beschweren. "Das ist Privatbesitz, die Touris, blabla, Polizei, usw." Ts, ts. Manche leute koennen eben nicht "loslassen", oder? Den kalten, harten Fakten ins Aug' luga, naemlich: Zu Zerstoeren war da herzlich wenig, unser Laerm stoerte nur den kleinen Bambi (die Sonnenhalde gehoerte weder zu Bleichstetten noch zur Gemeinde, oder?) und alles was wir so taten war von Bleichstetten (nur von Bleichstetten) aus sichtbar. Nix da mit Rammeln und so. Wir wuerden die Autofahrer schon nicht ablenken und in den Wald voll gebrauchten Klopapiers (das wir Mopedler sowieso nicht dort halblebig verbuddelten) driftenlassen.
Sagte ich das schon? Ach was, das muss ich immer wieder sagen, dass mich diese damals modischen gehaekelten Klorollen im Heckfenster der Tourimobile faszinierten. In manchen steckte gar eine Barbie im Pappzylinder. Wahnsinn, du! Das hiess "Ich bin Waldrandscheisser" in leuchtenden Farben. Eine Klorolle im Kofferraum oder unterm Sitz, okay, aber... Was soll das?! Faszinierend, Mischdr Spogg. Jetzt beam mich ganz schnell hoch.

Okay, okay. Zugegeben, wir hatten auch manchmal Toilettenhumor. Sass ich eines spaeten Abends in der Huette musste ich ploetzlich pinkeln, da ging ich auf die Strasse, packte aus, drehte mich um 360 Grad und wasserfarbte das Opel Logo hin - Kreis mit durchzogenem Blitz: "Jaaa! An readr Obbl! Mit Gangschaltung!! Lass an schnurra!!" Dem Ivan gefiel der Gag - und er konnte stets brunzen wie ein zuckerkranker Hund. Aber mitten beim Malen kam ihm ein Auto aus Bleichstetten entgegen. Ups! Koi Licht, koi Schell! Huahuahuaha! Er rannte prustend in den Wald mitm Reama in der Hand. Aus der Luft sah sein Kunstwerk wohl wie ein luftarmer Ballon an einer Schnur aus.

Aber das war trotzdem anders...

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