ZUEND AB!

Die erlebten Abenteuer mit - oder dank - dem Mofa sind zu zahlreich, um alle aufzuzaehlen, sass ich in 2 Jahren bei 40km/h und nach fast 20.000km auf dem Tacho umgerechnet 20 volle Tage auf dem Ding. Aber schauen wir mal...
Nach langem Zoegern kaufte meine Mutter ein paar Wochen nach meinem 15. Geburtstag endlich eine Versicherungs-Nummerntafel. Obwohl damals keine Helmpflicht bestand, legte ich mir einen zu, ebenso Nierengurt und Handschuhe (alles vom Taschengeld). Die Kosten der Schuelermonatskarte - etwa DM 45 - fuer Sprit auszugeben war ein nobler Einfall, doch im fruehen Fruehling wars noch zu kalt und regnerisch, um nach Urach in de Schule zu fahren. Es regnete immer zu oft. Und es war immer zu kalt Anfang 1979.
In den ersten Monaten zuckelte ich brav mit 25 km/h in der Gegend herum, doch bald wurde mir das zu bloed und ich verkuerzte den Kruemmer um gut 20 cm. 32km/h. Schon besser. Stundenlang fuhr ich in Wuertingen herum, auf den Sportplatz, auf den Mond, nach Bleichstetten, durchs restliche Gai und zurueck. Gut, dass die Strassen ein paar Jahre vor meiner Zureise geteert worden waren, sie waren noch ganz frisch.
An der Bushaltestelle hinter der Schule traf ich mich mit den ersten "Kollegen" (lange bevor die "Panzersperren" aufgebaut wurden), wir fuhren bis in die Huette hinein, setzten uns und legten die Fuesse hoch auf unsere Mofas. An der Haltestelle wartete man freilich auf den Bus, es war aber auch der Platz wo sich die gschwind-oina-noch-der-Schual-Raucher trafen und heimlich eine nach der anderen inhalierten. Kam eine alte Oma (stets eine Tante oder Dote einer der Qualmer) mit Handwagen voll Reisig vorbei, warf man die Kippen ins Eck und vertrieb die Schwaden panisch mit den Haenden. War sie weg, wurde man wieder schnell cool und sammelte die Stuemmel aus der Spucke auf.
Und da viele Girls rauchten, trieben sich die boesen Jungs dort herum (da seht ihr genau, wie gefaehrlich Rauchen doch ist). Und die meisten hatten Mofas. Manche fuhren damit in die Schule, andere kamen wieder aus ihren Doerfern zurueck, ohne vorher ihre Hausaufgaben erledigt zu haben. Jaja, die Haltestelle wa ein echter Knotenpunkt fuer uns Loser.

Ich beging des Oefteren Albflucht, weil meine Realschul-Klassenkameraden juenger als ich waren und noch keine motorisierten Gefaehrte besassen. Geld hatten sie weiss Gott ausreichend von der Konfirmation im Sparbiachle; es konnte nicht mehr lange dauern, bis auch sie diese Ersparnisse fuer Des Teufels Rollendes Werkzeug eintauschten.
Ein weiterer Grund war (ausgerechnet und paradoxerweise) der Sprit. Der Literpreis in Wuertingen war fair, nur war bei mir das DM20/ Monat Taschengeld strengstens zu rationieren, ergo kaufte ich alle 2-3 Tage immer nur ein oder zwei Liter bei der Hildegard. Ihr wurde es aber bald zu doof, wegen DM 1,20 aus der Stube zu kommen und sagte dies unlaengst. Sie dachte ohnehin, ich waere ein Idiot, schob ich meine zwei Fahrraeder im Fruehjahr '78 zur Tankstelle um die Reifen aufzublasen - so wie ich es in Amerika immer tat. Sie sah mich lange an, sagte das ging nicht und verabschiedete sich ohne Kommentar. Und da hing der Schlauch mit der Luft drin an der Garagenwand. Ich verstand ihre "Einstellung" erst spaeter als mir wer aus Mitleid eine Handpumpe spendierte. Die deutschen Ventile waren anders! Ja, so ein Scheiss! Amerikanische sind alle gleich, wie die an Pkw. Weil das "einfacher" sein soll, munkelt man.
Anyway, ich war kein Gold Card Kunde bei ihr, also stoppte ich (da Kalta Ranka na mit 50km/h im Leerlauf) in Eningen (auf dem Weg nach Sondelfingen) bei der Aral.
In Sondefingen wohnten meine zwei Vetter (Herbert und Stefan), die mir stets Unterschlupf gewaehrten und Abendessen verabreichten. Sie hatten zwar auch noch keine Mofas, doch waren im Raum Reutlingen immer viele zu sehen und auch dort fast an jeder Bushaltestelle Mischung zu schnueffeln und Ideen auszutaschen. Man cruiste an, sagte hallo und fachsimpelte ungezwungen. In Orschel-Hagen, wo es hiess die Rocker wuerden ein vom Mofa ziehen, war eine Enttaeuschung: Nur coole Typen dort. (Nur die Biddel waren eine echte Plage.) Wie die alten Knacker zu sagen pflegen: "Frueher war alles anders." Es herrschte, mein ich, damals eine offenere Jugendkultur, jedenfalls fuer diejenigen mit fahrbarem Untersatz. (Jahre spaeter, mit dem VW Bus unterwegs, wunderte sich mein Vetter Herbert, woher ich so viele Leute in den Discos kannte. Daher, meen Jung.)
Zugegeben, ich gab meine "Herkunft" selten preis. Offiziell kam ich aus dem Efeu, wo ich Herbert's Nachbarskinder wenigstens von Namen her kannte. Das ersparte die ueblichen Erklaerungen und Bitten, den gern gehoerten Aelbler-Slang von sich geben zu muessen (nicht dass die Taeler "laug" und "lug" haetten unterscheiden koennen). Ich hatte sogar eine 1-A Freundin im Tal, die ich auf einer Sondelbacher Party traf. Ich nahm sie auf eine Spazierfahrt in die nahliegenden Schrebergaerten, machte den Benzinhahn unterwegs zu. Der alte mir-ist-der-Sprit-aus Trick. Wir lagen im Gras und tratschten (echt!). Als es wieder Zeit war, zur Feier zurueckzukehren, drehte ich den Klingeldeckel - mein "Reservetank"- auf und wieder zu. Ui. Prompt lief der Bock wieder. Unserem Buergermeistersohn, den ich einlud und als Sozius mitnahm, gab ich mein Mofa samt Trick weiter. Er probierte ihn an einer weiteren Unwissenden aus.
Leider war der Tank taeglich "schon wieder fast leer", es wurde dunkel und ich begab mich auf die Heimfahrt. Kurz vor der Eninger Weide fiel die Temperatur drastisch. Bis ich ohne Licht am Lindenhof vorbei zu Hause ankam, war ich ein Eiszapfen. Und es gab wegen der spaeten Stunde Zoff.
Nach und nach trafen sich immer mehr Leute an der Wuertinger Haltestelle; Fahrraeder, Mofas, Moped, Mokick, Kleinkraftraeder und dann und wann gar ein Auto. Immer war etwas geboten. Unser Hercules Hobby Rider namens Jaiser schnappte sich das Rad vom Mischder und begann damit ueber den Bordstein in den gegenueberliegenden Parkplatz zu schanzen. Ums Haeusle herum und noch ein Sprung. Irgendwie hypnotisch war das. Als er zum x-ten Mal durch die Luft flog, fiel wie in Zeitlupe die abgebrochene Gabel samt Rad aus dem Rahmen, nur am Bremszug haengend. Klatsch! Da lag er, die Fahrradlampe im Schotter vergraben. Er heulte auf, humpelte zum Hauesle und wand sich vor Schmerz auf dem Rasen. Seine Hand war gebrochen. Ein andermal steckten wir die lautstarke Muschi in ein Bauklo das im Parkplatz lagerte und kippten es auf die Tuer. Der Boden war zur Strasse gedreht und aus dem Loch blickend verfluchte sie uns ganz derb.
Die Lehrer sahen es gar nicht gern, wenn wir die Maedchen waehrend dem Hauswirtschaftsunterricht von aussen (und oben) anglotzten. (Lieber von draussen reingucken als dort as Bi-gleisa zu schwingen.) Ich erspaehte dort ein wundervolles Geschoepf mit dunkelbraunen Augen und einer mehr als ausreichenden Oberweite im weichen Kashmir-Imitat-Pullover (Mohair?), das spaeter fuer eine kurze Zeit meine Freundin wurde. Aber um sie richtig kennenzulernen, reichte die kurze Liebaeugelung am Haeusle und ein blitzblankes Mofa nicht aus. Die Anmache musste an einem stillen, romantischen Ort geschehen, weitab der wachsamen Blicke der Clique. Wie poetisch. Von warmem Wind umgeben halte ich sie fest, schau ihr in die Augen, das Herz pochend, das Licht des vollen Mondes glaenzt auf ihren Lippen...

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