An Fräulein Marianne Anacker.


Pest, den 24. März 1860.

Verehrtes Fräulein!

Sie haben mir eine rechte Freude gemacht mit Ihrem schönen Geschenk, und danke ich Ihnen recht herzlich dafür. Ihre kunstvolle Arbeit wird mir stets eine angenehme Erinnerung sein; auch habe ich bei dem Anschauen Ihrer Blumen den Vorteil vor Ihnen voraus, dass mir dieselben bloss Vergnügen machen, während Ihnen meine Ton-Blumen schon so viel Galle machten und hoffentlich noch machen werden: ich meine damit, dass Sie öfter noch meine Kompositionen spielen mögen, was ohne Schmerzen nicht abzugehen scheint. Ein recht zarter Einfall von Ihnen war es, dass Sie der Brieftasche das Porträt Ihres mir so teuern seligen Vaters einfügen liessen; ich kann das Bild nicht ohne Rührung ansehen, und ist mein Ideal allerdings jünger, so kommt das Porträt demselben doch sehr nahe, ein Beweis, wie wenig sich doch das Original während einer Reihe von Jahren verändert hatte. Nochmals tausend Dank für diese zarte Aufmerksamkeit! Und Ihre Zeilen gehören dazu, sie erklären das Bild und mein Verhältnis zu ihm wie zu Ihnen so schön! Es kommt mir fast vor, als neckten Sie mich etwas mit der leichten Ausführbarkeit einzelner meiner Stückchen. Nun gut, noch bin ich der Rache fähig, jetzt sollen die Klavierspieler wieder einmal eine harte Nuss von mir bekommen! Die Schuld tragen einzig Sie, verehrte Freundin, Sie sollen manchen Schweiss zu verantworten kriegen!

Ich habe nicht gewusst, dass es in Freiberg noch andere Familien ausser der Ihrigen gibt, die teil an mir nehmen; es ist mir das ein angenehmes Bewusstsein, und habe ich daher jetzt noch mehr Ursache, öfter in Gedanken in Freiberg zu sein.

Mit freundschaftlichen Grüssen an Sie und die teuern Ihrigen bin ich Ihr

  ergebenster

   Robert Volkmann.



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