An Oskar Volkmann.


Pest, den 16. März 1860.

Lieber Oskar!

Kannst Du mir nicht sagen, ob ich Deinen Brief vom 4. April 1859 schon beantwortet habe? Ich habe es rein vergessen und schreibe deshalb lieber zum zweiten Male.

Von Deinem Vater erfuhr ich, dass Du Oschatz mit nächstem verlassen wirst, um als ausstudierter Apotheker nun die weite Welt zu bereisen und sie mit Pillen, Pulvern und Salben zu versehen. Doch sei ja vorsichtig in der Mischung und verwechsle nicht die Rezepte, damit nicht einer, der eine rote Krankheit hat, auch noch eine schwarze dazu kriegt. Dann sagt man wohl: Viel hilft viel, aber den Apothekern möchte ich zurufen: Wenig schadet weniger, und das ist wichtiger; man möchte oft giftig werden über Euch giftige Apotheker mit Euern lateinischen Speisezetteln. Doch nichts für ungut, Ihr könnt am Ende nichts dafür, wenn Ihr Schaden anrichtet, die Ärzte sind Eure Generäle, unter denen es leider genug gibt, die noch Wache stehen sollten. Was fällt Dir aber ein, dass Du ins sächsische Sibirien gehen willst? Warum nicht lieber in die sächsische Schweiz? Da möchte ich Dich lieber besuchen, aber in Eibenstock, wo man sogar im Sommer auf dem Schlitten fahren soll, muss es mörderisch kalt sein. Heuer will zwar selbst hier der Winter nicht Abschied nehmen, in der Umgegend liegt noch eine Masse Schnee; wie sieht's denn in Oschatz aus? Jetzt glaube ich aber doch den Frühling schon nahe, die Luft ist schon milder, die Sonne wärmer. Dass ich diesen Winter nicht Wort halten konnte, Euch zu besuchen, tut mir recht leid, doch nächsten Winter, wenn nicht eher, komme ich gewiss, und da hoffe ich Dich auch wiederzusehen als gereiften Pharmazeuten, worauf ich mich sehr freue. Was macht Dein Bruder Paul? Grüsse ihn recht schön von mir und sage ihm, er möchte mir doch auch einmal schreiben. Spielst Du auch noch Klavier? Ich hoffe; vernachlässige es wo möglich nicht ganz, es kann Dir manche angenehme Stunde bereiten und Dich in Gesellschaften beliebt machen, wodurch auch nichts verdorben wird. Singst Du vielleicht gar? Wenn Du Stimme hast und Gelegenheit singen zu lernen und zu üben, unterlass es nicht, Du wirst es nicht bereuen, selbst wenn Du kein Sänger vo Profession werden willst.

Wenn ich hören werde, dass Du ein recht gescheiter Apotheker geworden bist, werde ich Dich noch mehr schätzen als jetzt, wo ich schon so viel Gutes von Dir gehört habe; wenn ich aber erfahren werde, dass Du die Kunst erfunden hast, wie man ohne Apotheke gesund wird, dann werde ich einen ungeheuren Respekt vor Dir bekommen.

Nun lebe wohl, bleibe gesund, wachse in Weisheit und Tugend sowie in der Kunst, Pullen, Pulver und Salben billig und so zu bereiten, dass man gesund wird davon in Ewigkeit.

 Dein

  Dich liebender Onkel

   Robert Volkmann.



vorangegangener Brief / folgender Brief
letzter Brief an Oskar Volkmann / nächster Brief an Oskar Volkmann


zurück zum Index